„Schreiben Sie einen Text (exakt 500 Wörter) zu folgenden Fragen: Was sind für Sie persönlich ‚kirchliche Fragen der Gegenwart‘? Worin sehen Sie Ihre persönliche Rolle in der Kirche? Das Genre Ihres Textes können Sie frei wählen.“ So lautete die Aufgabenstellung für Teilnehmende am Seminar „Kirchliche Fragen der Gegenwart“, angeboten von Professorin und feinschwarz.net-Redaktorin Julia Enxing an der TU Dresden.
2. Teil der von den Studierenden für feinschwarz.net freigegebenen Texte.
Worin sehe ich meine persönliche Rolle in der Kirche?
Wenn eine CDU-Politikerin am Katholikentag eine Priesterinnenweihe und eine kirchliche Frauenquote fordert, sollte den kirchlichen Akteuren bewusstwerden, dass Handlungsbedarf besteht. Ich wollte in meinem Beitrag Kirche und Politik eigentlich voneinander trennen, doch das ist gar nicht so leicht. Auf Anhieb fallen mir Themen wie „Die Rolle der Frau in der Kirche“, „Sexuelle Übergriffe an Ordensfrauen“, „Sexuelle Übergriffe an Kindern“ und dann natürlich das Verhältnis der katholischen Kirche zur LGBTQ* Bewegung ein. Der Staat kann, aufgrund der besonderen Rechtslage, nicht in die Institution Kirche eingreifen, was in der Geschichte oftmals gut war, teilweise immer noch ist, aber eben oft auch nicht. Andersrum ist es ebenso wichtig, dass die Kirche sich in politische Kontroversen einmischt und einen Standpunkt vertritt, der Nächstenliebe ausstrahlt und so die christliche Botschaft weiterträgt.
Der Staat kann nicht in die Institution Kirche eingreifen.
Bei all diesen vorher erwähnten Punkten stellt sich also die Frage, ist der Umgang der Kirche zeitgemäß? Die Antwort ist für mich sehr einfach: Nein! Natürlich bedeutet das nicht, dass die Kirche ein Fähnchen im Wind der gesellschaftlichen Launen sein sollte, doch kann es nicht sein, dass die mitgliederstärkste Kirche in Deutschland seit Jahrhunderten Frauen benachteiligt und das im 21. Jahrhundert immer noch tut, ohne mit der Wimper zu zucken. Wenn Frau Kramp-Karrenbauer dann am Katholikentag darauf hinweist, sollte das Thema nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern vor allem auch von Amtsträgern diskutiert werden. Und dabei spreche ich nicht von der Frauenquote für Leitungspositionen in Bistümern, sondern von Priesterinnenweihe und Diakonat für Frauen.
Die Kirche benachteiligt Frauen, ohne mit der Wimper zu zucken.
Das Überleben der Kirche hängt von der „Frauenfrage“ ab und trotzdem wird die Hälfte der Gläubigen diskriminiert. Besonders sauer macht dieser Sachverhalt, wenn man bedenkt, dass die Kirche lieber massenhaft Mitglieder verliert, als einen neuen Schritt zu wagen. Es kann nicht behauptet werden, die Kirche, würde von der Problematik nichts mitbekommen, vielmehr lässt sich davon ausgehen, dass es für die Machtinhaber einfach nicht relevant genug erscheint. Mir ist durchaus bewusst, dass Männerhass zur Klärung dieses Sachverhalts keinesfalls förderlich ist, doch das Patriachat (sowohl in Kirche als auch Gesellschaft), muss sich bewusst machen, dass ihre Position ein Privileg ist, das allen Menschen zuteilwerden sollte und nicht nur denen, die als Mann wahrgenommen werden.
Lieber massenhaft Mitglieder verlieren, als einen neuen Schritt wagen.
Ich als Frau, die außerdem katholische Religion studiert, sehe mich in einer Position, in der ich auf Missstände aufmerksam machen sollte. Es zerreißt mich, zu wissen, dass ich Mitglied einer Konfession bin, die mein Geschlecht als Anlasspunkt nimmt, gewisse Lebenswege von vornherein zu versperren. Ich bin nicht zornig, weil mein insgeheimer Wünsch ist, Priesterin zu werden, nein, sondern weil es wichtig ist, sich mit denen zu solidarisieren, die ihren Traum nicht leben können, weil sie kein Y-Chromosom haben.
