Der Diskussion um einen kirchlich-katholischen Segen für Paare in unterschiedlichen Konstellationen und Lebenssituationen geht Birgit Mock mit einem Blick auf das gerade erschienene Buch „Paare.Riten.Kirche“ nach.
„Paare möchten ihre Beziehung unter den Segen Gottes stellen. So simpel dieser Wunsch scheint, so komplex ist die Wirklichkeit, die dahintersteht.“
Mit diesem Satz beginnt das Buch „Paare.Riten.Kirche“. Es wurde von Stefan Diefenbach, Lucia Lang-Rachor, David Walbelder und Barbara Wolf herausgegeben und ist jüngst im Bonifatius Verlag erschienen. Ich habe das Buch mit großem Gewinn gelesen und kann es einer breiten Leser*innenschaft nur empfehlen.
Umfassender Praxisbericht
„Paare.Riten.Kirche“ ist ein umfassender Praxisbericht. Ermöglicht wurde er durch das Netzwerk der AKF. In dieser Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung vernetzen sich deutschlandweit all diejenigen, die in Bistümern und Verbänden für Ehe- und Familienpastoral tätig sind.
Die AKF hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Vielzahl von liturgischen Segens-Ritualen zusammenzutragen. All diese Rituale werden schon in der pastoralen Praxis in Deutschland und Österreich eingesetzt. Es sind Segensfeiern für Paare, denen eine kirchliche Trauung aus verschiedenen Gründen nicht offensteht, etwa gleichgeschlechtlichen Paaren oder geschieden wiederverheirateten Paaren. Und es sind Segensrituale für Paare, die eine kirchliche Trauung (noch) nicht wünschen.
Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wurden Gemeinsamkeiten dieser Rituale herausgearbeitet. Die Herausgeber*innen beschreiben in vier Unterkapiteln, welche (liturgische) Grundform der Gesamtablauf hat, an welchem Ort die Feier vorgesehen ist, wer den Segen spricht und wer (oder was) gesegnet wird sowie welche Symbole Verwendung finden. Das Buch thematisiert auch Fragen der Abgrenzung einer Segensfeier zu einer sakramentalen Trauung und gibt Antworten darauf. Alle Praxiserfahrungen werden von den Herausgeber*innen detailliert dargestellt und kommentiert. Das Buch hat einen deskriptiven Charakter, es nimmt keine Bewertung der einzelnen Rituale vor.
Der zweite Teil enthält Segensfeiern, die in Gänze abgedruckt sind. Von den eingereichten 32 Beiträgen hat sich die Publikation auf eine exemplarische Auswahl konzentriert. Etwa ein Drittel dieser Segensfeiern war bereits vor der Sammlung öffentlich verfügbar (auf Homepages o.ä.), zwei Drittel umfassen bislang interne Papiere, die explizit für diese Veröffentlichung zur Verfügung gestellt wurden.
Ein bislang fehlendes Puzzle-Teil
Die Herausgeber*innen leisten mit der Publikation einen wichtigen Beitrag zu einem hoch aktuellen Diskurs. Sie liefern ein Puzzleteil, welches bisher so noch nicht vorlag: eine breite Übersicht über die Praxis. Damit machen sie sichtbar und erlebbar, wie Seelsorgende handeln, wenn Paare auf sie zukommen und um den kirchlichen Segen bitten. Und sie verdeutlichen, wie wichtig das Thema für viele Katholikinnen und Katholiken in Deutschland ist.
kaum akzeptierte lehramtliche Bewertung
Das Buch stellt sich den Spannungen, in denen sich die katholische Kirche derzeit befindet. Nach geltender kirchlicher Lehre gelten dort alle Paarkonstellationen außerhalb einer sakramentalen Ehe (wenn die Partner*innen auch sexuell verbunden sind) als irregulär. Diese lehramtliche Bewertung empfinden immer mehr Gläubige als Diskriminierung. Und sie trifft nicht nur die Paare, sondern auch ihre Angehörigen, die zugehörigen Gemeindemitglieder, die Seelsorgenden und eine Vielzahl von Gläubigen in Deutschland.
Vielfältige Suche nach Antworten
Weihbischof Ludger Schepers, Ansprechpartner der Deutschen Bischofskonferenz für den bundesweiten Arbeitskreis LSBTI*-Pastoral, schreibt es in seinem Vorwort eindringlich: „Das vorliegende Buch zeigt, dass es viele Priester, Diakone und pastorale Mitarbeiter*innen gibt, die nach Wegen suchen, wie Paaren begegnet werden kann, denen eine katholische Trauung nicht möglich ist – Paare, die tief religiös sind, die ihre Beziehung aus ihrem Glauben heraus leben und gestalten wollen, die der Überzeugung sind, dass Gottes Segen auch mit ihnen ist, und die für andere zum Segen werden wollen.“
Antworten auf die Anfragen von Gläubigen
Von diesen Wegen zeugt das Buch „Paare.Riten.Kirche“. Es sind Antworten auf die Anfragen von Gläubigen. Das Buch zeigt, was vielerorts bereits längst pastorale Praxis ist. Damit ist den Herausgeber*innen und ihrem Netzwerk ein besonderer Dank zuzusprechen, weil es dieses Übersichtswissen diözesenübergreifend in dieser Form bislang nicht gab. Sie haben damit einem Wunsch aus der pastoralen Praxis entsprochen und mit ihrer Zusammenschau der verschiedenen erprobten liturgischen Ansätze eine wichtige Lücke geschlossen. Die vielen Seelsorgenden in der Ehe- und Beziehungspastoral, auf die Paare mit ihrem Wunsch nach einer liturgischen Feier, einer gottesdienstlichen Begleitung, einem Ritual, einer Segnung oder ähnlichem zukommen, werden es ihnen danken.
