Mit den klassischen Instrumentarien der Theologie vertritt Elmar Klinger eine moderne Position zur Möglichkeit der Ordination von Frauen in der römisch-katholischen Kirche. Der Papst kann die Frauenordination zulassen – und er sollte es auch.
- Falsche Bescheidenheit
Die Frauenordination ist in der katholischen Kirche weiterhin ein Thema. Es wird auf den Synoden und vom römischen Lehramt behandelt. Daher sei mir eine Stellungnahme zur Frage der Zuständigkeit des Lehramtes bei diesem Thema gestattet.
Dieses nämlich erklärt: „Die Kirche hält sich aus Treue zum Vorbild ihres Herrn nicht dazu berechtigt, die Frauen zur Priesterweihe zuzulassen.“[1] Sie hat immer anerkannt, heißt es in einer weiteren Erklärung, Ordinatio Sacerdotalis, dass zum Kreis der zwölf Apostel nur Männer gehören, mit denen er den Grundstein seiner Kirche gelegt habe. „Die Apostel taten das gleiche, als sie Mitarbeiter wählten, die ihnen in ihrem Amt nachfolgen sollten.“ [2] Daher die Forderung zu bekennen, „daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“[3]
Zuständig wäre somit nach diesen Erklärungen die Kirche, nicht das Lehramt der Kirche und daher auch nicht der Papst. Diese Selbstbeschränkung ist bemerkenswert. Aber sie beinhaltet eine falsche Bescheidenheit, denn sie widerspricht der Lehre von der Autorität des Papstes auf dem I. Vatikanum. Dort heißt es in der Unfehlbarkeitserklärung: Der Papst ist Hirte und Lehrer der Kirche. Er trifft Entscheidungen von sich aus, nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche – „ex sese, non ex consensu ecclesiae“. Diese Formel war gegen den Gallikanismus gerichtet und seiner These, der Papst müsse erst die Kirche fragen, bevor er Entscheidungen in der Lehre trifft und sei darin von jener abhängig.
Das I. Vatikanum schließt diese Abhängigkeit definitiv aus. Denn Primat und Unfehlbarkeit sind eine Kompetenz des Papstes, die auf der Wahrheit des Glaubens gründen, die er lehrt, nicht auf Abhängigkeiten, die es in diesem oder jenem Sinne gibt. Zu sagen, die Kirche sei nicht berechtigt, etwas zu tun, schließt daher nicht aus, dass der Papst dazu berechtigt ist, und nicht nur berechtigt, sondern unter bestimmten Umständen auch verpflichtet, wenn die Wahrheit des Glaubens dies fordert, also die Offenbarung selbst. Denn genau aus diesem Grund und zu diesem Zweck gibt es dieses Amt.
Die Frauenordination ist eine Herausforderung der päpstlichen Kompetenz. Sollten nichtkatholische Kirchen dazu berechtigt sein, der römische Bischof aber nicht? Die lehramtlichen Verlautbarungen umgehen diese Frage und stellen sie überhaupt nicht. Sie verweisen auf die Praxis einer zweitausendjährigen Tradition, die es der Kirche nicht gestatte, Frauen zu ordinieren, sowie auf das Geschlecht Jesu und der zwölf Apostel, die der Grund seien, warum die katholische Kirche Männer zu Priestern weiht, Frauen aber dieses Amt verweigert. Beide Argumente sind nicht ausreichend, verdienen jedoch eine echte Auseinandersetzung.
- Kein dogmatisches Problem – sondern eine Genderfrage der Pastoral
Das II. Vatikanum hat die Tradition in ihrer Aussagekraft präzisiert. Denn es unterscheidet in seiner Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum zwischen Inhalt und Form ihrer Weitergabe durch die Überlieferung. Sie selbst – die Offenbarung – ist der Inhalt dieser Weitergabe und auch ihr oberster Maßstab. Daher auch der Titel der ganzen Konstitution: Dei verbum – Wort Gottes. Dieser Inhalt besteht aus zwei zentralen Themen, nämlich der Botschaft Jesu vom Reich Gottes und der Botschaft von der Auferstehung Jesu im Zeugnis der Jünger. Die Formen ihrer Weitergabe sind Schrift und Tradition. Die richtungsweisende Betonung des Inhalts ist für das II. Vatikanum grundlegend. Sie spezifiziert und relativiert die Frage nach den Geschlechtern und ihrem Stellenwert in der Kirche prinzipiell. Ist sie eine Frage der Offenbarung selbst, d.h. des Inhalts ihrer Weitergabe in der Überlieferung, oder ist sie eine Frage der Form dieser Weitergabe in Schrift und Tradition?
