Wer sich freut, lacht – zumindest häufig. Was läge näher, als dem Lachen einen festen Platz in Glaube und Liturgie zu geben, zumal an Ostern? Die jedoch „komplizierte Beziehung“ zwischen Gottesdienst und Lachen erklärt Clemens Leonhard.
Die Feier von Ostern beendet die österliche Bußzeit und die Karwoche. Aus katholischer Sicht handelt es sich bei diesem Teil des Kirchenjahres um dessen ernsteste Periode. Das Lachen sollte allen Mitgliedern der Westkirchen am Aschermittwoch vergehen. (Die Kirchen des christlichen Ostens organisieren die österliche Bußzeit anders.) In der Osternacht oder am Ostersonntag sollte das Lachen aber wieder möglich, vielleicht sogar geboten sein. Manche Prediger erzählen zur Osterpredigt einen Witz. Manche verweisen auf die Tradition des risus paschalis, des Osterlachens. Braucht man in der Kirche eine Tradition und einen lateinischen Begriff, um lachen zu können oder gar um lachen zu dürfen? Sollen Christinnen und Christen in einer Kirche lachen, vielleicht sogar während einer Liturgie? Laut? Nicht nur ein seliges Lächeln, sondern ein echtes, ausgelassenes Lachen? Nein und Ja.
Staub bist du und zum Staub wirst du zurückkehren.
Nein, man soll in der Kirche nicht und in der Liturgie schon gar nicht lachen. Dem, der die jüngste Geschichte der katholischen Kirche betrachtet, mag ohnehin das Lachen vergehen. Außerdem betont schon der antike Theologe Johannes Chrysostomus, dass Jesus nie gelacht hat. Trotz manchen Versuchs der Wissenschaft, das Gegenteil zu zeigen, bleibt das Neue Testament ein humorloses Buch. Im Hinblick auf das Lachen gehören Kirchen in dieselbe Kategorie wie Friedhöfe und Krankenhäuser. In der Liturgie inszeniert der Aschermittwoch das Ende des Lachens („Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.“). Er deutet die Grenze zwischen innerkirchlich und außerkirchlich an. Zum Innerkirchlichen gehören Fasten, Besinnung, Umkehr, Buße usw. Lachen ist nicht nur etwas für die Zeit vor der österlichen Bußzeit, sondern auch etwas Außerkirchliches, etwas, das in Stadthallen und auf der Straße stattfindet. Zu Ostern mag man sich noch dunkel daran erinnern, dass es vor der österlichen Bußzeit Versuche gegeben hat, den Charakter einer Sonntagsmesse (ein bisschen) mit dem der Sitzung eines Karnevalsvereins zu kreuzen. Freilich werden (katholische) liturgische Bücher eine solche Praxis niemals anordnen.
Die Prediger mussten schauen, dass ihr Publikum nicht wegdämmerte …
Ja, Liturgie und Lachen kann kombiniert werden. Eingangs wurde das Osterlachen, der risus paschalis erwähnt. Die lateinische Bezeichnung suggeriert ein hohes Alter eines deswegen ehrwürdigen Brauchs. Andere Maßnahmen der temporären Umkehrung hierarchischer Strukturen oder Phänomene wie Messparodien sind im Folgenden ausgeklammert, auch wenn sie Lachen in die Nähe der Liturgie brachten. Die Rhetorik der Predigten schloss in manchen Epochen der Kirchengeschichte auch Späße ein. Es gab erheiterndes Predigen an den Abenden vor großen Festen. Selbstverständlich mussten sich Prediger auch Sorgen darum machen, dass die Mitglieder ihres Publikums nicht einschliefen. Man muss die Leute ja auch für ihren Zeitaufwand und ihr Zuhören entschädigen.
