Taylor Swift gilt als eine der erfolgreichsten Pop-Künstler:innen aller Zeiten. 4 Theolog:innen, die einen Workshop in Wien vorbereitet hatten, fassen zentrale Ergebnisse zusammen: Linda Kreuzer, Eva Puschautz, Annika Schmitz und Noreen van Elk.
Unter dem Titel „Take us to Church, Taylor“ – Popkultur und Theologie am Beispiel von Taylor Swift haben vom 9.-10. Jänner 2025 in Wien 20 Wissenschaftler*innen aus Österreich, Deutschland und den Niederlanden im Rahmen eines Nachwuchsworkshops über das Phänomen Taylor Swift diskutiert. Dabei wurden unter anderem Swifts Werk und ihre Musik, ihre Lyrics, ihre Botschaften und die Praktiken ihrer Fangemeinde durch die Linse der verschiedenen theologischen Fächer beleuchtet. Die Motivation hinter dem Workshop war es, einen wissenschaftlichen Raum zu eröffnen, in dem das Phänomen Taylor Swift zwischen Popkultur und Theologie analysiert und bereits erfolgte Forschung vorgestellt werden kann.
Swifts Fähigkeit, Resonanz- und Identifikationsräume zu schaffen, bietet viele Anhaltspunkte für theologische Diskussionen über die Bedeutung von Popkultur für die Lebensrealitäten vieler Menschen.
Dass popkulturelle Phänomene ein Thema für die Theologie sind, wird nicht erst am Beispiel Taylor Swifts deutlich. Doch gerade an ihrer Figur entwickeln sich Dynamiken, die die Notwendigkeit einer genaueren theologischen Auseinandersetzung mit diesem und ähnlichen popkulturellen Phänomenen sehr deutlich zutage bringen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang etwa Swifts großer Einfluss auf ihre Fangemeinde, die von kollektiver Identität, gemeinsamen Ritualen, Werten und Praktiken geprägt ist. Welche Kraft sich daraus entwickeln kann, zeigte sich nach der Absage der Konzerte im Rahmen der „The Eras Tour“ in Wien Mitte August 2024 in besonderer Weise. Aber auch Swifts Fähigkeit, Resonanz- und Identifikationsräume zu schaffen, bietet viele Anhaltspunkte für theologische Diskussionen über die Bedeutung von Popkultur für die Lebensrealitäten vieler Menschen. Explizit genannt seien hier ihre Songtexte, die wiedererkennbare Erfahrungen und Emotionen schildern. Der Einfluss und die Bedeutung von Taylor Swift beschränkt sich nicht nur auf den Bereich des Privaten, sondern entfaltet sich auch im Bereich des Öffentlichen und Politischen deutlich, wenn es um Fragen von Kapitalisierung von Kunst oder der politischen Positionierung geht. So ist nicht zuletzt Swifts Ausrichtung im US-Wahlkampf ein großes Thema gewesen.
Es wird bereits an vielen Stellen zu dem Phänomen geforscht, die theologische Forschung ist aber noch deutlich ausbaufähig.
Die hier angedeutete Vielfalt theologischer Zugänge zu dem Phänomen Taylor Swift wurde im Workshop umfänglich repräsentiert. Die Beiträge beleuchteten genderkritische und feministische Fragestellungen in Zusammenhang mit der Musik Taylor Swifts und ihrer Rolle als Person des öffentlichen Lebens, diskutierten aus bibelwissenschaftlicher und exegetischer Perspektive die unterschiedlichen religiösen und biblischen Bezügen in den Songtexten, stellten pastoraltheologische und liturgiewissenschaftliche Überlegungen an und nahmen nicht zuletzt das grundsätzliche Verhältnis von Popkultur und Theologie sowie Fragen der (gesellschaftspolitischen) Inszenierung in den Blick.[1]
Dabei stellte sich zum einen heraus, dass bereits an vielen Stellen zu dem Phänomen geforscht wird, die theologische Forschung aber noch deutlich ausbaufähig ist. Zum anderen bestätigte sich die Annahme des Workshops, dass eine theologische Auseinandersetzung mit Taylor Swift wissenschaftlich anspruchsvoll und theologisch ertragreich ist. Sie bietet sowohl Anknüpfungspunkte für weitere wissenschaftliche Arbeit als auch für innerkirchliche Debatten über die Zukunftsfähigkeit der Kirche. Denn deutlich wurde auch, dass die Kirche vielleicht noch etwas von Taylor Swift lernen kann: wie man junge Menschen nicht nur begeistert, sondern auch innerhalb einer Gemeinschaft ein Gefühl von bedingungsloser Zugehörigkeit, Sicherheit und Anerkennung eigener Lebensrealitäten zu vermitteln.
Entscheidend ist der für die Untersuchung herangezogene Religionsbegriff.
Überdies lässt sich als zentrales Ergebnis festhalten, dass es zwar überdeutliche Parallelen gibt zwischen Religion und popkulturellen Phänomenen wie dem „Phänomen Swift“, ein Vergleich gleichwohl problematisch sein kann. Die Frage, die der Titel dieses Beitrags aufsetzt, ist kaum eindeutig zu beantworten, weil es erhebliche Definitions- und Abgrenzungsschwierigkeiten gibt – so Sarah Scotti in ihrem Vortrag. Entscheidend ist der für die Untersuchung herangezogene Religionsbegriff. Geht man von einem Religionsbegriff aus, der einen gewissen Transzendenzbezug voraussetzt, dürfte man schnell zu dem Ergebnis kommen, dass die Parallele von Taylor Swift und Religion nur augenscheinlich, aber theologisch nicht tragfähig ist. Legt man allerdings einen Religionsbegriff zugrunde, der über immanente Aspekte wie Rituale und Bräuche definiert wird, fällt die Antwort sicher anders aus.
