Aktuell starten wöchentlich mehrere Bundesländer in Österreich, Deutschland und der Schweiz in die Sommerferien. Der Schulschluss bringt auch die Möglichkeit, den Übergang in die Ferien rituell zu gestalten. Susanne Kleinoscheg (Graz), selbst Religionslehrerin und Klassenvorständin, analysiert Möglichkeiten und auch Probleme im Umfeld des Schulschlusses.
Mein persönlicher Kontext ist ein Gymnasium in Graz, wo ich seit 20 Jahren unterrichte (Religion und Ethik). Davor war ich 10 Jahre in der Grundschule (Volksschule). Üblicherweise gab es zu Schulbeginn und zum Schulschluss immer einen Gottesdienst, der in ökumenischer Zusammenarbeit vorbereitet und gefeiert wurde. Aufgrund der Coronabeschränkungen ist diese Feier nun schon einige Male ausgefallen. In manchen Gesprächen mit Schüler:innen und Kolleg:innen stellte ich fest, dass ihnen diese religiösen Feiern sehr abgehen als gemeinsames Feiern, als ein ritueller Beginn bzw. Abschluss eines Jahres und für das Finden von guten Gedanken. Auch das Moment des Segens für die Klasse, für die Zeit der Ferien und für ein gutes Wiedersehen spielt dabei eine Rolle. Neben dem Schulgottesdienst gibt es aber auch unterschiedliche andere Möglichkeiten, Akzente am Schulschluss zu setzen.
Alernative: religiöse Übungen zum Schulschulss
- Schulgottesdienst, Religiöse Übungen und Stationen
Bei uns haben sich unterschiedliche Formen solcher Übungen entwickelt. Neben dem Gottesdienst in einer nahegelegenen Kirche gibt es zunächst die Alternative von religiösen Übungen zum Schulschluss. Dabei verbringt man einen Tag mit den Schüler:innen in einem Kloster oder man gestaltet einen Tag zu einem Thema und verbringt diesen in der Pfarre oder in einem Bildungshaus.
Alternative: Stationenweg
Eine andere Alternative, die ich für dieses Jahr gewählt habe, ist ein Stationenweg, bei dem sich die Schüler:innen alleine anhand von unterschiedlichen vorbereiteten Materialien Gedanken über sich, ihr Leben, das Zusammenleben oder die Welt machen können. Der Stationenweg kann in der Schule oder in der Pfarre aufgebaut werden. Sehr schön ist es, wenn jede:r Religionslehrer-Kolleg:in sich in der Vorbereitung einbringt und dann den Weg mit den verschiedenen Klassen besucht. Von Seiten der Schüler:innen wird es sehr geschätzt, wenn sie sich aussuchen können, welche Stationen sie absolvieren können – es braucht somit eine größere Auswahl.
Der diesjährige Stationenweg mit den Schüler:innen der Oberstufe war einer der wenigen „Lehrausgänge“ im ganzen Unterrichtsjahr. Sie haben es sehr genossen, im Rosarium der Grazer Münzgrabenkirche (ein überdachter Laubengang) von Station zu Station zu gehen (8 Stationen hatte ich gestaltet) und an einem kühlen Ort über das letzte Schuljahr nachzudenken und über ihre Ideen für den Sommer. Der Schirm, unter den sie sich stellen und dabei überlegen konnten, wer ihnen Schutz gibt, war sehr beliebt. Die Schüler:innen begannen dann von selbst, auf die Schnüre des Schirms Taschentücher zu hängen mit den Namen ihres Schutzortes.
Bei der Station „Mauer der Klage“ kamen ein paar Schüler:innen zu mir und sagten, dass sie nichts zu beklagen hätten. Ich fand ihre Aussagen sehr berührend, da es zeigte, dass es durch die Pandemie nicht nur Verwundete gibt, sondern auch Schüler:innen, die diese stille, zurückgezogene Zeit genossen haben. Bei der Station „Wunden“ schrieben sie auf ein Pflaster Namen von Menschen, die ihre Hilfe benötigen, da sie krank oder verwundet sind. Bei dieser Station entstanden sehr nette und intensive Gespräche unter den Schüler:innen, wer in ihren Familien nun Hilfe braucht und wie sie sich einbringen können.
Alternative: MUT-feiern
Heuer gab es gegen Schulschluss in meiner Schule in der Unterstufe jahrgangsmäßige Feiern im Innenhof, damit sich die Klassen nicht vermischen. Das Thema war: MUT. Bei der Feier schrieben die Schüler:innen auf Stoffbänder Mutworte. Oder sie schilderten in Stichworten Erlebnisse, wo sie mutig waren. Diese Bänder wurden auf einen Ast gebunden. So wurde aus einem dürren Ast ein blühender Ast – und die Schüler:innen sind bis zum Schulschluss immer wieder zu dem Ast hingegangen und haben die Stoffstreifen gelesen. Auch aktiv Mutworte für andere zu schreiben, die dann alle Schüler:innen der Schule im Pausenhof lesen konnten, hat den Schüler:innen gefallen, da sie auch anderen etwas schenken konnten.
