Gleich doppelt Grund zum Feiern hat das Redaktionsteam von feinschwarz.net: Sowohl die Redaktion als auch das Redaktionsmitglied Julia Enxing werden mit dem Herbert Haag Preis 2023 ausgezeichnet. Zu diesem außergewöhnlichen Anlass dokumentieren wir die Medienmitteilung sowie die Dankesworte von Rainer Bucher – stellvertretend für die feinschwarz-Redaktion – und die Festrede von Julia Enxing.
Im Namen der Kolleg:innen in der Redaktion von feinschwarz.net danke ich sehr herzlich für die Verleihung des Herbert Haag Preises 2023 durch die Herbert Haag Stiftung für Freiheit in der Kirche. Wir freuen uns sehr über diese Würdigung, der Preis ist uns eine Ehre und auch eine wirkliche Hilfe. Und ich danke, Dir, liebe Irmtraut, natürlich ebenso herzlich für Deine so wertschätzende laudatio!
„Was ist das Siegel der erreichten Freiheit? — Sich nicht mehr vor sich selber (zu) schämen.“ Der dies schrieb, war mindestens zwanzigmal hier in Luzern. Die Gründungsmotivation von feinschwarz war zugegebenermaßen um einiges schlichter und kontingenter als dieser wunderbare Satz von Friedrich Nietzsche.
In einer Printzeitschrift ging es nicht mehr weiter und ein Teil der funktionslos gewordenen Redaktion saß bei einem Glas guten Weins, der zuerst als melancholischer Wiener Abschiedstrunk gedacht war, beisammen und entschied: Lasst uns weiter und ein Internetfeuilleton machen.
Damals, 2013, dominierten ausgesprochen konservative bis reaktionäre Blogs die Theologische Internetsphäre. Dem wollten wir etwas entgegensetzten. Und wir wollten beweisen, dass universitäre Theolog:innen verständlich, ja spritzig schreiben können. Das ist ja wirklich nicht von vorneherein klar.
Vor allem aber starteten wir ein Freiheitsprojekt: Wir wollten frei sein von kirchlichen, universitären und auch verlegerischen Restriktionen – und das sind wir bis heute. Daher arbeiten wir ehrenamtlich, sind wir finanziell völlig unabhängig, und agieren wir außerhalb des journalistischen, universitären und auch des kirchlichen Belobigungs- und Sanktionierungssystems.
Das macht uns bei aller Arbeit gehörig Spass, auch weil wir erleben, dass die Theologie etwas zu sagen hat zu den brennenden Themen der Gegenwart – als freies Angebot an alle Interessierten. Denn die Wahrheit der Theologie reicht weiter als der kirchliche Raum. Es war nicht sicher, ob dieses Angebot angenommen wird, und anfangs waren wir auch nicht sicher, ob feinschwarz das erste Jahr überleben würde.
Aber der aktuelle Zerfall der Tridentinischen Konstellation von Kirche entlässt aus sich eben auch neue Möglichkeiten. Spätestens meine theologische Generation treibt katholische Theologie in den Ruinen des Machtsystems „katholische Kirche“. Ruinen sind Elemente in einem eigenartigen Zwischen: zwischen einem Gestern, das sie erinnern, und einem Morgen, in dem es für sie gerade noch die Existenz als malerische Erinnerungsorte zu geben scheint; zwischen einem Innen, das sie imaginieren, und einem Außen, das sie nicht wirklich draußen lassen können, zwischen der Macht, die sie weiterhin repräsentierten, und der Ohnmacht, die sie sind.
Wer den ruinösen Charakter der kirchlichen Machtkonstellation nicht anerkennt, manövriert sich in eine paradox-ironische Lage: Einerseits leidet er unter selbstverschuldeten Selbst- fesselungen in alten ideologischen Gemäuern: Sie betreffen etwa die herrschende Geschlechterasymmetrie, manifeste Defizite in Verfassungsstruktur und Verfassungskultur sowie die verlorene Integrität im Bereich der Sexualmoral. Andererseits fesselt er oder sie sich damit nur noch selbst, während viele, sehr viele einfach schlicht – gehen. Denn Ruinen sperren niemanden mehr ein.
In dieser Situation zeigt feinschwarz: In den Ritzen und Zwischenräumen dieser ziemlich faszinierenden Situation funktioniert eine „Mikrophysik der Macht“, die sich auf lokale Praktiken und singuläre Gelegenheiten konzentriert. In ihr zeigt sich die Stärke einer Theologie, die nicht ausweicht, nicht laviert, die es nicht allen recht machen will, sondern sich tagtäglich, genauer werktagtäglich in vielen Stimmen kreuz und quer, auch geradlinig und queer anbietet, wissenschaftsbasiert und gerade deshalb experimentell, ohne Letztbegründungsanspruch, aber mit Aufklärungsoption.
Was aber natürlich nicht heißt, dass man schon wirklich frei sei. „Die Lehre von der Freiheit des Willens ist eine Erfindung herrschender Stände.“ Das stammt wieder von Nietzsche und es meint schlicht: Die Fäden, an denen wir hängen, sind schwerer zu durchschauen, als wir in unserem legitimen und notwendigen Freiheitsstreben meinen. Nicht alle Unfreiheit ist so ausgestellt, wie jene, welche die katholische Kirche immer noch meint produzieren zu müssen.
Wir von feinschwarz stehen für beides: für den politisch schweren, intellektuell eher schon geschlagenen Kampf für die Freiheit in der Kirche, wie für den anstehenden intellektuellen Kampf zu durchschauen, wer uns wie regiert in dieser spätkapitalistischen Gesellschaft und welche Ungerechtigkeiten und Unfreiheiten sozialer, ökologischer oder neo-kolonialistischer Art herrschen und im Feld der gender-troubles sowieso.
Es ist in beiden Kämpfen noch ein gutes Stück Weg zu gehen.
Wir bedanken uns bei Ihrer Stiftung, dass sie uns dabei so großherzig unterstützt.
Rainer Bucher im Namen der Redaktion