Bei Neufundland geht es weder um die Insel in Kanada, noch um eine Hunderasse. Maximilian Magiera porträtiert eine Band aus Köln, die mit ihren Texten und ihrer Musik vor allem eins versucht: wieder Themen in Popmusik reintragen, die da gerade nicht stattfinden.
Die fünf Jungs der Kölner Band „Neufundland“ machen einen adretten Eindruck. Unterschiedlicher könnten sie auf den ersten Blick nicht sein: gelockt, mit Mütze, Schnurrbart, brav gekämmt oder mit langem, vollem Haar. Alles dabei.
Wenn sie gemeinsam Musik machen, dann überlegen die Bandmitglieder wohl peinlichst genau, wie sie gerade Besonderheiten aus ihren Songs herauskitzeln können. Der Fokus verlagert sich dabei von der Musik auf den Text, denn hier hört man bei Neufundland genauer hin. Zwei, drei Mal hintereinander abgespielt blitzen immer wieder neue Gedanken und Impulse auf, die zum Nachdenken anregen. Damit machen die Fünf auf sich und ihre Themen aufmerksam.
Verdrängte Gefühle: Scham
Ihr neues Album „Scham“ beschreibt ein Gefühl, dass offensichtlich in unserer Gesellschaft verdrängt wird. „Wir schämen uns für unsere Körper, für unsere Depressionen, für unsere schlecht bezahlten Jobs und für zu wenige Follower auf Instagram. Die Reaktion darauf ist Rückzug, unsichtbar werden, sich verhüllen, im Erdboden versinken. Weil wir die Scham vermeiden wollen, versuchen wir, ihr zuvorzukommen und der Norm zu entsprechen: nie schwarzfahren, nie nach Schweiß riechen und peinlich genau darauf achten, dass es immer Versager gibt, die schlechter sind als wir selbst.“
Pop, Privates und Politisches
Starke Thesen stecken in den neuen Songs. Ob „Fake News“, die sexuelle Identitätsfindung, das „Paris-Syndrom“ oder Rassismus: Neufundland spricht über das, worüber sich viele kein Urteil erlauben wollen und sich nicht trauen, für die eigene Meinung einzusetzen. Für die Band ist dies offenbar selbstverständlich. „Es ist wichtig, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen und das zu verhandeln, auch wenn wir uns jetzt nicht explizit als politische Band sehen. Im Privaten geht es dann einfach darum, am Esstisch mit den Tanten und Onkeln seine Meinung zu sagen. Da sind es oft die kleinen Momente, um die es dann geht.“
Wiederentdeckung tiefschürfender, subversiver Themen des Pop
Sie selbst sind sich sicher: „Kein Gefühl beschäftigt uns so sehr wie die Scham. Kein Gefühl ist so omnipräsent und wird gleichzeitig totgeschwiegen, ist immer da, doch niemals wirklich sichtbar. Die Scham ist eine der stärksten Empfindungen überhaupt, sie zu vermeiden ist das höchste Gut unseres täglichen Handelns.“ Und es scheint, als wollen sich Neufundland genau dafür einzusetzen. Scham zuzulassen, auch wenn es unangenehm ist.
Das Selbstverständnis der Band Neufundland schreit förmlich: „Wir sind eine echte Popband!“. Ihnen geht es um die Wiederentdeckung tiefschürfender, subversiver Themen des Pop. Und das mit größter Verspieltheit und Leidenschaft.
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Autor: Maximilian Magiera ist Religionspädagoge und auf dem Weg zum Gemeindereferenten.
Bild: Jean Raclet