Am 2. Advent blicken wir in den nächtlichen Himmel mit „Insomnia V“ von Miguel Rothschild. Finden wir ein Zeichen? Der zweite Teil unserer künstlerischen Reihe an den Adventswochenenden, kuratiert und getextet von Hannes Langbein.
Was sehen wir eigentlich, wenn wir in den Sternenhimmel schauen? – Ich erinnere mich an ein Erlebnis auf dem spanischen Jakobsweg, irgendwo zwischen Burgos und Leon: Der Blick in den sternenklaren Himmel und die Frage, ob wir dort oben eigentlich Ordnung oder Unordnung, Wegweiser oder ein heilloses Tohuwabohu vor Augen haben? Die Frage hat das Zeug für schlaflose Nächte, weil sie die Frage nach einer wie auch immer lesbaren Schöpfung stellt: Lässt sich der Nachthimmel deuten und – wenn ja – was könnte er uns sagen?
Wegweiser oder ein heilloses Tohuwabohu?
Der argentinische Künstler Miguel Rothschild hat seine Sternenhimmel mit Nadeln und Nägeln ans Himmelszelt gehämmert: „Insomnia V“, Sternenkarten als Vorlage für ein Nadel- und Nägelwerk, das von Weitem wie eine plastische Sternenlandschaft aussieht. Schön anzusehen, aber beunruhigend unlesbar. „Firmament“, die „Feste“ am Himmel, an die die ganz und gar profanen, weil materiellen Himmelslichter angeheftet sind. Wie Lampen (und nicht wie Götter!), heißt es im ersten Schöpfungsbericht der Bibel. Wie „tote Mücken, die der Neuntöter an die Schlehen gesteckt hat“, radikalisiert Georg Büchners Woyzeck, der im Himmel sonst nur faules Holz und verwelkte Sonnenblumen findet.
beunruhigend unlesbar
Im Advent schauen wir besonders intensiv in den Nachthimmel, weil wir uns mehr denn je ein Zeichen erwarten. Die Weihnachtsgeschichte berichtet vom Stern über Bethlehem, den Gelehrte später u.a. als einen Kometen identifiziert haben. Kometen sind die Himmelszeichen schlechthin. Immer wieder wurden sie im Laufe der Geschichte als Boten bestimmter Ereignisse – in der Regel als Unheilsboten – interpretiert. Der Filmemacher Stanley Kubrick meinte einmal, es beunruhige ihn weniger, dass uns das Universum feindlich gesinnt sein könnte als vielmehr, dass wir ihm gleichgültig sind. Die Furcht vor dem stummen, unlesbaren Himmel…
die Furcht vor dem stummen, unlesbaren Himmel
Im Advent erhoffen wir uns ein Lebenszeichen.
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Hannes Langbein ist Direktor der Stiftung St. Matthäus, Kulturstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und Kunstbeauftragter der EKBO.
Bild: © Miguel Rothschild, Insomnia V, Pins and nails pinned onto a c-print, 146 x 156 cm.
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