Es ist ein Geschenk in der Schule, wenn man Kolleg:innen hat, mit denen man gut im Team zusammenarbeiten kann
Das wunderbarste Geschenk machte mir dabei ein Musikerkollege. Er freute sich so sehr, dass wir am Schulanfang wieder einen Gottesdienst feiern dürfen, dass er diesmal nicht nur die musikalische Gestaltung übernahm, sondern mit zwei Klassen zum Thema „Aufblühen“ (dem Gottesdienst-Thema für den Startgottesdienst im Herbst) im Musikunterricht arbeitete. Es ist ein Geschenk in der Schule, wenn man Kolleg:innen hat, mit denen man gut im Team zusammenarbeiten kann und die einander ohne viele Worte unterstützen. Die Arbeit im Schulalltag ist nicht immer einfach, aber durch diese besondere Zeit erkennt man auch sehr schön, wie wichtig es ist, gemeinsam zu feiern und andere Werte zu vermitteln als die Wertschätzung von Geld und Jungsein.
Alternative: Exklusion von Religion?
Manche Schulen wählten heuer aber auch die Variante, keine Aktivitäten zu setzen, die mit Religion in Verbindung gebracht werden können, obwohl es (in Österreich) vom Gesetz her vorgesehen ist. Das mag unterschiedliche Gründe haben: Die einfachste Begründung war heuer die Pandemie (obwohl die Lockerungen der letzten Wochen eine Feier ermöglicht hätten). Aber es gibt auch Fälle, in denen es in der Schule nicht (mehr) üblich ist. Möglicherweise haben die Religionslehrer:innen in ihren Schulen aber auch nicht die notwendige Unterstützung für die Durchführung der Übungen.
2. Der Kontext von Aktionen in der letzten Schulwoche
Die gemeinsame Zeit am Schulschluss ist aus meiner Sicht sehr kostbar und bringt die Klasse als Klassengemeinschaft vor den Ferien noch einmal stärker zusammen – und dies ohne den Leistungsdruck des Schuljahres. Denn der klassische akademische Unterricht ist in der AHS zwar aufgehoben, trotzdem lernen die Schüler:innen in dieser Woche viele Kompetenzen, die sie im Regelunterricht viel schwerer erwerben.
Das Miteinander und Gemeinschaft
In dieser Woche gibt es viele Möglichkeiten, die Klassenkolleg:innen besser kennenzulernen, neue Fähigkeiten an ihnen zu entdecken und neue Freundschaften zu schließen. Einfache Gesellschaftsspiele können das fördern, wie z.B. Activity. Dabei muss ich mich in meine Mitspieler hineindenken und dann meine kreativen Fähigkeiten hervorholen, um ihnen Begriffe zu erklären. Hier werden Sprachkompetenzen ebenso geschult wie Respekt oder auch Frustrationstoleranz. Die Schüler:innen und Lehrer:innen treffen sich auf einer anderen Ebene und lernen sich anders kennen. Als unterrichtende Lehrerin in der Klasse bekommt die Beziehung zu den Schüler:innen damit eine neue Qualität, und als Lehrer:in entdecke ich vielleicht auch ganz neue Fertigkeiten, die meine Schüler:innen haben.
Umgang mit Gefühlen
Nicht jede Exkursion oder jedes Gesellschaftsspiel wird allen Schulkolleg:innen gefallen. Ich muss mit der Frustration leben lernen, dass sich nicht meine Idee durchgesetzt hat. Oder dass mich vielleicht jemand im „Mensch ärgere dich nicht“ geschlagen hat. Es gibt kaum eine bessere Schulung, mit Zorn umzugehen, als durch klassische Brettspiele – es geht um nichts, aber trotzdem darf ich mich bemühen und kann ich verlieren. Wie gehe ich damit um, welche Reaktionen habe ich? In der Pandemie haben wir gemerkt, wie ungemein wichtig es ist, dass wir mit Frustrationen umgehen können, dass wir Strategien haben, daran nicht zu zerbrechen, und dass es leider nicht immer nach den eigenen Plänen gehen kann.
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Autorin: Dr. Susanne Kleinoscheg Susanne Kleinoscheg ist Theologin und hat auch Master in Ethik und Religionswissenschaft. Sie unterrichtet Religion und Ethik im WIKU-Graz.
Beitragsbild: Stationenweg „Schirm“, Foto Kleinoscheg
Bisher auf feinschwarz.net von Susanne Kleinoscheg: