Heute vor genau siebzig Jahren eskalierte einer der dramatischsten und zugleich aufschlussreichsten Kirchenkonflikte im 20. Jahrhundert. Am 1. März 1954 lief ein römisches Ultimatum ab, das die französischen Arbeiterpriester zwingen sollte, sich aus ihren Autofabriken, Bergwerken und Hafendocks zurückzuziehen. In einer spannenden theologischen Zeitreise erinnert Christian Bauer an die Zukunft eines noch immer inspirierenden Experiments.
4. Eskalation des Konflikts
Nachdem Rom bereits 1945 erste Bedenken angemeldet hatte, kommt es in der Folgezeit zu einer stufenweisen Eskalation. Am 23. September 1953 gibt Nuntius Marella dann schließlich auf einer kurzfristig in Paris einberufenen Bischofsversammlung den römischen Beschluss bekannt, das Experiment der Arbeiterpriester nun endgültig zu beenden. Sie werden ultimativ aufgefordert, bis zum 1. März 1954 ihre Arbeit niederzulegen. Die vielleicht bewegendste Stellungnahme gegen diese Entscheidung stammt von einer Gruppe algerischer Arbeiter:innen:
„Wir sind Muslime. Als wir aus Algerien hierher kamen, fanden wir unter den französischen Arbeitern keine Brüder, die an Gott glaubten. Seit einigen Jahren kennen wir die einen oder anderen. Wie zum Beispiel jene Priester Aïssas [= Jesu], die mit den Armen lebten, mit ihren Händen arbeiteten und die Anbetung des Metalls […] verurteilten. Ganz so wie Jesus es wollte. Für diese sind wir niemals Menschen einer minderen ‚Rasse‘ gewesen, sondern vielmehr gleichwertige Menschen in Diskussion und Freundschaft. […] Für die gefährlichsten und schmutzigsten Arbeiten gaben uns die [christlichen] Patrons einen Lohn, der noch weniger als ein Almosen war. Daher sind wir immer froh gewesen, Christen in unserer Nähe zu haben, die die Weisungen ihres Propheten beim Wort nahmen.“[1]
Das wertvollste Gut der Kirche
Am 4. November fahren die drei französischen Kardinäle zur Krisenintervention nach Rom. Sie versuchen, Bedingungen auszuhandeln, unter denen das Experiment fortgeführt werden kann. Die Reaktion des Papstes:
„Das Leben eines Priesters ist das wertvollste Gut der Kirche. Er kann sich nicht mit dem Leben eines Arbeiters verschmelzen. Denn es ist ein Leben des Gebetes, der religiösen Unterweisung, des Kultes und der Gnade – und nicht zuerst ein Leben manueller Arbeit. […] Man würde das Priestertum der Kirche von seinem Wesen entfremden, wenn man aus dem Priester einen Arbeiter im vollen Sinn machte. Ich denke, dass drei Stunden pro Tag in der Fabrik das Maximum sind, wenn man die wesentlichen Verpflichtungen des Priestertums bewahren möchte.“[2]
Päpstliche Auflagen
Am 14. November 1953 werden die päpstlichen Auflagen veröffentlicht, die aus Arbeiterpriestern („prêtres-ouvriers“) arbeitende Priester (= „prêtres au travail“) machen sollen:
- höchstens drei Stunden Lohnarbeit pro Tag,
- kein Engagement in Gewerkschaft oder Partei,
- besondere Auswahl durch den Bischof,
- entsprechende Ausbildung,
- Anschluss an eine Kommunität oder Pfarrei.