Die katholische Kirche betont neben anderen Gegebenheiten, die man nicht vergessen soll, die amtliche Form der Weitergabe des Inhalts. Er wird in der Kirche mit ihr rechtsverbindlich. Dies geschieht durch Männer. Daher stellt sich die Frage nach der inhaltlichen Bedeutung dieser Tatsache. Ist sie eine quaestio facti, d.h. eine Frage der Feststellung von etwas, das es gibt, neben dem es anderes gleichwertig geben kann, oder ist sie eine quaestio iuris, d.h. eine Frage der Bewertung von etwas, das anderes von gleichem Wert neben sich ausschließen kann.
Die katholische Tradition gibt den Tatsachen in ihrem Amtsverständnis einen bewertenden Sinn, bleibt aber in ihrer Bestimmung durch den Inhalt selber prinzipiell offen und kann daher einen Fortschritt bei der Verleihung von Ämtern an Frauen grundsätzlich denken. Denn Ämter bestehen aus Aufgaben, zu deren Erfüllung die jeweilige Autorität Aufträge erteilt. Die Eignung für Aufgaben ist das Kriterium zur Erteilung des Auftrags, den jemand erhält, um ihn zu erfüllen. Die gilt für Schrift und Tradition und speziell auf dem II. Vatikanum. Es gibt somit Geschlechtergerechtigkeit in einem grundsätzlichen Sinn – unbeschadet exemplarischer Eignung der Vertreterinnen und Vertreter in einer jeweiligen Situation. Die Frauenordination ist kein dogmatisches Problem, sondern eine Genderfrage der Pastoral. Sie wäre durch das Lehramt nicht im Sinne von Wahrheit und Falschheit an sich, sondern von der situativen Erfordernis einer Durchsetzung von Wahrheit hier und heute zu entscheiden. Ich möchte dieses Amtsverständnis und seine Möglichkeiten durch Beispiele – d.h. im lehramtlichen Sprachgebrauch ihre Opportunität – noch erörtern.
- Im Dienst des Inhalts
Die Tradition und speziell das II. Vatikanum sehen in den zwölf Aposteln und ihren Nachfolgern das Amt des Bischofs begründet, heben jedoch den Symbolwert über den biblischen Tatbestand hinaus nicht besonders hervor und verzichten auf die Zahl in einem nummerischen Sinn. Denn es gibt in der Kirche kein Gremium der Zwölf, sondern jetzt das Bischofskollegium, das in seiner Nachfolge steht. Kein Mitglied dieses Gremiums wird durch ein Losverfahren bestimmt, wie das noch bei Matthias der Fall war, dem Nachfolger des Judas, dem einzigen Beispiel einer Nachfolge im biblischen Gremium der Zwölf. Niemand verlangt, dass ein Nachfolger der zwölf Apostel ein Jude sein muss, obwohl alle Apostel das waren. Von einer Sammlung der Menschen in, um und durch die Kirche und ihre Botschaft wird nicht gesprochen. Sie wird auch nicht gefordert. Das Argument, die Nachfolger der Zwölf im priesterlichen und bischöflichen Amt müssten Männer sein, weil Jesus und auch die Apostel Männer waren, kann daher nicht überzeugen. Von ihm gilt: quod nimis probat, nihil probat: Was zu viel beweist, beweist gar nichts.
Wäre das Argument stichhaltig, dann müsste das Bischofskollegium aus zwölf Mitgliedern bestehen und durch Losverfahren gewählt sein. Aber auch in diesem Fall hätte zu gelten: Die Weitergabe der Botschaft Jesu misst sich am Inhalt dieser Botschaft, nicht an den Personen, die sie weitergeben. Sie stehen im Dienst des Inhalts, nicht der Inhalt in ihrem. Anders wäre es Ideologie. Menschen können Apostel sein, die nicht zum Kreis der Zwölf gehören und genau wie sie Richtungsweisendes für die Kirche entscheiden. Auch Paulus gehörte nicht zum Kreis der Zwölf. Dennoch ist er Apostel und sogar exemplarisch in diesem Amt. „Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, ausgesondert, das Evangelium Gottes zu verkünden“ schreibt er im Brief an die Römer (1.1).
