Der Kommunikationsphilosoph Karl-Otto Apel ist tot. Geboren 1922 in Düsseldorf, starb er am 15. Mai 2017 in seinem Haus in Niederhausen im Taunus im gesegneten Alter von 95 Jahren. Von Edmund Arens.
Bei Apel habe ich nicht nur studiert; von diesem unglaublich lebendigen, von Ideen sprudelnden Frankfurter Philosophen habe ich philosophisch denken gelernt. Durch seine Transzendentalpragmatik ist Apel international bekannt geworden, vor allem mit seinen beiden Bänden zur „Transformation der Philosophie“ (Frankfurt/M. 1973). Seine Methode war das Insistieren auf eine im Vollzug der Kommunikation selbst letztbegründete Vernunft und Ethik der Kommunikationsgemeinschaft, welche wir in der realen Kommunikationsgemeinschaft immer schon voraussetzen mit dem Ziel einer idealen Kommunikationsgemeinschaft.
Apel, der seinen Ansatz gegenüber dem von Habermas als philosophisch deutlich fundierter ansah, hat darunter gelitten, dass sein sieben Jahre jüngerer Freund ihn in puncto Berühmtheit in den Schatten stellte. Dabei wusste Habermas ganz genau und brachte das auch verschiedentlich zum Ausdruck, wie viel er selbst dem älteren Freund verdankte. Ohne Apel hätte es Habermas nicht gegeben – jedenfalls nicht diese philosophische Großmacht.
Apel kam von der Kulturphilosophie her. Er studierte – wie Habermas auch und mit ihm zusammen – bei dem durch seine Nähe zum Nationalsozialismus nicht blütenweißen Erich Rothacker in Bonn, bei dem er mit einer Arbeit über Heidegger promovierte. Apel habilitierte sich in Mainz mit einem inzwischen zum Standardwerk gewordenen Wälzer zur humanistischen „Idee der Sprache“, um dann von der Hermeneutik aus die analytische Philosophie zu entdecken und im Diskurs miteinander wechselseitig fruchtbar zu machen.
Eines der großen Verdienste dieses universal gebildeten Gelehrten bleibt, dass er den amerikanischen Pragmatismus im deutschen Sprachraum bekannt gemacht hat, insbesondere durch die Erschließung des Philosophen Charles Sanders Peirce in „Der Denkweg von Charles S. Peirce“ (Frankfurt/M. 1967).
Am Projekt einer philosophischen Letztbegründung von Ethik hat Apel bis zu seinem Tod besessen gearbeitet. Werke wie „Diskurs und Verantwortung. Das Problem des Übergangs zur postkonventionellen Moral“ (Frankfurt/M. 1988), „Paradigmen der Ersten Philosophie. Zur reflexiven – transzendentalpragmatischen – Rekonstruktion der Philosophiegeschichte“ (Frankfurt/M. 2011) bis zu dem in diesem Frühjahr erschienenen Band „Transzendentale Reflexion und Geschichte“ (Berlin 2017) zeugen von einer bis ins hohe Alter ungebrochenen Neugier und Produktivität.
Apel, der mir angeboten hatte, bei ihm zu promovieren, da Theologie doch keine Wissenschaft sei, und an dessen Doktorandenkolloquium ich einige Jahre teilgenommen habe, hatte etwas Monomanisches an sich. Er redete ohne Punkt und Komma endlos wie ein Wasserfall und ließ andere kaum zu Wort kommen. Er verwickelte sich damit in eben jenen „performativen Selbstwiderspruch“, dessen Aufdeckung er unermüdlich als Clou der Transzendentalpragmatik herausstellte.
Mit Apel konnte ich den 1990er Jahren an diversen Tagungen einer interkontinentalen Gesprächsgruppe von lateinamerikanischer Befreiungsphilosophie und europäischer Kommunikationsphilosophie teilnehmen. Bei Treffen unter anderem in Mexiko City und im brasilianischen São Leopoldo hat Apel seine Transzendentalpragmatik der Feuerprobe durch die auf ihre brutal-realen Kommunikationsverhältnisse reflektierenden Befreiungsphilosophen um Enrique Dussel ausgesetzt.
In seiner einzigartigen Kombination von philosophischem Scharfsinn, rheinischer Fröhlichkeit, unbändiger Lebenskraft und transzendentalpragmatischer Penetranz habe ich den nun in die unbegrenzte Kommunikationsgemeinschaft aufgenommenen Karl-Otto Apel nicht einfach verehrt, sondern vielmehr geliebt.
Edmund Arens ist Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Luzern.
Beitragsbild: Wikipedia;CC BY-SA 4.0, File:Koapel.jpg