5. Dominikanischer Widerstand
Die meisten Arbeiterpriester sind gegen diese römischen Vorgaben. Kurz vor Ablauf des Ultimatums reagieren sie mit einer aufsehenerregenden Stellungnahme („Kommuniqué des 2. Februar“). Als Anfang Februar dann in der Zeitschrift La vie spirituelle auch noch der Aufsatz Le sacerdoce des prêtres-ouvriers von M.-Dominique Chenu – einem der bekanntesten Vertreter der Nouvelle théologie, der nach dem Konzil zum „Großvater der Befreiungstheologie“[3] wurde – erscheint, kommt es zu einer weiteren Zuspitzung. Der Dominikaner hatte in der Rue Ganneron 47 (= Zentrale der Mission de Paris) und in der Avenue d’Italie 48 (= Mission ouvrière der Dominikaner) zahllose Abende verbracht: „Das war eine begeisternde Zeit! Ich hatte ständigen Kontakt zu den Arbeiterpriestern und habe ihre Theologie mitgeprägt.”[4]
Primat der Evangelisierung
Für bestimmte Kreise wird er nun zum „Hauptschuldigen am angeblichen Verrat der Arbeiterpriester am Priestertum[5]“. Chenus Artikel, in dem er sich zur Verteidigung der Arbeiterpriester für einen „Primat der Evangelisierung“[6] vor den „kultischen Funktionen“ aussprach, liest sich wie eine direkte Antwort auf die Äußerungen Papst Pius‘ XII.:
„Wenn ihr Priestertum in Frage gestellt wurde, dann auf der Grundlage folgender Definition: Das Priestertum ist ein Beruf, der einige wesentliche Funktionen umfasst: Anbetung im Gebet, Feier des Messopfers, Spendung der Sakramente, katechetische und pastorale Unterweisung. Es ist klar, dass im Ausgang von dieser Definition das Priestertum der Arbeiterpriester als ein verkürztes erscheinen muss […]. Es geht sicherlich nicht darum, die […] genannten Funktionen […] in Zweifel zu ziehen […]. Wir weigern uns aber, das Priestertum auf seine […] kultischen Funktionen zu reduzieren. Denn diese Funktionen setzen als Fundament […] das Zeugnis des Glaubens voraus […]. […] Nur innerhalb dieses Zeugnisses kann sich die sakramentale Initiation vollziehen.“[7]
Kuriale Drohung
Chenus Aufsatz bringt das Fass römischer Geduld nun endgültig zum Überlaufen. In der Kurie dachte man ohnehin längst, die „Seele des Widerstandes gegen die Beschlüsse des Heiligen Stuhls sei dominikanisch“[8]. Man sieht sich zu einem harten Durchgreifen gegen die französischen Predigerbrüder gezwungen. Die zuständige Religiosenkongregation droht an, die demokratische Verfassung des Ordens zu zerschlagen und einen neuen Ordensmeister einzusetzen.
Kathedralen in die Luft sprengen?
Die Dominikaner reagieren umgehend. Ordensmeister Suarez reist nach Paris und am 8. Februar 1954 kommt es zur Absetzung aller drei französischen Provinziale. Chenu, Yves Congar und andere „theologische Köpfe“[9] der Arbeiterpriesterbewegung werden ihrer Ämter enthoben und von Paris wegbeordert. Alle französischen Predigerbrüder werden kollektiv unter Ausreisesperre und römische Vorzensur gestellt. Ungewöhnlich drastische Maßnahmen, die einen in der Geschichte des Ordens „einmaligen Vorgang“[10] darstellen. Kein geringerer als François Mauriac kommentiert sie im Figaro mit ebenso drastischen Worten:
„Der gesamte vorwärtsdrängende Flügel der Kirche in Frankreich ist hart getroffen […] Wer die Söhne Lacordaires [= die Dominikaner] in Frankreich anrührt […], der könnte genauso gut eine unserer Kathedralen in die Luft sprengen.“[11]
Zweimal enttäuscht
Auf einer am 17. Februar 1954 einberufenen Protestversammlung bringt eine einfache „Frau aus dem Volke“[12] die Gefühle vieler Arbeiter:innen auf den Punkt:
„Die Kirche hat uns zweimal enttäuscht; das eine Mal, als sie sich […] nicht um uns kümmerte, und das zweite Mal, als sie sich durch die Arbeiterpriester zwar um uns kümmerte, aber nur, um sie wieder abzurufen […].“[13]
6. Tage der Entscheidung
In dieser aufgeheizten Situation beraten die Arbeiterpriester von 20. bis 22. Februar in Villejuif ihr weiteres Vorgehen. Vor die Wahl gestellt, entweder ungehorsam zu sein oder die Arbeiter im Stich zu lassen, treffen sich fast alle einhundert Arbeiterpriester im dortigen Café de la paix:
„Grauer Februarhimmel. Eine freudlose, an diesem freien Tag wie leergefegte Straße in der Arbeitervorstadt. […] Die Umgebung entspricht dem Charakter dieser entscheidenden Zusammenkunft. […] Das Schweigen und die Anspannung, die im Saal mit seinen kleinen Holztischen herrschen, heben sich vom normalen Trubel eines Cafés mit seinem Zigarettenrauch, Gläserklirren und lauten Lachen […] ab. […] An den Mienen lässt sich das Gewicht der schweren Stunde ablesen.“[14]
Keine gemeinsame Marschroute
Chenu verfasst „in aller Eile“[15] einen Brief, in welchem er „inständig um Gehorsam“[16] bittet – und zwar nicht in „serviler Unterwürfigkeit“[17], sondern um die „Zukunft nicht zu verbauen“[18]. Er fährt nach Villejuif und übergibt ihn einer Kellnerin: „Aber es war zu spät“[19]. Obwohl sein Brief auf der „dramatischen Sitzung“[20] verlesen wird, kann auch er nicht verhindern, dass es endgültig zum Bruch kommt. Mit Blick auf den bevorstehenden Ablauf des Ultimatums steht eine
„[…] zum passiven Widerstand bereite Mehrheit einer Minderheit gegenüber, die durch Gehorsam eine Revision der römischen Entscheidung zu erreichen hofft. Einig ist man sich eigentlich nur in der Ablehnung des 3-Stunden-Kompromisses. Man trennt sich ohne gemeinsame Marschroute. Jeder ist in seiner Entscheidung frei.“[21]
Quälende Versuche zu Kompromissen
Ende des Jahres 1954 hat sich etwa die Häfte der Arbeiterpriester der römischen Weisung unterworfen. Ein großer Teil jedoch hat die „Verbote zunächst ignoriert, manche haben oft nach quälend langen Versuchen zu Kompromissen doch ihr Priesteramt aufgegeben, etliche sind auch aus der Kirche ausgetreten und haben – nicht selten im Ausland – ganz andere Lebenswege begonnen“[22].
7. Kirchlicher McCarthyismus
Bei einem abschließenden Resümee des Konflikts verwundert vor allem die Härte der Sanktionen, welche die verschwindend geringe Zahl von knapp einhundert Priestern, die sich zweimal im Jahr zur Praxisreflexion trafen und über nicht mehr als ein Pariser Verbindungsbüro verfügten, im Zentrum kirchlicher Macht auslöste. Dass ein so kleiner ‚David‘ einen derart großen ‚Goliath‘ aus der Fassung bringen konnte, zeigt, welch empfindlicher Nerv damals in Rom getroffen wurde. Im Gespräch einiger französischer Dominikaner mit dem Ordensmeister fiel 1954 ein bezeichnender Satz: „Sprechen Sie nicht dauernd vom Evangelium, darum geht es hier nicht.“[23] Um das Evangelium ging es also nicht. Aber worum dann? Zur Eskalation des Konflikte haben sicherlich nicht nur römische, sondern auch innerfranzösische und sogar außerkirchliche Faktoren beigetragen.
Auf, die Messe der Welt beginnt!
Auf frankreichinterne Aspekte verweist die Randnotiz, man habe damals bei römischen Empfängen immer wieder gehört, dass aus Frankreich „ebenso viele Denunziationen einlaufen wie aus der ganzen übrigen Welt“[24]. Gegenstand dieser häufig anonymen Anschuldigungen waren neben dem politischen Engagement der Arbeiterpriester, die aufgrund ihrer rhetorischen Fähigkeiten häufig zu Streikführern gewählt wurden und dann auch mit der kommunistischen Gewerkschaft CGT zusammenarbeiteten, vor allem liturgische Petitessen:
„Pater X las die Messe im Overall. Anstatt Dominus vobiscum zu sagen, begrüßte Pater Y die Gemeinde mit ‚Salut, les copains‘ (‚Hallo, Leute‘). Pater Z übersetzte Ite missa est mit ‚Auf, die Messe der Welt beginnt‘.“[25]
Rechtskatholizismus vs. Linkskatholizismus
Innerkirchlich spielten also nicht nur die winterlichen Erstarrungen am Ende der Pianischen Epoche eine Rolle, sondern auch eine regelrechte rechtskatholische Kampagne gegen die linkskatholischen Arbeiterpriester, durch welche die „französische Bourgeoisie auf dem Umweg über Rom einen Rückzug der Priester aus den Fabriken zu erzwingen“[26] versuchte. Am Ende stand dann der triumphierende Kommentar: „Wir haben sie fertig gemacht, eure Arbeiterpriester!“[27]. Und das zufriedene Fazit des französischen Rechtskatholizismus:
„Der Skandal ist zu Ende. […] Zu lange hat diese Narretei bereits gedauert. Das heilige Frankreich braucht keine Revoluzzer im Priesterrock, welche die Schande des Jakobinertums erneuern.“[28]
Kryptomarxisten?
