Theresia Heimerl nimmt das heutige Fest „Mariä Lichtmess“ zum Anlass für kurze Gedanken zum Umgang mit dem weiblichen Körper und zu Reinheit und Unreinheit in der Religion.
Ist die Weigerung, einer menstruierenden Frau die Hand zu geben, kompatibel mit den Werten des christlichen Abendlandes? Die Vorstellung von der temporären Unreinheit des weiblichen Körpers ist vom religionswissenschaftlichen Exotismus, in theologischen Kreisen gerne als freundliches Othering betrieben, zum Politikum geworden.
Ist die Weigerung, einer menstruierenden Frau die Hand zu geben, kompatibel mit den Werten des christlichen Abendlands?
Wie die im Übrigen privat sehr katholische Kulturanthropologin Mary Douglas, deren Werk im Titel dieses Beitrags zitiert wird, bereits in den 1970er-Jahren nüchtern feststellte, erregt am „Anderen“ in der Regel das allzu „Eigene“. Das „Andere“ wird nicht zuletzt dadurch zum anderen, dass es das ist und hat, was wir nicht (mehr) sein wollen. Im gegenständlichen Fall: Wir wollen keine Religion, welche weibliche Körperflüssigkeiten als unrein und inkompatibel mit der Transzendenz ansieht.
Der 2. Februar, lange Zeit auch als Purificatio Mariä bekannt, ist also ein guter Anlass, sich mit dem Fremden im allzu Eigenen, mit kultureller und religiöser Reinheit und den Gefahren der fluiden Grenzüberschreitung auseinanderzusetzen.
Shortcut 1:
Der 2. Februar wurde ab dem 6. Jahrhundert als Fest der rituellen Reinigung Marias nach jüdischen Reinheitsgeboten verstanden: 40 Tage nach der Geburt eines männlichen Kindes (vgl. Lev 12,2-4) musste die durch die postpartialen Körperflüssigkeiten entstandene Unreinheit der Mutter rituell beseitigt werden. Auch wenn das Neue Testament den Schwerpunkt auf die Darstellung Jesu im Tempel legt und die weibliche Unreinheit im traditionellen Sinn massiv in Frage stellt (vgl. Mt 9,20-22) – die Gefahren des weiblichen Körpers waren offenbar zu groß, und das Bedürfnis nach Reinheit noch größer.
Unreinheit rituell beseitigen … die Gefahren des weiblichen Körpers waren offenbar zu groß
Bis weit nach dem II. Vaktikanum gab es in manchen Regionen den Brauch des „Aussegnens“ von Müttern 40 Tage nach der Geburt – und bis dahin das Verbot, „unrein“ eine Kirche zu betreten. Nein: Die offizielle katholische Theologie hat sich dem nie angeschlossen, ja sogar sich gegen derartige Vorstellungen ausgesprochen. Aber Rom ist weit, und ein Pfarrer in z.B. den Osttiroler Bergen bis vor wenigen Jahrzehnten ein gutes Pendant zum heute gern zitierten ostanatolischen Imam.
Brauch des „Aussegnens“ … Die offizielle katholische Theologie hat sich dem nie angeschlossen.
Shortcut 2:
Reinheit und Unreinheit als zentrale Kategorie in einem binären Weltdeutungsmodell (nochmals Mary Douglas) scheint schwer überwindbar zu sein, wie bereits ein oberflächlicher religionswissenschaftlicher Rundumblick, durchaus auch über monotheistische Religionen hinaus, zeigt. Unreinheit ist zuerst nie eine Kategorie der Hygiene, sondern eine Differenzkategorie, die Sicherheit und Stabilität erzeugen soll. Unrein ist, was potentiell die Ordnung gefährdet. Und nichts ist eine größere Gefahr für die vermeintliche eigene Ordnung als die allzu augenfällige Fluidität des Menschen.
Unreinheit ist nie eine Kategorie der Hygiene, sondern eine Differenzkategorie … Unrein ist, was potentiell die Ordnung gefährdet.
Der weibliche Körper ist in einer zyklischen Veränderung per se schon deutliche Erinnerung an die Instabilität des Daseins und die Geburt deren Potenzierung: Solang der Körper buchstäblich im Fluss ist, erinnert er an die unvermeidlichen Begleiterscheinungen menschlicher Existenz: Die Veränderlichkeit und Vergänglichkeit. Erst wenn alles wieder schön an seinem Platz ist, das Kind vom Körper der Mutter getrennt und dieser Körper wieder „verschlossen“, ist die Gefahr soweit gebannt, dass der Pfarrer mit dem Weihwasser sich in die Nähe trauen kann.
Shortcut 3:
Wir leben nicht mehr im Osttiroler Bergdorf. Unsere Verwendung der Kategorien von rein und unrein hat bereits mehrere Entwicklungsstadien durchlaufen, manche davon (z.B. 1933-1945) würden wir nur allzu gerne wieder vergessen, im besten Fall sind wir heute bei clean food und clean clothes angelangt und meinen damit, unsere Seele vom Schmutz der Welt reinwaschen zu können. Ein wenig heuchlerisch sind wir auch, sonst hätte nicht 2008 die Beschreibung eines benutzten Tampons genügt, um das deutschsprachige Feuilleton monatelang zu erregen.
… im besten Fall sind wir heute bei clean food und clean clothes angelangt.
Der weibliche Körper, sogar jener Marias, war und ist Objekt männlicher Phantasien von Reinheit und Gefahr. Die einen fürchten sich vor dem Schmutz der eigenen Gedanken, die anderen vor der Verunreinigung der Frau durch eben diese Gedanken und folgende Taten. Und beide fürchten sich im Grunde davor, Frauen könnten ihre eigenen Unterscheidungskategorien entwickeln.
Final shortcut:
Die Sehnsucht nach totaler Reinheit wird nicht nur leicht zur Häresie (vgl. die Reinen des Mittelalters, die Katharer), sie kann auch zum schädlichen kollektiven Waschzwang werden. Hier gilt, wie so oft, der Hl. Augustinus: „O Lord make me pure, but not yet.“ (und nein, das ist wirklich zuerst von Augustinus, erst dann von Robbie Williams, auch wenn nur der es auf youtube singt).
(Theresia Heimerl, Graz; Bild: Klicker / pixelio.de)