Jüngere Überlegungen zum Thema des Osterlachens zeigen, dass der Brauch weniger vorherrschend und weniger weit verbreitet war, als es den Anschein haben mag. Der Begriff dürfte überhaupt im frühen sechzehnten Jahrhundert von protestantischen Theologen geprägt worden sein, um gegnerische Predigtstile zu kritisieren. Auch im Mittelalter war es nicht allgemeine Praxis, in Predigten obszöne Witze zu machen, um das Publikum bei Laune zu halten. Die Vorstellung einer Pflicht, Hörerinnen und Hörer einer Predigt zu Ostern zum Lachen zu bringen, ist nicht greifbar. Historisch einwandfrei tritt die Diskussion in einem Brief von Johann Hausschein (der seinen Familiennamen ins Griechische übertrug, und sich Oekolampad nannte) aus dem Jahr 1518 ans Licht.
Es darf nicht jedes Mittel recht sein, um Menschen zum Lachen zu bringen!
Dort verteidigt er sich gegen die Anschuldigung, dass er zu ernst predige. Dabei erzählt er Begebenheiten über verwerfliches Verhalten anderer Prediger. Jene brächten ihr Publikum dazu, zu Ostern laut zu lachen. Sie erzählten obszöne Witze oder bauten schändliche Clownssketches in ihre Darbietungen ein. Oekolampad gibt wohl zu, dass Predigten geistreich sein sollten. Es darf aber nicht jedes Mittel recht sein, um Menschen zu Ostern zum Lachen zu bringen. Andere aufgeklärte Zeitgenossen sahen das ähnlich. Selbstverständlich erzählten dann auch katholische Autoren analoge Geschichten über protestantische Prediger.
Der Wunsch von Predigern, ihr Publikum zum Lachen zu bringen, verschwand nicht. Andreas Strobl publizierte um 1700 drei Auflagen einer Sammlung mit mehr oder weniger weit hergeholten und für die römische Zensur bereinigten Beispielen für Märchen und Kurzgeschichten. Manche Prediger mögen die Sache mit dem Spaß in der Predigt übertrieben oder einen zu wenig geschliffenen Sinn für Humor gehabt und es verdient haben, dass man sie zur Zurückhaltung mahnte. Die Zeugnisse über die Praxis und über die zeitgenössische Bewertung der Praxis stellen allerdings die Frage, ob und warum Lachen und Liturgie so schlecht zusammenzupassen scheinen – dazu drei Beobachtungen.
Lachen ist unkontrollierbar und oft unerklärlich
Erstens haben Lachen und Liturgie gemeinsam, dass es dabei um besonderes menschliches Handeln geht. Obwohl während mancher Liturgien Texte vorgetragen werden, die man zur Interpretation der liturgischen Handlung heranziehen kann, interpretieren sich Lachen und Liturgie nicht selbst oder wenigstens nicht eindeutig. Bedeutungen, Ursachen oder Zwecke werden außerhalb des Vollzugs mit ihnen verbunden und bleiben mehrdeutig. Theologische Traditionen treiben einen großen Aufwand, um den Vollzug von Liturgien bis in kleine Details zu regeln. Sie versuchen, Teilnehmerinnen und Teilnehmern bestimmte Interpretationen aufzuoktroyieren. Die Bedeutung eines Lachens ist noch schwerer mit Argumenten auszoloten als die einer Liturgie. Lachen und Liturgien absorbieren die Menschen, die sie vollziehen. Wenn schon Liturgien so viel Kraft kosten, um einen Anschein von Verständlichkeit anzudeuten, schließt die Unkontrollierbarkeit und Unerklärlichkeit des Lachens eine Kombination mit Liturgie aus.
Wie spontan darf Liturgie sein?
Zweitens ist Spontaneität wichtiger für Lachen als für Liturgie. Letztere kann auch Elemente der Improvisation enthalten. Liturgien erfordern von bestimmten Rollenträgern (katholischerseits weniger von Rollenträgerinnen) die Lösung von unvorhersehbaren, kleinen Problemen im Ablauf. Möglicherweise ist standardisiertes Lachen weniger zu genießen als spontanes. Man muss eine Gebetbuchrubrik: „Hier lacht die Gemeinde.“ auf einer Metaebene als Witz begreifen, um sie lustig finden zu können. Zur Steigerung der Anschaulichkeit soll der Kontrast zwischen Lachen und Liturgie auf die Spitze getrieben werden. Lachen und Liturgie markieren dann zwei einander entgegengesetzte Pole menschlichen Verhaltens. Auf der einen Seite steht die Liturgie, in der die erfahrbare, leibliche Unterwerfung einer Gruppe von Menschen unter ein jahrhundertealtes Handlungsmuster oder eine Gruppe von Funktionsträgern inszeniert wird. Auf der anderen Seite steht das gelöste, freie Lachen über irgendetwas oder auch über nichts, subversiv oder zwecklos. Die beiden sind nicht in einem einzigen Ereignis zu verbinden.