Es gab aber auch externe, weltpolitische Gründe für das Durchgreifen Roms. Eine ausgewogene Gesamtbewertung des Konflikts muss daher auch das frostige Klima des beginnenden Kalten Krieges in Rechnung stellen. Spätestens seit dem Antikommunismus-Dekret von 1949 (und den damaligen Wahlsiegen der KPI) gab es in Rom einen „kirchlichen McCarthyismus“[29], der Theologen wie Chenu in den Ruf eines „Krypto-Marxisten“[30] brachte. Letztlich wurden die Arbeiterpriester die ersten prominenten Opfer desselben Kommunismusvorwurfs, der genau drei Jahrzehnte später auch der Theologie der Befreiung zum Verhängnis wurde:
„Wenn ich den Armen Brot gebe, nennt man mich einen Heiligen. Aber wenn ich frage, warum die Armen nichts zu essen haben, dann werde ich als Kommunist beschimpft.“[31]
8. Kirchenkrimi mit (vorläufigem) Happy End
Es ist ein pikantes Detail der jüngeren Papstgeschichte, dass im Zuge des Verbots der Arbeiterpriester 1954 nicht nur Angelo Roncalli, der damalige, wohl als zu nachgiebig eingeschätzte Pariser Nuntius nach Venedig ‚weggelobt‘ wurde, sondern auch Giovanni Battista Montini, der zuständige Substitut im Staatssekretariat – ein als ‚Frankreichfreund‘[32] bekannter papabile (also: Papstkandidat) – ohne Kardinalshut (d.h. ohne Möglichkeit zur Nachfolge Pius‘ XII. ) nach Mailand geschickt wurde.
Ironie der Kirchengeschichte
Als Papst Johannes XXIII. und Paul VI. sollten sie dann auf dem Zweiten Vatikanum jedoch für ein (zumindest vorläufiges) konziliares ‚Happy End‘ dieses französischen Kirchenkrimis sorgen. Eine feine Ironie der Kirchengeschichte ist, dass ausgerechnet jenes Priesterdekret, das die Arbeiterpriester schließlich 1965 offiziell rehabilitierte (vgl. PO 8), unter genau derselben Abkürzung (= PO für Presbyterorum ordinis) firmiert wie die französische Bewegung der Arbeiterpriester (= PO für Prêtres-ouvrièrs).
Weltpastorale Evangeliumszeugen
Bemerkenswert an diesem Lehrdokument, an dessen Entstehung auch einige französische Arbeiterpriester beteiligt waren, ist zudem, dass das Priesteramt hier nicht mehr primär sazerdotal-sakralisierend („Sacerdotorum ordinis“), sondern vielmehr presbyterial-gemeindlich („Presbyterorum ordinis“) gefasst wird. Im Horizont der französisch inspirierten Pastoralkonstitution Gaudium et spes gilt dabei: Priester sind im Sinne des Konzils weniger als binnenklerikale Sakramentenverwalter („Heilsdienst“) denn als weltpastorale Evangeliumszeugen („Weltdienst“) zu verstehen.
