Weil der Priester am Altar „in persona Christi“ handelt, Jesus aber ein Mann war, der auch ausschließlich Männer zum Dienst am Altar bestimmt hat, müssen „nach dem Vorbild und der Weisung Christi“ Frauen vom Priesteramt ausgeschlossen bleiben.
So lautet – ungeachtet ihrer vielfach aufgezeigten theologischen Dürftigkeit – stereotyp die offizielle Antwort, die man/frau auf Fragen in dieser Sache erhält. Die Denkfigur „in persona Christi agit“ speist sich aus der traditionellen Trias Priester-Opfer-Messe. Sie plausibilisiert in ihrem ursprünglichen Kontext, inwiefern jede Messe ein Opfer genannt werden kann, ohne dadurch das ein für allemal erfolgte Opfer Christi am Kreuz durch weitere Opfer zu relativieren. Indem der Priester am Altar in der Person Christi handelt, ist – in der Denkfigur – die Messe nicht Multiplikation, sondern Gegenwärtigsetzung, „Re-Präsentation“ des einen Opfers Christi.
… nicht Multiplikation, sondern Gegenwärtigsetzung.
Die Funktion, die die Denkfigur im Kontext der Ablehnung der Frauenordination übernehmen muss, ist eine gänzlich andere. Das „in persona Christi“ wird auf die physischen Merkmale des Mannes Jesus bezogen. Im Ergebnis wird damit die Eucharistiefeier als Wiederaufführung eines Schauspiels gedacht, bei dem eine Männerrolle nur von einem Mann verkörpert werden kann. Das ist zwar nicht mehr der Sinn der Liturgie, sondern „Oberammergau“, aber in der Argumentationsnot sind viele Mittel recht.
… nicht mehr der Sinn der Liturgie, sondern ‚Oberammergau‘.
Nun ist die Wirkung der Ordination nicht auf die Rolle des Priesters am Altar beschränkt, sondern sie begründet weit reichende Rechte und Vollmachten – d.h. Wirkmöglichkeiten im Dienste des Evangeliums: Zu nennen sind vor allem Leitung und Verkündigung – jeweils in ihrer öffentlichen und damit auch öffentlichkeitswirksamen Gestalt. Durch den Ausschluss von der Ordination werden Frauen von diesen Wirkmöglichkeiten automatisch mit ferngehalten.
Auch wenn unter dem Druck des Priestermangels und der sogenannten „Frauenfrage“ die Phantasie angeregt wurde, welche Leitungspositionen in kirchlichen Verwaltungen und Einrichtungen – zumindest theoretisch – auch mit Laien, also auch Frauen besetzbar wären, die Restriktionen für Frauen in kirchlichen Leitungspositionen sind nach wie vor wirksam. Einzelne Frauen als Seelsorgeamtsleiterinnen, Ordinariatsdirektorinnen und dergleichen hübschen inzwischen die Fassade ein wenig auf. Sie bleiben aber im Gesamtklima und im Gesamtbild von Kirche unwirksam.
Frauen in kirchlichen Leitungspositionen sind unwirksame Fassade.
Denn an dem Ort, an dem sich Kirche ihrem eigenen Selbstverständnis nach am meisten vollzieht, nämlich in der Liturgie, insbesondere der sonntäglichen Eucharistiefeier, bleiben diese führenden Frauen unsichtbar – und vor allem unhörbar. Manchmal gewährt man ihnen am Rande feierlicher Pontifikalhandlungen ein Plätzchen im Chorgestühl der Domkirche, – um damit WAS zu zeigen?
Führende Frauen bleiben unsichtbar und vor allem unhörbar.
Am gravierendsten – weil in der Flächenwirkung am stärksten – ist der mit dem Ausschluss von der Ordination verbundende Ausschluss vom rechtmäßigen und regelmäßigen Dienst der Verkündigung. Die Homilie der Eucharistiefeier – also die öffentlichste Form von Predigt – ist laut Kirchenrecht (can. 767 § 1 CIC) Priestern und Diakonen vorbehalten. Das heißt – und so lässt es sich Sonntag für Sonntag erleben: Recht- und regelmäßig predigen ausschließlich Männer – und mehrheitlich Frauen hören zu, und denken sich immer öfter ihren Teil.Die Perspektive von Frauen wird in der öffentlichen Verkündigung nicht wirksam – und das, obwohl mindestens die Hälfte, bei ehrlichem Blick weit mehr als die Hälfte der Hörer*innen und Adressat*innen Frauen sind.
Recht- und regelmäßig predigen ausschließlich Männer.
Es ist für die Kirche jedoch schlechterdings unmöglich, in die Fülle des Evangeliums hineinzuwachsen, wenn der Resonanzraum von Frauenleben, Frauenwirklichkeit, Frauenperspektive aus der öffentlichen Verkündigung systematisch ausgesperrt bleibt. Dass Frauen dort keinen rechtmäßigen und regelmäßigen Ort haben, wo das Evangelium ausgelegt wird, amputiert das Evangelium selbst. Notwendig ist deshalb ein spezifisches Verkündigungsamt, zu dem exklusiv Frauen ordiniert werden. Gemäß dem Vorbild und der Weisung des Herrn, der Maria Magdalena mit der Verkündigung der zentralen Osterbotschaft an die Jünger beauftragt hat, gemäß der Praxis der frühen Kirche, in der Frauen (Junia!) als Apostelinnen gewirkt haben, sind Frauen zu amtlichen Zeuginnen, offiziellen Verkündigerinnen des Evangeliums zu ordinieren.
Gegen die Amputation des Evangeliums ein exklusives Verkündigungsamt für Frauen.
Päpstliche Beteuerungen über die Würde und den Genius der Frau und Appelle, die Besonderheit, Andersheit von Frauen doch wirksamer in der Kirche zu nutzen, bleiben dürr und leere Floskeln, so lange dem keine (amts-)strukturellen Konsequenzen folgen. Wer die Tür für verschlossen erklärt, muss Fenster öffnen, sonst wird die Luft stickig.
Text: Dr. theol. Judith Müller, München; Bild: Birgit Hoyer