Mit der Autorität einer Diözesansynode wollte der Trierer Bischof die Pfarreistrukturen seines Bistums reformieren. In Rom hat man seine Entscheidungen kassiert. Was das für die kirchliche Rechts- und Verfassungskultur bedeutet, diskutiert Thomas Schüller.
Trotz des Synodalen Wegs steht es im deutschsprachigen Raum nicht gut um das kirchenrechtliche Instrument der Diözesansynode. Während in Frankreich und anderen Teilen der Weltkirche durchaus regelmäßig Diözesansynoden durchgeführt werden, um wichtige diözesane Weichenstellungen in kirchenrechtlich geordneter Weise mit dem Diözesanbischof als dem Herrn des Verfahrens zu beraten und zu entscheiden, scheuen deutschsprachige Diözesanbischöfe augenscheinlich diese Form zur Beteiligung des Volkes Gottes. Natürlich hängt dies auch mit römischen „Klarstellungen“ im Eiszeitpontifikat Papst Johannes Pauls II. zusammen, in dem römische Dikasterien unmissverständlich die inhaltlichen Spielräume der Diözesansynoden eingrenzten. So zum Beispiel mit dem Hinweis, dass weltkirchlich relevante Themen wie der Zölibat oder das Frauenpriestertum auf Diözesansynoden noch nicht einmal beraten werden dürfen.
Es war ein guter Schritt, dass Bischof Ackermann eine Diözesansynode einberief.
Von daher war es mehr als erfreulich, dass Bischof Stephan Ackermann für sein Bistum Trier zur Beratung der zukünftigen Pastoral- und Strukturplanung eine Diözesansynode einberief, an deren Ende einschneidende Beschlüsse zur zukünftigen Sozialgestalt der Pfarreien in diesem alten und ehrwürdigen Bistum standen. Bischof Ackermann hat die Beschlüsse in einem Umsetzungsgesetz in diözesanes Recht überführt. Kritische Rückfragen können durchaus gestellt werden, etwa: Warum wurden es 35 Pfarreien, wo die Synode doch – was auch schon bei über 800 Pfarreien aktuell ein gewaltiger Einschnitt gewesen wäre – 60 Pfarreien empfohlen hatte?
Aber im Unterschied zu den anderen deutschen Diözesen, in denen solche Beratungen und Entscheidungen zumeist in kurialer Selbstbeschränkung auf den Schreibtischen der bischöflichen Mitarbeiter sicher kompetent, aber doch letztlich ohne rechtlich wirksame und verbriefte Beteiligung der betroffenen Pfarreien getroffen werden, war es ein mutiger und zugleich wohltuender Schritt Bischof Ackermanns, in der kirchenrechtlich verbindlichsten Form einer Diözesansynode den sensus fidelium zu erfragen und in seine eigenen Entscheidungen einfließen zu lassen. Dafür gebühren ihm Respekt und Unterstützung.
Ja, es gibt das Recht der Gläubigen auf Beschwerde bei der nächsthöheren Instanz.
Es versteht sich von selbst und ist Ausdruck des sicher nur schwach ausgeprägten, aber doch immerhin vorhandenen Rechtsschutzes in der katholischen Kirche, dass alle Gläubigen das Recht haben, hierarchischen Rekurs gegen solche bischöflichen Entscheidungen einzulegen, die sie schmerzen und Wohlvertrautem ein Ende setzen. Diesen Weg beschritten im Bistum Trier eine Gruppe von Priestern, die im Umsetzungsgesetz ihres Bischofs die herausgehobene Stellung des kanonischen Pfarrers nicht ausreichend gewahrt sah, und eine weitere Gruppen von Gläubigen, die den Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte als zuständiges Dikasterium um die Überprüfung der Übereinstimmung des Trierer Gesetzes mit den Vorgaben des universalkirchlichen Rechts bat. Den Beschwerdeführern waren die Reichweite der Beschlüsse durch die Diözesansynode und die Geschwindigkeit ihrer Umsetzung nicht geheuer. Auch hier zeigte die Reaktion des Bischofs von Trier ein hohes Maß von Souveränität und Verständnis für das kirchliche Recht. In seinen öffentlichen Aussagen betonte er das Recht der Gläubigen auf Beschwerde bei der nächsthöheren Instanz und betrachtete deren Vorgehen als Ausdruck einer guten Rechtskultur in der katholischen Kirche.
Gleichwohl dankten die römischen Dikasterien, hier die Kleruskongregation und der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte, dem Bischof seine Haltung nicht. Was nämlich jetzt geschah, steht sinnfällig für das feudalherrschaftliche und zugleich zentralistische Gebaren der römischen Kurie – ohne Gespür und Respekt für jene ortskirchlichen Belange, die allein in der Verantwortung der Diözesanbischöfe liegen.
Der kanonische Pfarrer ist und bleibt Pastor proprius der ihm übertragenen Pfarrei.