Ich denke dennoch, dass es wichtig ist, dass ich versuche, in meiner aktuellen Position so nervig wie möglich auf Probleme aufmerksam zu machen und zukünftige Schüler*innen ebenso, sodass sich mit der Zeit etwas ändern kann. Das schaffen wir allerdings nur, wenn wir miteinander in Dialog gehen und zusammen an einer gerechten Kirche arbeiten, die allen Teilhabe ermöglicht.
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Pia Budde ist Studentin der katholischen Theologie an der TU Dresden. Sie ist 23 Jahre alt.
Zeitungsartikel vom 12.11.2070 +++BREAKING NEWS+++
Priester fordern Männerquote im Vatikan
Nachdem vor fünf Jahren, durch die Aufdeckung mehrerer Übersetzungsfehler in der Bibel, bekannt wurde, dass es sich bei Jesus und ihrer Nachfolgerinnen zweifelsfrei um Frauen handelte, standen der Vatikan und die katholische Kirche Kopf. Spätestens seitdem Päpstin Elisabeth I. im Amt ist, ist nichts mehr, wie es mal war. Die katholische Kirche nahm eine Wendung in einer Geschwindigkeit, die man lange nicht für möglich gehalten hätte. Nun berichten viele Priester von Benachteiligung und bangen um das Priesteramt für Männer. Um die Gleichberechtigung wiederherzustellen, wird eine Männerquote im Vatikan gefordert.
Viele Priester berichten von Benachteiligung und bangen um das Priesteramt für Männer.
Rasant sinkende Zahlen der männlichen Priester sind festzustellen. Immer wieder werden ihnen Tätigkeiten als Gemeindereferenten oder Pfarreisekretär nahegelegt. Dabei ist die Vergangenheit doch dafür da, aus ihr zu lernen. Sollte in einer Zeit, in der es jedem Mann erlaubt ist, in Vaterschaftsurlaub zu gehen, und jede Frau ihren Wunschberuf ausüben darf, nicht auch eine geschlechtliche Gleichberechtigung im Priesteramt bestehen? Und wenn dem nicht so ist, könnten Gesetzgebungen, wie zum Beispiel eine Männerquote, dabei helfen Ungleichberechtigung auszugleichen?
altbekannte Fragen
Die Geschehnisse werfen altbekannte Fragen auf: Sind die biblische Tradition und Auslegung veraltet und die Regeln der Kirche zeitgemäß? Muss die Kirche nicht eigentlich mit der Zeit gehen, um zukunftsfähig zu bleiben und sich nicht von der Gesellschaft zu distanzieren? Wie schnell sich Tradition ändern kann, haben wir in letzten Jahren erlebt, wie ungenau Bibelauslegung sein kann, auch.
Wie schafft es die Kirche also der biblischen Tradition treu zu bleiben und trotzdem mit der Zeit zu gehen? Wenn diese Frage so einfach zu beantworten wäre, wäre dieser Artikel überflüssig. Wie so häufig gibt es hier also viele Ansätze, mit noch mehr Für- und Wieder.
Ein entscheidender Punkt ist Kommunikation.
Ein entscheidender Punkt, der jedoch zu oft vernachlässigt wird, ist Kommunikation. Damit ist einerseits die Kommunikation zwischen der katholischen Kirche und der Gesellschaft, Gläubigen und nicht Gläubigen und zwischen den Religionen gemeint. Zunächst muss festgehalten werden, dass eine gelungene Kommunikation Grundvoraussetzung für Bildung und eine misslungene Kommunikation oftmals der Grund für Vorurteile ist. Religiöse Bildung ist meist abhängig davon, in welche Familie wir aufgewachsen sind und welche Erfahrungen wir mit Religion gemacht haben. Die Bildungseinrichtung, die uns allerdings alle erreicht, ist die Schule. Die Rolle der Religionslehrer*innen ist es also den Schüler*innen eine Grundbildung und Zugänge zur Religion zu ermöglichen.
Begeben wir uns also in den Dialog.
Aber auch jeder und jede einzelne kann mit anderen über Religion diskutieren, wodurch der eigene Glaube hinterfragt und gefestigt werden kann, neue Sichtweisen eröffnet werden können oder wenigstens andere Ansichten nachvollziehbar werden, auch wenn man ihnen nicht zustimmt. Begeben wir uns also in den Dialog, anstatt uns voneinander zu entfernen. Stellen wir uns auch der Herausforderung, besonders in den Dialog mit Menschen zu gehen, die etwas anderes Glauben oder andere Ansichten als wir haben und tragen somit zu Zukunftsfähigkeit der Kirche bei.