Seine Person wird mit seiner Botschaft von Gott und Christus dem Kriterium gerecht, das bestimmend war bei der Wahl des Matthias für die nachträgliche Aufnahme in das Gremium der Zwölf. Dazu nämlich steht in der Apostelgeschichte: „Es ist also nötig, dass einer von den Männern, die mit uns die ganze Zeit zusammen waren, als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und in den Himmel aufgenommen wurde – einer von diesen muss nun zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein.“ (Apg., 1,21f) Zu betonen wäre an diesem Satz, dass im Griechischen der Ausdruck Mann auch die Bedeutung Mensch hat und damit Frauen von vorneherein umfasst.
Die Zeit, in der Jesus ein- und ausging unter den Menschen in Palästina, ist die Zeit, in der er das Reich Gottes verkündet. Viele Frauen spielen da, angefangen von seiner Mutter bis zur Syrophönizierin, eine exemplarische Rolle. Sie sind zudem vor den Jüngern erste Zeuginnen der Auferstehung. Daher nennt man Maria von Magdala auch Apostola Apostolorum. Das Projekt der analogia entis et fidei gilt und sollte gelten. Man kann und sollte es daher auch zur Geltung bringen.
- Eine quaestio facti, keine quaestio iuris
Das Geschlecht Jesu ebenso wie das seiner Jüngerinnen und Jünger sind eine quaestio facti und daher selber kein Kriterium für die Verbindlichkeit dessen, wofür sie stehen. Dessen Bedeutung reicht weit darüber hinaus. Sie wird an dem gemessen, was Jesus verkündet hat und selbst verkörpert. Diese Unterscheidung von quaestio facti und quaestio iuris ist in der katholischen Tradition immer richtungsweisend. Sie reicht bin in die biblischen Zeiten zurück und ist für die Sakramentenlehre von großer Bedeutung. Ein Beispiel ist die Taufe des Heiden Kornelius im 10. Kapitel der Apostelgeschichte.
Die Frage lautet: Müssen ethnische und d.h. biologische Voraussetzungen – in diesem Fall die Mitgliedschaft im Judentum – gegeben sein, um getauft zu werden? Muss sich jemand beschneiden lassen, um Christ zu werden? Diese Frage war eine Streitfrage in der Urkirche. Die Antwort war damals ebenso wie heute: Nein. Denn es heißt in der Apostelgeschichte, Jesus habe die Jünger beauftragt, dem Volk zu predigen, dass er der Richter über Lebende und Tote sei.
„Noch während Petrus dies sagte, kam der Heilige Geist auf alle herab, die das Wort hörten. Die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, konnten es nicht fassen, dass auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde. Denn sie hörten sie in Zungen reden und Gott preisen. Petrus aber sagte: Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben? Und er ordnete an, sie im Namen Jesu Christi zu taufen“ (Apg. 10, 44-48)
Dieser biblische Text ist beispielhaft und richtungsweisend. Er belegt – wie auch die Tradition der Sakramentenlehre – dass es einen Unterschied gibt zwischen der „Gabe des Heiligen Geistes“, das Wort Gottes zu hören, zu verstehen und zu vertreten, und dem Wasser der Taufe, die sie bezeichnet, zur Geltung bringt und legitimiert. Die res sacramenti, der Heilige Geist, steht vor dem sacramentum tantum, dem Zeichen, das dem Betreffenden eine bleibende Stellung in der Kirche verleiht. Wendet man diese Unterscheidung auf die Priesterweihe an, dann ist die Gabe des Heiligen Geistes mit der Aufgabe, vor die er stellt, die Voraussetzung für den Auftrag, den die Weihe verleiht. Es gibt in der Sakramentenlehre nirgendwo sonst einen rechtskräftigen Unterschied zwischen Mann und Frau. Er kann sich in der Priesterweihe, wo es ihn tatsächlich gibt, nicht auf die Sache selbst beziehen, den Heiligen Geist, der zur Wahrnehmung geistlicher Aufgaben befähigt. Denn der weht erstens, wo er will, macht sich zweitens nicht von Geschlechterunterschieden abhängig und hat drittens zu den Frauen eine besondere Nähe.