Damit ich nicht missverstanden werde: Es gibt begründet kirchenrechtliche Punkte im Umsetzungsgesetz, die auch von den eingesetzten Fachgutachtern sicher kritisch gesichtet und entsprechend gewürdigt wurden. Der kanonische Pfarrer ist pastor proprius der ihm übertragenen Pfarrei, so groß sie flächenmäßig und von der Gläubigenzahl auch sein mag. Als solcher kann er in seiner Leitungsverantwortung nicht durch ein Team von ehren- und hauptamtlichen Gläubigen ersetzt werden, in dem er nur noch primus inter pares zu sein scheint, obgleich ihm im PGO ( = Ordnung über die pfarrlichen Gremien im Bistum Trier) als Teil des Umsetzungsgesetzes mit der Formulierung „unbeschadet seiner Rolle als kanonischer Pfarrer“ (§ 25 PGO) und dem nur ihm eingeräumten Widerspruchsrecht in § 23 PGO Vorrechte zum Schutz seines Amtes zugesprochen werden. Auch die Gremienstruktur mit Verwaltungsrat und Pfarrgemeinderat muss den kodikarischen Vorgaben entsprechen, wobei für den Bereich der Vermögensverwaltung durch päpstliches Indult die besonderen staatskirchenrechtlichen Besonderheiten in Deutschland gelten. Dies zu prüfen und zu kritisieren und Veränderungen im Einzelfall einzufordern, ist Recht und Pflicht des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte. Damit aber ist die Grenze seiner Interventionsmöglichkeiten auch schon erreicht.
Dies gilt in gleicher Weise für die Kleruskongregation. Was den Zuschnitt der Pfarreien in einer Diözese angeht; was das Tempo der Umsetzung von Strukturentscheidungen in diesem Feld betrifft: Hier ist allein („solus“) der Diözesanbischof verantwortlich. Er hat die Kompetenz-Kompetenz. Doch was geschah in Rom, als Bischof Ackermann, sein Generalvikar und der Sekretär der Diözesansynode mit Vertretern beider Dikasterien sprachen? Diese benannten die kirchenrechtlichen Monita und forderten eine Vergrößerung der Zahl der Pfarreien und ein deutlich langsameres Tempo bei der Umsetzung.
Die Hybris der Römer: als sei der Pfarrer der einzige Seelsorger
Augenscheinlich wird römisch mit dem Topos der pastoralen Nähe des Pfarrers zu seinen Gläubigen argumentiert, gleich so, als wäre der Pfarrer der einzige Seelsorger; als müsste der Zuschnitt der Pfarrei so beschaffen sein, dass der Pfarrer grundsätzlich die Möglichkeit hätte, seine Schäflein täglich in Augenschein zu nehmen, am besten per pedes. Welche Hybris bei den römischen Gesprächspartnern! Als könnten sie als pastoral zumeist unterdurchschnittlich erfahrene Kurienbeamte für jedes Bistum der Weltkirche kompetent sagen, was dort pastoral Not tut und zu veranlassen ist.
Es wirkt so, dass bei einzelnen Kurialen eigene Kindheitserinnerungen romantisch verklärt zur Richtschnur römischer Gängelei geworden ist: Wie schön war es in katholischen Mittelgebirgslandschaften der 1960er und 1970er Jahre doch mit dem Pfarrer im Dorf und wenigen Hundert Katholiken! Als hätte sich seitdem nicht die pastorale Lebenswirklichkeit in Westeuropa dramatisch verändert. Wollen diese römischen Herren künftig auch dem Erzbischof von Mexiko-City Vorgaben machen und ihm bedeuten, dass die Pfarreien seines Bistums mit mehreren Hunderttausend Katholiken so nicht mehr tragbar seien und er jetzt in seiner Weltmetropole straßenweise Pfarreien zu errichten habe? Diese Frage ließe sich auf viele lateinamerikanische Diözesen übertragen oder auch auf die Weiten Australiens und Afrikas.
Wenn dieser Umgang mit einer Ortkirche Schule macht, braucht es bald keine Diözesanbischöfe mehr!
Die Grundhaltung der römischen Dikasterien widerspricht zutiefst der Forderung von Papst Franziskus nach dezentralen Kirchenstrukturen gemäß dem Prinzip der Subsidiarität, und sie lässt den Diözesanbischof zu einem bloßen Vollzugsbeamten des Papstes und seiner Behörden verkommen, die augenscheinlich immer besser wissen, was einer Diözese weit weg von Rom gut zu Gesicht steht und zum Heil gereicht.
Hier ist Widerstand Pflicht, und ein Diözesanbischof muss gegen derartige Eingriffe in seinen Amtsbereich remonstrieren. Er muss solche Invektiven, sofern diese schriftlich und in Form der römischen Anweisung tatsächlich erfolgt sein sollten, entschieden zurückweisen – zum Schutz seines Amtes, aber noch mehr zum Wohl der Gläubigen in seiner Diözese. Wenn das Beispiel des Umgangs mit dem Bischof von Trier in Rom Schule macht, braucht es keine Diözesanbischöfe mehr, sondern der Vatikan kann selbst als Weltdiözesankurie das Heft für alle Katholiken auf der Welt in die Hand nehmen.
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Prof. Dr. Thomas Schüller vertritt das Fach Kirchenrecht an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Münster.
Bild: Rike – pixelio.de