Am ehesten noch: die Predigt als Ort des Lachens
Für diese Beobachtungen spricht drittens die Erfindung des risus paschalis selbst. Man kann Menschen darauf hinweisen, dass sie während der Messe nicht plaudern, rauchen, Tiere verkaufen oder lachen sollen. Diese Tätigkeiten werden aber als Störung des Hintergrunds, nicht als Bestandteil der Messe verstanden. Egal, ob es im sechzehnten und den folgenden Jahrhunderten gelegentlich oder oft praktiziert wurde, das Osterlachen wird ausgerechnet mit der Predigt verbunden. Prediger werden dafür gescholten, dass sie anzügliche Geschichten oder Gesten in Predigten einbauen. Osterlachen gehört nicht zur Rezitation des Schuldbekenntnisses oder zum eucharistischen Hochgebet. Die Predigt ist die am wenigsten ritualisierte und festgelegte Form liturgischer Praxis. Viele Jahrhunderte war sie nicht Teil der Messe. Das Lachen war aus dieser Perspektive ein marginales Phänomen der Liturgie. Vielleicht tritt die Polemik darüber in Strömungen der Reformation in den Vordergrund, weil dort Dignität und Rolle der Lesung und Auslegung der Heiligen Schrift (also der Predigt) ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte.
Liturgie und Lachen passen nicht zusammen.
Die Frage, ob und worüber man im Kirchenraum oder während der Liturgie lachen soll oder darf, müssen Gemeinden und Gemeinschaften im Blick auf den von ihnen erwünschten liturgischen Stil aushandeln. Das gilt auch für das Osterlachen, das im katholischen Messbuch nicht vorgeschrieben ist, das aber im Lauf einer Predigt aufkommen kann. Liturgien müssen nicht immer unterwerfend, langweilig und todernst sein. Sie können als erbaulich, erfreulich, vielleicht sogar auch als fröhlich erlebt werden. Die hier vorgetragenen Überlegungen deuten darauf hin, dass Lachen und Liturgie ziemlich inkompatibel sind – „ziemlich“ deswegen, weil es in Geschichte und Gegenwart doch kleine Überschneidungen gibt. Lachen und Liturgie passen (fast) nicht zusammen in ein einziges Ereignis.
Um mit einer wertenden und tröstenden Bemerkung zu schließen, scheint mir dieser Befund erträglich. Von den sieben mal vierundzwanzig Stunden der Woche sollen ideale Katholikinnen und Katholiken nur ungefähr eine Stunde nicht lachen, zumindest nicht laut und an Ostern vielleicht sogar das.
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Clemens Leonhard ist Professor für Liturgiewissenschaft an der Universität Münster.
Bild: Karin Schmid – pixelio.de
Links und Hinweise:
Claudio Balzaretti, „Risus paschalis. Appunti per una ricerca in fieri” in: Studi e materiali di storia delle religioni 82 (2016) 385–400. https://independent.academia.edu/claudiobalzaretti
Hermann Lichtenberger, „Da lachen ja die Engel! Humor im Neuen Testament“ in: Hans Martin Dober (Hg.), Religion und Humor. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2017 (Theologie Interdisziplinär), 95–112. https://www.vr-elibrary.de/doi/book/10.13109/9783788732714
Maria Caterina Jacobelli, Ostergelächter. Sexualität und Lust im Raum des Heiligen. Regensburg: Pustet 1992 = ital. Il risus paschalis. Brescia: Queriniana 1990.
Zum Aschermittwoch: https://www.erzabtei-beuron.de/schott/schott_anz/index.html?datum=2019-03-06