Die katholische Tradition kann sich daher mit ihrer Praxis der Unterscheidung von Inhalt und Form nur auf das Zeichen selber beziehen, das sacramentum tantum und den Rechtsverbindlichkeiten, die es schafft. Sie betreffen immer die Personen, die beteiligt sind, nicht die Sache selber, um die es geht. Die Begründung mit dem Mannsein Jesu und jenem der zwölf Jünger wie auch sonstige Unterschiede betreffen einen faktischen Tatbestand, aber sind keine Rechtstatsachen. Sie betreffen die quaestio facti, nicht die quaestio iuris und können daher unterschiedliche Verhaltensweisen bei unterschiedlichen Umständen zulassen und ermöglichen. Sie sind ein pastorales Problem auf einer dogmatischen Grundlage im umfassenden Sinn und daher entsprechend zu behandeln. Diese Ergebnisse eröffnen dem kirchlichen Lehramt einen weiten Spielraum zugunsten einer Frauenordination, insbesonders auf dem Boden des II. Vatikanum.
Man sollte daher verschiedene Aussagen des Heiligen Stuhls vor diesem Hintergrund korrigieren dürfen. Sie betreffen seine eigene Zuständigkeit. Die Zweifel an ihr sind ehrenwert, aber nicht zu rechtfertigen. Das Argument, die Kirche dürfe nicht und der Papst deshalb auch nicht, ist nicht tragfähig. Der Papst handelt eigenständig, von sich aus, nicht auf Grund ihrer Zustimmung. „Von sich aus“ bedeutet jedoch nicht eigenmächtig, sondern kraft seines Amtes. Dies bedeutet: Er muss nach Maßgabe des Inhalts der Offenbarung selber entscheiden, denn Wahrheit ist von sich her wahr, nicht auf Grund der Zustimmung oder Ablehnung, die sie von wem auch immer erfährt. Die Bibel selber ist eine zentrale Quelle dieser Argumentation. Die Feststellung des päpstlichen Bibelinstituts, dass nichts gegen eine Frauenordination in der Bibel spricht, ist daher wichtig.[4] Sie hat dennoch bisher keinen Eingang in die Erklärungen des päpstlichen Lehramtes gefunden.
- Eine allgemeine Basis: die Theologie des Volkes Gottes
Seit dem II. Vatikanum hat die Katholische Kirche eine allgemeine Basis zur Erörterung der Frage nach der apostolischen und priesterlichen Sendung der Frau: die Theologie des Volkes Gottes. Denn Gott beruft Männer und Frauen in seinen Dienst. Er fordert sie auf, ihm je auf ihre Weise nachzufolgen. Sie sind alle Kinder Gottes. Sie sind die Söhne und Töchter seiner Wahl. Gott ist für sie wie ein Vater und eine Mutter. Er gibt ihnen Zukunft. Er ist ihre Existenz. Das Konzil bezieht sich mit seiner Lehre über die Gleichheit von Mann und Frau ausdrücklich auf diese Berufung. Denn es sagt in der Pastoralkonstitution, Nr. 29:
„Da alle Menschen eine geistige Seele haben und nach Gottes Bild geschaffen sind, da sie dieselbe Natur und denselben Ursprung haben, da sie, als von Christus Erlöste, sich derselben göttlichen Berufung und Bestimmung erfreuen, darum muss die grundlegende Gleichheit aller Menschen immer mehr zur Anerkennung gebracht werden. Gewiss, was die verschiedenen physischen Fähigkeiten und die unterschiedlichen geistigen und sittlichen Kräfte angeht, stehen nicht alle Menschen auf gleicher Stufe. Doch jede Form einer Diskriminierung in den gesellschaftlichen und kulturellen Grundrechten der Person, sei es wegen des Geschlechts oder der Rasse, der Farbe, der gesellschaftlichen Stellung, der Sprache oder der Religion, muss überwunden und beseitigt werden, da sie dem Plan Gottes widerspricht. Es ist eine beklagenswerte Tatsache, dass jene Grundrechte der Person noch immer nicht überall unverletzlich gelten; wenn man etwa der Frau das Recht der freien Wahl des Gatten und des Lebensstandes oder die gleiche Stufe der Bildungsmöglichkeit und Kultur, wie sie dem Mann zuerkannt wird, verweigert.“
