Aktuell sieht man bei uns viele orange beleuchtete Gebäude. Dahinter steht die Kampagne von UN Women „Orange the World“. Damit soll auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam gemacht werden. Eine der Mitverantwortlichen für die Kampagne in Österreich ist Katharina Kleinoscheg. Im Gespräch mit feinschwarz.net erklärt sie Hintergründe, persönliche Motivationen und Perspektiven der Kampagne.
Katharina, du engagierst dich seit vielen Jahren ehrenamtlich bei UN Women Austria und betreust aktuell die österreichische Kampagne von „Orange the World“ mit. Was ist deine persönliche Motivation, so viel Zeit und Energie in diese Kampagne zu stecken?
Weltweit ist nach wie vor jede dritte Frau von physischer, psychischer und/oder sexueller Gewalt betroffen. Gewalt gegen Frauen und Mädchen, zum Beispiel Gewalt innerhalb einer Partnerschaft, bleibt damit eine der am weitest verbreiteten Menschenrechtsverletzungen. Obwohl es so viele Frauen und Mädchen weltweit betrifft wird über das Thema fast gar nicht gesprochen. Nicht einmal 40% der Frauen melden die Gewalt, die ihnen widerfährt.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen, zum Beispiel Gewalt innerhalb einer Partnerschaft, bleibt eine der am weitest verbreiteten Menschenrechtsverletzungen.
Aus diesem Grund ist es aus meiner Perspektive wichtig, auf das Thema aufmerksam zu machen und ihm Platz im öffentlichen Raum zu geben. Seitdem ich vor über einem Jahr in die Kampagnenarbeit eingestiegen bin, habe ich viele Gespräche über persönliche Erfahrungen mit Gewalt geführt. Trotzdem schockiert es mich nach wie vor, wenn ich z.B. mit vier Freundinnen spreche und zwei davon über persönliche körperliche Gewalterfahrungen berichten können.
Das sind Gründe, warum ich meine Freizeit diesem Thema widme und zwischen Anfang Oktober und Mitte Dezember gerne bis spät in die Nacht an dem einen oder anderen Detail für die Kampagne bastle.
Warum ist die Aktion „Orange the World“ auch in Österreich, Deutschland und der Schweiz so wichtig?
Ist es global jede dritte Frau, so ist es doch auch in Österreich nach wie vor jede fünfte Frau ab dem 16. Lebensjahr, die mindestens einmal in ihrem Leben geschlechterbasierte Gewalt erlebt. Aus diesem Grund ist es auch in Mitteleuropa nach wie vor ein sehr brisantes Thema. Besonders hervorzuheben ist meiner Ansicht nach, dass es alle betrifft – damit meine ich, dass jede Gesellschaftsschicht betroffen ist.
Global erlebt jede dritte Frau ab dem 16. Lebensjahr mindestens einmal in ihrem Leben geschlechterbasierte Gewalt.
Vieles davon passiert hinter verschlossen Türen. Frauen die familiäre Gewalt erleben oder Mädchen, die vergewaltigt werden, brauchen besondere Unterstützung. Frauenhelplines, Frauenhäuser, Opferschutzgruppen in Krankenhäusern oder auch die Polizei brauchen adäquate Ausstattung und finanzielle Mittel, um mit solchen Situationen richtig umzugehen. Aus diesem Grund ist die Kampagne auch hier bei uns von großer Bedeutung.
Warum habt ihr die Farbe „Orange“ gewählt? Und wer macht dabei mit, Gebäude und anderes orange zu beleuchten?
Die Kampagne hat vor mittlerweile 30 Jahren, im Jahr 1991 gestartet. Orange wurde als eine Signalfarbe gewählt, um auf Gewalt an Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen. 2008 wurde dann die heutige „Orange the World“-Kampagne “UNiTE by 2030 to End Violence against Women” von UN Women initiiert.