Die Kraft des Segens
Erste Best Practice-Beispiele der AKF hat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) schon 2019 in der Erklärung „Segen schenken. Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare“ veröffentlicht. In dieser Erklärung hat sich die bundesweite Vertretung der Laienkatholik*innen in Deutschland für Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen. Die ZdK-Vollversammlung betrachtet „die theologischen Argumente, auf deren Grundlage gleichgeschlechtliche Paare, die in einer auf lebenslange Dauer angelegten Beziehung leben, (…) von den Segenshandlungen der Kirche ausgeschlossen werden, als nicht mehr dem Stand der Erfahrung sowie der Reflexion entsprechend.“ „Der kirchliche Blick auf diese Paare“, so die Bewertung als ZdK, „muss ein evangeliumsgemäßer Blick werden, der auf die gelebte Liebe fokussiert und der diese liebende Verbindung im Zusammenhang der Heilsgeschichte verortet.“ Hier „bringt eine Segnung des Liebes-Paares das ins Wort, was längst Wirklichkeit ist.“
Paare als „Fundstätten Gottes“ würdigen
Die positive Kraft von Segensfeiern will die ZdK-Erklärung wieder neu stärken und für die katholische Kirche erweitern und ein Denken in eine neue Richtung befördern. Dass es nicht die Paare sind, die der kirchlichen Anerkennung bedürfen, sondern dass die Kirche vielmehr aufgerufen ist, das Gespür für das Wirken Gottes zu bewahren und in der Liebe der Paare diese „Fundstätten Gottes“ neu zu entdecken. So hat es der Dogmatiker Hans-Joachim Sander bei einem wichtigen Fachkongress in Hamburg 2019 ins Wort gebracht.
Frage nach offiziellem Ritus
Das ZdK hat sich 2019 dafür ausgesprochen, dass in naher Zukunft ein offizieller Ritus für die Segnung homosexueller Paare erarbeitet wird. Mit der Publikation Paare.Riten.Kirche liegen zentrale Bausteine hierfür vor. Sie werden sicher Eingang finden in die Beratungen des synodalen Weges und die Arbeit des Forums „Leben in gelingenden Beziehungen. Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“.
Und so ist zu wünschen, dass die Kraft von Segensworten, so wie ein Beispiel aus dem Buch sie vorstellt, Paaren, die in Liebe verbunden sind, uneingeschränkt gelten:
„Gott segne euch und schütze euch vor allem Unheil.
Nie sollt ihr euch verlassen fühlen
und widrigen Umständen ausgesetzt sein.
Alle Zeit seien euch gute Menschen zur Seite gestellt.
Er lasse sein Antlitz über euch leuchten,
sei euch gnädig und schenke euch reichlich Erbarmen.
Er schenke euch offene Augen und Ohren,
auf dass ihr alle Zeit die guten Taten und Wunder des Schöpfers erkennt
in den unscheinbaren Dingen eures Alltags.
Er gebe euch Kraft und Mut,
eure eigenen Wege zu gehen,
den für euch bestimmten Weg zu suchen und zu finden.
Er mache euch frei von allen inneren Zwängen.
Er schenke euch Frieden und Zuversicht.
Ablehnung soll euch nicht erschrecken oder gar betäuben.
ngst soll nicht euer ständiger Begleiter sein.
Er schenke euch ein fröhliches Herz,
ein Lächeln auf euren Lippen,
ein Lachen, das andere mitreißt und frei macht,
und die Gabe, euch selbst nicht zu ernst zu nehmen
und auch über euch selbst lachen zu können.
In dunklen Stunden sende er euch einen Engel, der euch leitet;
in Traurigkeiten einen Menschen, der euch tröstet. (…)
So bewahre euch Gott, der euch ins Leben rief und will,
dass ihr lebt und glücklich seid:
Der Vater und der Sohn und der Heilige Geist, Amen!
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Autorin: Birgit Mock, familienpolitische Sprecherin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
Das Buch: Stefan Diefenbach, Lucia Lang-Rachor, David Walbelder, Barbara Wolf (Hg.): Paare.Riten.Kirche. Wenn eine katholische Trauung nicht möglich ist: liturgische Beispiele gesammelt und kommentiert. Bonifatius Verlag: 2020.
Bild: Alisa Anton / unsplash.com