Heilsdienst ist Weltdienst
Damit wird die vorkonziliare Klerus-Laien-Differenz zumindest prinzipiell überschritten: (Klerikaler) Heilsdienst ist Weltdienst und (laikaler) Weltdienst ist Heilsdienst. Chenu zufolge stellt Presbyterorum ordinis das römisch-katholische Priesteramt damit wieder vom liturgischen Kopf („Spendung der Sakramente“[33]) auf seine diakonischen Füße („Zeugnis für das Wort Gottes“[34]):
„Was eine [konzilsgemäße] Theologie des Priestertums zu allererst ausmacht, ist das Zeugnis für das Wort Gottes in Kontinuität mit der apostolischen Mission [der ganzen Kirche]. Das vorkonziliare Schema ordnete die konstitutiven Elemente des Priesteramtes folgendermaßen: Spendung der Sakramente, der Priester als ‚Mann des Sakralen‘, Unterweisung im Glauben und Leitung der Gemeinschaft. Dieses Schema wurde umgedreht. An die erste Stelle setzte […] man das Zeugnis für das Evangelium, von dem ausgehend und in dem sich erst dann auch die sakramentale […] Ordnung der Dinge artikuliert […]. So stellte man ein Gleichgewicht wieder her, das Jahrhunderte hindurch kompromittiert worden ist.“[35]
Reklerikalisierung
Die weitere Geschichte der Bewegung der Arbeiterpriester ist schnell erzählt. Nach dem Konzil gab es in Frankreich auf dem Höhepunkt der Entwicklung 1982 ca. 830 Arbeiterpriester – mit dem allmählichen Abschmelzen des Arbeitermilieus und sinkenden Priesterzahlen wurden jedoch auch diese schnell weniger. Zugleich geriet ihr Lebensstil während des restaurativen Doppelpontifikats der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. innerkirchlich zunehmend unter Druck. Es kam es zu einem reklerikalisierenden ‚Roll back‘ in Richtung eines sazerdotal-sakralisierenden Priesterbildes. Erst unter dem Eindruck der Missbrauchskrise, in der nicht nur unschuldige Opfer missbraucht, sondern auch schuldige Täter gedeckt wurden, kommt es mit Papst Franziskus nun allmählich wieder zu einem vorsichtigen Umdenken.
Synodalität im innen und nach außen
Als Pioniere einer Kirche des Konzils könnten die Arbeiterpriester heute einer ganzen Weltkirche als Vorbild dienen, die als Reaktion auf die systemischen Ursachen von Missbrauch synodale Weggemeinschaft („syn-hodos“) postklerikalistisch nach innen und solidarisch nach außen zu leben versucht. Die gemeinsame Richtung weist Kardinal Suhard mit seinem letzten großen Hirtenbrief Le prêtre dans la cité (1949):
„Der Daseinsgrund der Kirche liegt darin, alle Menschen […] in Christus […] zu vereinen, zur Ehre Gottes und ihrer ewigen Glückseligkeit. Ihre erste Mission geht also dahin, den Menschen jeder ‚Rasse‘, […] Klasse und Kultur das Evangelium nahezubringen […]. Die Basiszelle […] im Apostolat ist […] die untrennbare Zweiheit von Priestertum und Laientum. […] Daher ist es gut, dass die Priester wieder zu Zeugen werden. […] Zeuge sein heißt nicht, Propaganda treiben, ja nicht einmal verblüffen, sondern ein Mysterium bilden. Es heißt so leben, dass das Leben unverständlich wäre, wenn es keinen Gott gäbe.“[36]
Christian Bauer ist Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Universität Münster, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Pastoraltheologie, theologischer Blogger und Mitglied der Redaktion von Feinschwarz.net.
[1] Zit. nach Les Prêtres-Ouvriers: Documents, Paris 1954, 98f.
[2] Zit. nach Jean Vinatier: Les prêtres-ouvriers, le Cardinal Liénart et Rome. Histoire d’un crise (1944-1967), Paris 1985, 87f. Noch 1959 schrieb Kardinal Pizzardo als Sekretär des Heiligen Offiziums: „Der Heilige Stuhl ist der Meinung, daß es zum Apostolat im Arbeitermilieu nicht unerlässlich ist, Priester als Arbeiter in das Arbeitermilieu zu schicken, und daß es nicht möglich ist, die überlieferte Auffassung vom Priestertum zu diesem Zweck zu opfern […]. Der Priester wird wesentlich zur Ausübung sakraler Funktionen geweiht: um Gott das heilige Meßopfer und das öffentliche Gebet der Kirche darzubringen, um den Gläubigen die Sakramente zu spenden und das Wort Gottes zu verkünden. […] Dieses Zeugnis legt er vor allem durch das Wort ab und nicht durch die manuelle Arbeit unter Fabrikarbeitern, als ob er einer der Ihren wäre. Außerdem ist der Heilige Stuhl der Meinung, daß die Arbeit in der Fabrik oder auf dem Bau mit dem priesterlichen Leben und seinen Verpflichtungen unvereinbar ist. An den Arbeitstagen würde es dem Priester tatsächlich fast unmöglich sein, alle Gebetspflichten zu erfüllen, die die Kirche ihm für jeden Tag auferlegt: Feier der heiligen Messe, vollständiges Breviergebet, Betrachtung, Besuch des Allerheiligsten und Rosenkranz.“ (zit. nach Herder Korrespondenz 14. Jahrgang, Heft 2, November 1959, 76f).
