In einer Aussendung des Vorstands des „Österreichischen religionspädagogischen Forums“ (ÖRF) vom 18.12.2015 wird auf die Herausforderung für die Schulen durch die steigenden Flüchtlingszahlen hingewiesen sowie auf die Religion als wichtigem Aspekt schulischer Integrationsmaßnahmen. Im Folgenden der Wortlaut der Aussendung, gezeichnet von Andrea Lehner-Hartmann (Wien)
Steigende Flüchtlingszahlen sind eine Herausforderung für Schulen. Religion als ein wichtiger Aspekt bei schulischen Integrationsmaßnahmen darf nicht übersehen werden.
Flüchtlinge, AsylwerberInnen wie MigrantInnen, die ihre Heimat verlassen, um irgendwo im Ausland Zuflucht, Schutz oder menschenwürdigere Lebens- bzw. Arbeitsbedingungen zu suchen, haben viele kulturelle und religiöse Übergänge und Brüche zu bewältigen. Diese prägen auf unterschiedliche Weise individuelle Biografien und Familiengeschichten, im Speziellen von Kindern und Jugendlichen. Mit dem heurigen Schuljahr kommen auch in Österreich immer mehr Flüchtlingskinder mit ihren unterschiedlichen kulturellen und religiösen Prägungen in unsere Schulen. Zu den sprachlichen Schwierigkeiten im Schulalltag kommt die Konfrontation mit neuen kulturellen und religiösen Wertevorstellungen, die die Flüchtlingskinder aus ihrer eigenen Sozialisationsgeschichte nicht kennen.
Diese Situation stellt einerseits die Aufnahmegesellschaft vor neue Herausforderungen und birgt andererseits die Frage, wie sich die jungen Menschen trotz ihrer Erfahrungen in die für sie neue plurale Gesellschaft integrieren und auf deren Anforderungen einlassen können.
Wenn die Integration dieser Kinder und Jugendlichen zum Vorteil der Gesellschaft gelingen soll, können sie nicht sich selbst überlassen werden. Dieser Prozess bedarf der besonderen Aufmerksamkeit der im Bildungssystem Tätigen, damit sich diese Menschen den Anforderungen der neuen Heimat nicht entziehen und in der Wahrnehmung ihrer Fremdheit nicht gesellschaftlich isolieren.
Es gibt eine Reihe bemerkenswerter pädagogischer Initiativen, die LehrerInnen unterstützen können, im Unterricht dieser Herausforderung zu begegnen. Religion wird dabei aber kaum beachtet. Da unter den Flüchtlingskindern und ansässigen MigrantInnen jedoch auch die unterschiedlichsten Glaubensrichtungen vertreten sind, kommt ihren religiösen Vorstellungen eine besondere Bedeutung zu. Sie sehen sich herausgefordert, die bisherigen kulturellen und religiösen Traditionen und Wertvorstellungen immer wieder zu hinterfragen und sich bewusst zu machen, worauf es in der gesellschaftlichen Vielfalt der neuen Heimat ankommt.
Es ist wichtig, dass Schulen damit umgehen lernen.
Je vielfältiger die religiösen Überzeugungen und kulturellen Prägungen in den Schulen werden, desto wichtiger ist es, alle SchülerInnen zum Umgang mit kultureller und religiöser Pluralität zu befähigen. Pluralitätsfähigkeit erfordert, sich auf einen dynamischen Identitätsbildungs- und Kommunikationsprozess einzulassen. Um die vielfältigen weltanschaulichen und religiösen Prägungen der SchülerInnen verstehen und daraus resultierendes Verhalten deuten zu können, sind Lehrkräfte gefordert, ihre eigenen religiösen und kulturellen Kompetenzen zu erweitern und vertiefen.
Der Religionsunterricht als ordentlicher Unterrichtsgegenstand ist eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit für die neuen SchülerInnen, an bekannte religiöse Werte anzuknüpfen und aus dieser Vertrautheit heraus ihrer neuen Gesellschaft aufgeschlossen zu begegnen. Religionsunterricht kann mit seinem kognitiven und emotionalen Beitrag die Kinder zum kompetenten Umgang mit gesellschaftlicher Pluralität befähigen, zu einer solidarischen, respektvollen und wertschätzenden Begegnung mit Menschen anderer Religionen, Kulturen und Weltanschauungen führen, sowie Ängste nehmen und Vorurteile entkräften. Wo dies gelingt, leistet er einen unverzichtbaren Beitrag für den sozialen Frieden und zur Integration der neuen BürgerInnen.
Das Österreichische Religionspädagogische Forum (www.oerf.eu) als Plattform muslimischer, evangelischer und katholischer ReligionspädagogInnen an österreichischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen möchte dringend darauf verweisen, dem Einflussfaktor Religion bei zukünftigen Maßnahmen und Initiativen vermehrte Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei ist es wichtig, dass Religion nicht nur als Bedrohungsfaktor, sondern auch in seinen stabilisierenden, friedensfördernden Funktionen gesehen wird. Zur Verwirklichung dieses Anliegens stellt das ÖRF seine Expertise gerne zur Verfügung.
Für den ÖRF-Vorstand: Univ.-Prof. Dr. Andrea Lehner-Hartmann, Institut für Praktische Theologie / Zentrum für LehrerInnenbildung, Schenkenstraße 8-10, 1010 Wien; E: andrea.lehner-hartmann@oerf.eu; www.oerf.eu
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