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Sophie Aretin ist Studentin der katholischen Theologie an der TU Dresden im 5. Semester. Sie ist 23 Jahre alt.
Unbequeme Fragen
„Wir haben ja in Bio gerade die Evolutionstheorie – ist das nicht total komisch für dich, wo du doch glaubst, dass Gott die Erde in 7 Tagen geschaffen hat?“
„In der Bibel steht ja, dass Frauen von ihren Ehemännern vergewaltigt werden sollen, stimmt‘s?“
„Du darfst ja als Frau in der kath. Kirche nichts werden – warum studierst du das eigentlich?“
„Was hast du denn gegen Homosexuelle?“
„Findest du es ok, dass so viele Kinder und Erwachsene von Priestern sexuell missbraucht wurden und die Kirche das auch noch vertuscht hat?“
„Darfst du überhaupt einen Freund haben?“
Jedes Mal bin ich danach ein kleines bisschen verärgert.
Solche und ähnliche Fragen habe ich schon in den verschiedensten Situationen (auf WG-Partys, Dates, Geburtstagsfeiern, Schultagen, beim Mensen, in Kirchen, auf Demos) gestellt bekommen. Jedes Mal bin ich danach ein kleines bisschen verärgert. Verärgert, weil ich in Schubladen gesteckt werde, weil ich, sobald ich mich als gläubige Katholikin „oute“, von vielen (nicht allen!) anders wahrgenommen werde. Vor allem aber, weil ich keine guten Antworten habe. Denn im Grunde drehen sich diese Fragen um all die Themen, die mich selber beschäftigen und mich zweifeln lassen:
Wie genau gehe ich mit Aussagen der Bibel um?
Warum werde ich als Frau in der Kirche nicht gleichberechtigt behandelt?
Warum können wir nicht endlich anfangen, Menschen zu integrieren, anstatt sie wegen ihrer Sexualität, ihres Geschlechtes, ihrer Ansichten auszuschließen?
Wie können wir weitere sexuelle Gewalt in unseren Kirchen verhindern?
Warum spielt Sexualität überhaupt so eine große Rolle und warum kann nicht einfach jeder selber entscheiden, was er gut findet und was nicht?
Und was zur Hölle (Verzeihung!) hat das eigentlich alles überhaupt mit Gott zu tun?
Themen, die mich selber beschäftigen und mich zweifeln lassen.
In Deutschland treten immer mehr Menschen aus der katholischen Kirche aus und distanzieren sich von ihr. Das mag verschiedene Gründe haben – großen Anteil daran wird sicherlich die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis haben. Auf der einen Seite wird gelehrt, dass Gott barmherzig und gütig ist und alle Menschen liebt. Auf der anderen Seite schließt die Kirche all diejenigen Menschen aus, die nicht in ihr (zum Teil schon jahrhundertealtes) Bild passen. Einerseits ruft die Kirche die Menschen dazu auf, hilfsbereit zu sein, zu spenden, zu unterstützen und sich um andere zu kümmern. Und andererseits werden Strukturen, die sexuelle, psychische und spirituelle Gewalt fördern, geschützt.
Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis
Warum bin ich denn dann überhaupt noch Katholikin, wenn ich doch so Vieles kritisiere und bemängle? Wie passt das zusammen?
Vielleicht sollten wir dazu einen Blick auf die andere Seite der Medaille werfen:
Kirche und Gemeinde spenden Gemeinschaft, lassen uns neue Menschen kennenlernen und Beziehungen vertiefen. Glaube gibt uns Trost in Angst, Not, Verzweiflung und im Tod. Er lässt Dinge, die unaushaltbar scheinen, aushaltbar werden. Er gibt uns Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod in Gemeinschaft mit den Verstorbenen. Der Schöpfungsgedanke kann uns demütig gegenüber unserer Umwelt und all den anderen Geschöpfen machen.
Ein Blick auf die andere Seite der Medaille
Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Veränderung möglich ist. Sind wir nicht als junge, moderne, offene und tolerante (Eigenlob stinkt, ich weiß) Theolog*innen bestens dafür ausgestattet und geeignet, etwas zu verändern?
Denn der Umbruch ist bereits zu spüren: im Synodalen Weg, in Aussagen wie die unseres Bischofs zu homosexuellen Paaren, in verschiedenen kirchlichen Projekten, die sich für die Umwelt einsetzen, in „Maria 2.0“ und vielem, vielem mehr.
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Anna Klinger studiert katholische Theologie an der TU Dresden. Sie ist 24 Jahre alt.
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