[3] Gustavo Gutiérrez/Christian Bauer: Meine größte Sorge gilt der Befreiung meines Volkes. Ein Interview mit Gustavo Gutiérrez, in: Orientierung 70 (2006), 107-108, 107.
[4] M.-Dominique Chenu: Auf der Suche nach den ‚Zeichen der Zeit’. Wer den Glauben verstehen will, muß seine Geschichtlichkeit ernstnehmen, in Publik-Forum 16 (1981), 16-19, 17.
[5] Paulus Engelhardt: Neuaufbruch aus Tradition. Marie-Dominique Chenu; in Wort und Antwort 31 (1990), 91-93, 93.
[6] M.-Dominique Chenu: Le sacerdoce des prêtres-ouvriers, in Ders.: L’Évangile dans les temps. La parole de Dieu II, Paris 1964, 275-281, 278.
[7] Ebd., 275f.
[8] François Leprieur: Quand Rome condamne. Dominicains et prêtres-ouvriers, Paris 1989, 73.
[9] Ulrich Engel: Bürgerliche Priester – proletarische Priester. Ein Lehrstück aus der Konfliktgeschichte zwischen Kirche und Arbeiterschaft, in Orientierung 57 (1993) 125-128, 126.
[10] Ebd.
[11] Zit. nach Leprieur: Quand Rome condamne, 661.
[12] Dansette: Tragödie und Experiment der Arbeiterpriester, 270.
[13] Zit. nach ebd.
[14] Leprieur: Quand Rome condamne, 275.
[15] M.-Dominique Chenu: Un théologien en liberté Jacques Duquesne interroge le Père Chenu, Paris 1975, 156.
[16] Leprieur: Quand Rome condamne, 276.
[17] Ebd.
[18] Ebd.
[19] Chenu: Un théologien en liberté, 156.
[20] Ebd.
[21] Siefer: Die Mission der Arbeiterpriester, 104.
[22] Gregor Siefer: Arbeiterpriester, in: LThK3, 927-929, 928.
[23] Zit. nach Leprieur: Quand Rome condamne, 89.
[24] Dansette: Tragödie und Experiment der Arbeiterpriester, 47.
[25] Hebblethwaite: Johannes XXIII., 279.
[26] Siefer: Arbeiterpriester, 928.
[27] Zit. nach Dansette: Tragödie und Experiment der Arbeiterpriester, 239.
[28] Zit. nach Heer: Die Arbeiterpriester in Frankreich, 226.
[29] Pierre Pierrard: Une siècle de l’Église de France. 1900–2000, Paris 2000, 151.
[30] Chenu: Un théologien en liberté, 61.
[31] Dom Helder Camara, zit. nach Ludwig Kaufmann: Damit wir morgen Christ sein können. Vorläufer im Glauben, Freiburg/Br. 1984, 99.
[32] Montini kurz nach Erscheinen der Enzyklika Humani generis (1950): „So manche Gegenden der Welt bereiten uns keine derartigen […] Sorgen, weil der dortige Katholizismus nicht […] den gleichen schöpferischen Elan besitzt. In Rom weiß man, dass Frankreich das Haupt des Katholizismus ist, zumindest in missionarischer und intellektueller Hinsicht. […] Sehen sie sich die Regale dieser Bibliothek an: Wer hat diese […] theologischen Werke geschaffen, die auf der ganzen Welt anerkannt werden? Die Franzosen. Ihr seid die einzigen Avantgardisten, die in der Feuerlinie kämpfen. Ihr seid die einzigen, die nicht bloß wiederholen, was schon gesagt worden ist […].“ (Jean Guitton: Dialog mit Paul VI., Wien 1967, 28).
[33] Chenu: Un théologien en liberté, 161.
[35] Ebd.
[36] Emmanuel Suhard: Le prêtre dans la cité. Lette pastorale du carême, Paris 1949, Nr. 43ff/49.
Bildquellen: Archives-Chenu/Paris sowie François Leprieur: Quand Rome condamne. Dominicains et prêtres-ouvriers, Paris 1989.