In Österreich haben wir die Kampagne vor vier Jahren mit jeweils einem Gebäude in Graz und Wien gestartet. In der Zwischenzeit sind es in diesem Jahr über 200 orange beleuchtete Gebäude in ganz Österreich. Uns war es von Anfang an wichtig, dass sich nicht nur große Einrichtungen mit der Beleuchtung eines Gebäudes an der Kampagne beteiligen können, sondern jeder und jede mitmachen kann. Es gibt ein Online Toolkit, in dem das Material (wie Plakate und Videos) heruntergeladen werden können. Dadurch können sich beispielsweise kleine Bibliotheken in Tirol, Apotheken in Salzburg bis hin zu Schulklassen in der Steiermark an der Kampagne beteiligen und mit uns gemeinsam ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen.
Was sind für dich die Highlights der heurigen Kampagne in Österreich?
Das Kernteam von Orange the World besteht aus vier Kooperationspartner*innen: UN Women Austria, HeForShe Graz, Soroptimist International Austria und Ban Ki Moon Center for global Citizenship. Wir haben gemeinsam bereits im Dezember 2019 mit der Kampagnenarbeit für dieses Jahr begonnen. Aufgrund der Pandemie, des Terroranschlags in Wien und des zweiten Lockdowns in Österreich kam dann kurzfristig alles doch sehr anders.
Gerade deshalb bin ich begeistert, wie gut die Kampagne heuer gestartet ist. Der Bundespräsident, die gesamte Österreichische Bundesregierung und viele mehr haben am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, auf die Kampagne aufmerksam gemacht und dazu Stellung genommen. Unsere „Stoppt Gewalt an Frauen“ Buttons und Schilder und die Masken, die wir eigens für die Kampagne produziert haben, sind sehr gefragt.
Die Beteiligung vieler Menschen verschiedensten Alters an Orange the World 2020 ist einfach großartig.
Aufgrund der Verlegung der Kampagne in den virtuellen Raum haben wir kurzfristig noch eine ganze Reihe an neuem Material produziert. Ursula Strauss, Orange the World Botschafterin, liest innerhalb der 16 Tage Texte von Antiflirting. Wir haben einen täglichen Livestream auf Instagram und sprechen jeden Abend mit Menschen, die sich auf verschiedenste Weise mit dem Thema auseinandersetzen. Die Beteiligung vieler Menschen verschiedensten Alters an unserer Kampagne ist einfach großartig.
All das, die vielfältigen Initiativen und damit das große Engagement jeder und jedes Einzelnen, jede Einzelne davon ist ein Highlight für mich.
Gibt es von Un Women in der Coronazeit Erfahrungen, ob die Gewalt gegenüber Frauen sich verändert hat?
Aufgrund der Pandemie wurde das Thema leider bereits im Frühjahr von UN Women unter dem Titel „Shadowpandamic“ aufgegriffen. Schließlich hat die COVID-19-Pandemie die Hauptrisikofaktoren für Gewalt gegen Frauen wie Nahrungsmittelknappheit, wirtschaftliche Unsicherheit gekoppelt mit Arbeitslosigkeit, Schulschließungen und vieles mehr weiter verschärft. Dabei ist es leider zu einer alarmierenden Zunahme der vielfältigen Formen von Gewalt gegen Frauen gekommen.
Das Tabu rund um Gewalt an Frauen muss beendet werden.
Was braucht es, damit wir eines Tages eine Welt frei von Gewalt an Frauen erleben können?
Für eine Welt frei von geschlechterbasierter Gewalt braucht es vieles: die entsprechenden rechtlichen Grundlagen und Verankerungen in nationaler Politik; einen gesellschaftlichen Wandel dahingehend, dass es nicht die Schuld der Frau ist, wenn sie sexuell belästigt wird; Männer, die nicht schon als Kind lernen, stark sein zu müssen und vieles mehr. Allen voran muss aber das Tabu rund um Gewalt an Frauen beendet werden.
Danke für das Gespräch!
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Katharina Kleinoscheg ist ehrenamtliche Projektkoordinatorin für UN Women Austria.
Das Gespräch führte das Redaktionsmitglied Johann Pock.
Beitragsbild: Sopie Eugenie