Hat die Botschaft Jesu in der kirchlichen Welt der Unternehmensberatungen einen Platz? Kaspar Müller hat kritische Anfragen an einen Strategieprozess seiner Diözese. Ein offener Brief.
Wie kommt es nur, dass ich mich als Priester so gar nicht mehr angesprochen fühlen kann von Prozessen und Entwicklungen „aus dem Ordinariat“? Ich fühle mich irgendwie „militärisch-politisch“ konfrontiert, wenn ich von den „Strategien“ der Ordinariate lese.
Eigentlich brauchen wir Jesus nicht, wir haben ja Unternehmensberatungen.
Jesus „einzubauen“, kommt mir wie ein Feigenblatt vor. Als Kirche kommen wir an ihm doch nicht ganz vorbei. Aber eigentlich brauchen wir ihn nicht, wir haben ja Unternehmensberatungen. Der Begriff WEG spielt keine Rolle mehr. Der Begriff GEMEINSCHAFT ist bedeutungslos. Nur noch strategisches Denken hat Wert. Und der PROZESS der Diözese. Gern würde ich Jesus dazu befragen und hören, was er dazu sagen würde. Hätten Sie im Ordinariat daran auch Interesse?
Biblische Botschaften scheinen mir kaum in strategisches Denken passen zu wollen. Sich von Jesu Botschaft anleiten zu lassen, strengt an. Da muss man sich echt hineinknien und beten und hören – und das in Gemeinschaft. Doch solches (altmodisches) Unterfangen ist wohl längst nicht mehr gefragt (höchstens noch im Privatleben).
Es besteht kein Interesse mehr , echten Kontakt mit Leuten vor Ort zu pflegen.
Mich macht es traurig, dass so gar kein Interesse mehr besteht, echten Kontakt mit Leuten vor Ort zu pflegen. Ist ja klar: Wir haben doch Internet, elektronische Postverschickung und Digitalisierung … Und das bringt uns tatsächlich zusammen? Und so geschieht tatsächlich echter Austausch?
PASTORAL war einmal eine Lebensaufgabe für hauptamtliche Kirchenleute. Darin steckt das Wort HIRTE. Doch wer will Hirte sein? Und für wen? Da will man wohl lieber dekretieren, administrieren, sich vor persönlichen Entscheidungen drücken und es auf (wen eigentlich?) schieben, wenn es um Entscheidungen geht, die auch das persönliche Leben voll und ganz in Anspruch nehmen. Aber Entscheidungen fällen und dafür Verantwortung übernehmen – wer will das schon?
Jahre des Herumeierns werden wieder und weiter ins Land ziehen. Neue (diesmal digitale!) Schubladen werden gefüllt werden. Und dann? Neue Begrifflichkeiten werden von schlauen Unternehmensberatungen erfunden werden, damit sie im Geschäft bleiben: Digitale Seelsorge – der neue Aufbruch / Digitalwunder – wir glauben daran / Kirche in der Cloud – eine Strategie der Lebensfreude.
Sie vermuten mangelnden Ernst? Ich kann all die vielen unternehmensberatungsgeleiteten Vorhaben nur noch mit Ironie ertragen. Da der Rat der Menschen vor Ort nicht gefragt ist – weder der von Seelsorger*innen oder den ihnen Anvertrauten, kann ich nur noch traurig zuschauen – mehr nicht.
Den synodalen Weg echter Reformen zu gehen, das wäre eine Sache! Aber davor fürchten sich wohl zu viele in den Ordinariaten. Strategische Planspiele werden diese Furcht nicht vertreiben. Schade um die Zeit und die Mittel, die hier verschwendet werden.
Mit Ihnen dennoch im Gebet verbunden
Ihr Kaspar Müller
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Text: Kaspar Müller, Pfarrer in Fridolfing.
Bild: Kaspar Müller.