Das II. Vatikanum bietet die Basis einer Auseinandersetzung mit dem Patriarchalismus und kann die Grundlage eines Feminismus auf katholischem Boden sein. Frauen haben ein Recht, dieses Konzil für sich einzuklagen. Der allgemeinste Ansatz einer Erörterung des Priestertums der Frau ist die Lehre des Konzils von den Ämtern Christi, des Hirten-, Priester- und Prophetenamtes. Diese Aufgaben sind ein Auftrag und daher Amt. Christus selbst bekleidet es und nimmt es wahr; alle Mitglieder des Volkes Gottes haben teil an Christus. Sie sind Hirtlnnen, Priesterlnnen, Prophetlnnen und dadurch selbst die Kirche. Ein Volk besteht wesentlich aus Männern und Frauen, weshalb die Frauen wesentlich zur Kirche gehören. Sie haben folglich teil an den Ämtern Christi, sie sind Hirtinnen, Priesterinnen und Prophetinnen Christi. Wären Frauen dies alles nicht, dann wären sie keine Christinnen, sondern Heidinnen. Sie hätten das Wort Gottes nicht eigenständig angenommen, sie könnten es nicht kreativ weitergeben. Sie müssten schweigen und könnten nicht reden, sie ständen nicht in seinem Dienst.
Aus dem personalen und zugleich amtlichen Charakter der Berufung des Volkes Gottes in Christus lässt sich eine These aufstellen: Frauen müssen Ämter nicht fordern, sondern haben sie bereits. Sie sind entweder selbst Kirche oder sie gehören nicht zu ihr. Die Kirche ist entweder Kirche der Frauen oder sie ist nicht Kirche. Wäre sie lediglich ein Männerbund, dann könnte sie nicht Volk Gottes in Christus sein. Sie wäre ein Traditionalistenverein, ein Volk ohne Gott, ohne Christus und ohne Hl. Geist.
Der Kampf um diese Wahrheiten ist voll im Gang. Er betrifft die ganze Kirche, nicht nur Frauen, sondern auch Männer, nicht nur Priester, sondern auch Laien, nicht nur Christen und Christinnen, sondern alle Menschen. Er ist eine kirchliche und zugleich gesellschaftliche Herausforderung. Eine wichtige Aufgabe wird sein, das hierarchische Priestertum auf das Volk Gottes zu beziehen und es auf der Grundlage des gemeinsamen Priestertums in seiner Aufgabe zu bestimmen. Frauen sind allgemein und speziell zu dieser Mitarbeit berufen.
lm Kontrast zu diesen Vorgaben stehen die Verlautbarungen der römischen Glaubenskongregation. Darin wird auf Argumente, die ich hier vorgetragen habe, kein Bezug genommen. Die amtlichen Dokumente erörtern nirgendwo das allgemeine Priestertum der Frauen. Sie stellen zwischen dem allgemeinen und besonderen Priestertum generell keine Verbindung her – auch nicht in den Aussagen über das besondere Priestertum, wie das Konzil es tut. Auch die klassische Unterscheidung von quaestio facti und quaestio iuris machen sie nicht zum Thema.
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Elmar Klinger ist Professor emeritus für Fundamentaltheologie und Vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Würzburg. Von ihm erschien 2001 „Christologie im Feminismus. Eine Herausforderung der Tradition“ (Regensburg: Pustet)
Bild: Echter-Verlag
[1] Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Frage der Zulassung der Frauen zum Priesteramt (Inter insigniores, 15.10.1976), in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 117, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1994, 13.
[2] Vgl.: Apostolisches Schreiben Ordinatio Sacerdotalis von Papst Johannes Paul II. an die Bischöfe der katholischen Kirche über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe (22.5.1994), in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 117, 5.
[3] Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 117, 6.
[4] Vgl. Bericht der päpstlichen Bibelkommission, in: W. Groß (Hrsg.), Frauenordination. Stand der Diskussion in der Katholischen Kirche, München 1996, 26-31.