Der synodale Weg ist nur dann keine Sackgasse, schreibt Ottmar Fuchs, wenn die Sackgasse selbst theologisch und emotional thematisiert wird.
Das päpstliche Dokument über die Amazonien-Synode beeindruckt mich in dreifacher Hinsicht: Zum ersten, wie sehr der Papst hier die Kirche im Amazonasgebiet ernstnimmt und von ihren Problemen her die Pastoral der Gesamtkirche erörtert. Zweitens beeindruckt mich, wie dieser Papst wiederum, wie schon in vielen Ansprachen und Dokumenten vorher, die soziale und ökologische Dimension der pastoralen Verantwortung ins Bewusstsein hebt, und zwar mit einer Brisanz, die den entsprechenden Gefährdungen tatsächlich entspricht.
Papst pointiert die soziale und ökologische Dimension der pastoralen Verantwortung
Drittens gefällt mir auch, was Franziskus zur Notwendigkeit und Einmaligkeit der Inkulturation des Evangeliums in Amazonien (und damit auch für alle Kirchen in ihren jeweiligen kulturellen und religiösen Kontexten) an Vorstellungen entwirft, auch wenn sie, etwa verglichen mit entsprechenden Publikationen im afrikanischen Bereich, in ihrer theologischen Qualität durchaus überholbar sind. Die beeindruckende Eigenwertigkeit dieser drei Aspekte wird durch nichts geschmälert, auch nicht durch die aus meiner Perspektive nötige harsche Kritik der Reaktionen des Papstes auf die binnenkirchlichen Anliegen der Synode.
An wichtigen Stellen absolut kein Hinhören auf die Anliegen der Amazonaskirche
Bei aller Gedämpftheit der Formulierungen, die Positionen sind klar: Keine Aufnahme für Frauen in das Weiheamt, auch nicht in den Diakonat. Und die Frage nach dem Pflichtzölibat ist nicht einmal eine Erwähnung wert. Die mit Zweidrittelstimmen ausgedrückten diesbezüglichen Anliegen der Synode werden kaltschnäuzig übergangen. Hierin zeigt der Papst absolut kein Hinhören auf die Anliegen der Amazonaskirche. Die Rede von der Wichtigkeit einer Ortskirche für die Gesamtkirche wird hier außer Kraft gesetzt, ja schnöde hintertrieben.
Die Türen sind zugeschlagen, jedenfalls auf unabsehbare Zeit. Den Menschen diesbezüglich trotzdem Hoffnung zu machen, ist objektiv eine Täuschung, der umso mehr Enttäuschung folgen wird. Deswegen ist es auch nicht angemessen, die Kernmotivation des synodalen Prozesses darin zu sehen, nur diese Anliegen in den Blick zu nehmen und anzunehmen, dass damit ein Erfolg verbunden sein könnte.
Was bleibt, wenn die Türen der Veränderung zugeschlagen bleiben?
Der synodale Prozess ist nur dann realistisch und ehrlich genug, wenn er in sich die Frage danach aufnimmt, was denn die gläubigen Menschen tun, wenn sich bezüglich ihrer Herzensanliegen gar nichts verändert. Welche theologischen und emotionalen Gründe gibt es dafür, trotzdem zu bleiben, bzw. dann, weil es nicht mehr auszuhalten ist, tatsächlich zu gehen. Der synodale Prozess greift, bei aller Eigenwertigkeit der Gespräche und Begegnungen, zu kurz, wenn er nur von der Hoffnung genährt ist und die Hoffnung nährt, dass sich die besagten Strukturen verändern.
Konversion in andere Kirchen vom Makel des Scheiterns und Sündhaften befreien
Es muss besprochen werden, wie man/frau in dieser Kirche weiterleben kann und was zu tun ist, wenn genau diese Hoffnung ins Leere geht, welche Hoffnungen gibt es dann noch? Und welche Verantwortungen: um der katholischen Gemeinden willen, um all dessen willen, was den faszinierenden Schatz der katholischen Identität in Liturgie, Pastoral und Theologie ausmacht? Um der Caritasinstitutionen willen? Oder: Welche Theologie und welches Berufungsverständnis wären zu entwickeln, um die Konversion in andere christliche Kirchen, in die evangelische Kirche, in die anglikanische Kirche, in den Blick zu nehmen und vom Makel des Scheiterns und Sündhaften zu befreien? Ist der besagte Dissens Grund genug, die katholische Kirche zu verlassen? Spätestens ab jetzt ist diese Frage „Wie Dabeibleiben oder wie Weggehen?“ konstitutiv in das Zentrum der Agenda der Synode aufzunehmen.
Die Frage „Dabeibleiben oder Weggehen“ muss auf die Agenda der Synode
Man darf die Menschen in dieser Entscheidungsnot nicht im Stich lassen. Solche Entscheidungen sind schmerzlich nach beiden Seiten. Wer geht, verliert viel. Wer bleibt, hat viel Dissens auszuhalten. Man darf dieses Problem nicht individualisieren, indem man es zur Bewältigung nur den Einzelnen zuschiebt. Die Theologie und Pastoral der Synode wird sich hier zu solidarisieren haben, oder sie verfehlen den neuralgischsten Moment dieses Prozesses.
Menschen in Entscheidungsnot nicht im Stich lassen
Die kritischen Wortmeldungen bei der Eröffnung der Synode gingen alle davon aus, dass es eine, wenn bei manchen auch nur geringe, Chance für eine entsprechende Öffnung gibt. Was aber, wenn es für diese Öffnung nicht die geringste Chance gibt? Dies zu thematisieren gäbe der Synode die entscheidende Wende zu mehr Solidarität mit den diesbezüglich Betroffenen und für eine Zukunft, die über diese Entäuschung hinaus sieht und hinaus geht.
_____________
Ottmar Fuchs war Professor für Praktische Theologie in Bamberg und Tübingen.