Gerade auch an diesen Definitions- und Abgrenzungsschwierigkeiten zeigt sich die Notwendigkeit einer intensiveren Auseinandersetzung der Theologie mit der Popkultur im Allgemeinen, wie Oscar Cuypers-Parsch unterstrich. Aus seinem Beitrag ging hervor, dass die Theologie zwar oft von Popkultur spricht oder diese als Forschungsgegenstand betrachtet, dabei aber oft unklar bleibt, was genau gemeint ist. Zudem bedürfte es eine deutlich tiefergehende theologische Betrachtung von Popkultur, die auch den Bereich der Popmusik miteinbezieht und als Forschungsgegenstand ernst nimmt.
Man kann das Phänomen von Popstars nie getrennt von ihrem Erfolgsmotiv, von Vermarktung und Inszenierung betrachten.
Kontrovers diskutiert wurden Fragen nach der Inszenierung und der Bedeutung der religiösen und theologischen Bezüge in der Musik Swifts, derer es, wie u.a. Paula Neven Du Mont und Ruth Buchschuster zeigten, viele gibt. Auffällig ist dabei zum Beispiel, dass Swift vor allem biblischen Bezügen fast immer eine andere Bedeutung gibt – oder zwar ein biblisches Motiv heranzieht, es jedoch überformt. Geschieht hier eine bewusste „Aneignung“ mit dem Ziel, eine kritische Auseinandersetzung mit religiösen Inhalten zu fördern? Oder handelt es sich doch eher um Vermarktungsstrategien und Inszenierung? Diese und weitere Fragen konnten nicht abschließend geklärt werden. Konsens konnte aber darüber erreicht werden, dass viele Faktoren eine Rolle spielen und man das Phänomen von Popstars nie getrennt von ihrem Erfolgsmotiv, von Vermarktung und Inszenierung betrachten kann. Dies gilt des Weiteren genauso für die Frage nach der Bedeutung und dem Zweck von Swifts politischen Engagement sowie ihrer Unterstützung feministischer Arbeit.
Letzteres darf, so konnte der Workshop zeigen, nicht zu einer Bagatellisierung von Swifts Einfluss in den genannten Bereichen führen und sollte die Authentizität, mit der Swift sich in die Öffentlichkeit einbringt und mit der sie religiöse Bezüge in ihrer Musik herstellt, nicht in Frage stellen. Ganz im Gegenteil schließen sich eine kritische Überprüfung ihrer (möglichen) Motive und das Ernstnehmen ihres Einflusses nicht aus, sondern bereichern sich sogar gegenseitig.
Erkenntnis, dass ein neues Forschungsfeld erschlossen wurde
Abschließend bleibt festzuhalten, dass es dem Workshop gelungen ist, das Feld der Fragen im Umfeld des Phänomens Taylor Swifts abzustecken. Es wurden Themen identifiziert, an denen es sich lohnt, theologisch weiterzuarbeiten. Gleichwohl wurde klar, dass diese theologische Weiterarbeit von einem interdisziplinären Austausch profitieren kann und ein Dialog mit u.a. sozial- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen in der Taylor Swift-Forschung förderlich wäre. Was bleibt also neben dem Glitter on the Floor? Die klare Erkenntnis, dass ein neues Forschungsfeld erschlossen wurde und mit den Ergebnissen des Workshops zukünftig weitergearbeitet werden sollte. Als nächster Schritt auf diesem Weg sollen die Beiträge des Workshops und ihre zentralen Ergebnisse in einem Sammelband gesammelt und publiziert werden. Dabei wird es aber sicherlich nicht bleiben. We are ready for it!
[1] Für das vollständige Programm mit allen Namen der Vortragenden sowie Beitragstitel unter https://se-ktf.univie.ac.at/detailansicht/news/programm-zum-nachwuchsworkshop-take-us-to-church-taylor/
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Linda Kreuzer (Jahrgang 1978) studierte Katholische Theologie und Philosophie in Linz und Wien. Nach mehreren Jahren im freien Journalismus, außerschulischen Kinder- und Jugendbereich und sechsjähriger Lehrpraxis im sekundären und tertiären Bildungsbereich arbeitet sie im Fachbereich Sozialethik zu Care-Ethik und Institutionentheorien sowie medienethischen Fragen.
Eva Puschautz (Jahrgang 1994) studierte Katholische Theologie in Wien und Mailand und promovierte an der Universität Wien im Fach Neues Testament. Als Neutestamentlerin hat sie ihre Schwerpunkte im Bereich der historisch-kritischen und feministischen Exegese. Nebenberuflich ist sie Chorsängerin.
Annika Schmitz (Jahrgang 1988) ist Theologin und Journalistin, seit Oktober 2023 ist sie Redakteurin der Herder Korrespondenz. Zuvor war sie Redakteurin bei der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Sie studierte katholische Theologie in Freiburg, Wien, im Theologischen Studienjahr Jerusalem und an der Yale University in den USA.
Noreen van Elk, geb. 1991, BTh. M.A. PhD., studierte kath. Theologie und Religionswissenschaften in Löwen (Belgien) und Berlin und promovierte an der Universität Groningen. 2014-2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Inst. f. Theologie und Frieden (ithf) in Hamburg, 2017-2021 Referentin im Kommissariat der deutschen Bischöfe in Berlin. Seit Dez 2021 Universitätsassistentin (postdoc) am Fachbereich Sozialethik des Inst. f. Systematische Theologie und Ethik der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Wien.
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Beitragsbild: (C) Linda Kreuzer