Martina Kreidler-Kos leitet nicht nur das Seelsorgeamt des Bistums Osnabrück, sie ist auch auf eine erfrischende Weise franziskanisch inspiriert. Heute feiert sie auf Feinschwarz.net die vor 800 Jahren durch Franz von Assisi ‚erfundene‘ Weihnachtskrippe – und legt zugleich auch einige Fährten in die Kirche von morgen.
Die Krippe feiert Geburtstag. Stolze 800 Jahre wird sie alt – und dabei ist sie jedes Weihnachtsfest wieder so frisch und neu wie der junge Morgen. Und man weiß auch, wo sie geboren wurde. Franz von Assisi gilt als ‚Erfinder‘ der Krippe. Er hatte die großartige Idee, die Weihnachtsgeschichte von den Feldern Bethlehems ins eigene Leben hinein zu holen. Warum? Weil er sehen, hören, riechen, spüren und anfassen wollte, was damals passiert ist. „Ich möchte das alles mit leiblichen Augen schauen“, soll er gesagt haben. Deshalb hat er in der Bergwelt seiner italienischen Heimat eine lebendige Krippe zusammengesucht.
Nähe Gottes – ohne besonders fromm zu sein
Es wird nicht die allererste Krippendarstellung gewesen sein, die je arrangiert wurde. In den strengen Klöstern gab es diese Idee bereits. Aber Franziskus wollte das Evangelium auch für die kleinen Leute erfahrbar werden lassen. Bei ihm musste man weder besonders fromm noch Teil einer privilegierten Gemeinschaft sein, um diese Erfahrung der Nähe Gottes machen zu können. Man musste nur neugierig sein und genügend Sehnsucht haben. Von nah und fern sollte man einfach vorbeikommen und teilhaben können.
Aber das war kein buntes Krippenspiel mit vielen verschiedenen Rollen. Genaugenommen ist in den Berichten nur von einem Ochsen, einem Esel und von einer Krippe mit Heu die Rede – keine Maria, kein Josef und auch kein Jesuskind. Und Hirten? Das waren die Leute, die kommen sollten, ja selber. Trotzdem war es für Franziskus gar nicht so einfach, diese Idee mit einer lebendigen Krippe in die Tat umzusetzen. Oder woher sollte er, der mittellose Bettelbruder, mal eben so einen Ochsen herbekommen? Und wer würde ihm – mitten im Winter – Heu zur Verfügung stellen? Das Futter für die eigenen Tiere, das man so dringend brauchte?
Auch Franziskus brauchte Sponsor:innen
Es war damals wie heute: Wer ein Projekt umsetzen will, braucht einen Sponsor, eine Sponsorin, braucht Leute, die man begeistern kann von der eigenen Idee. Die Quellen erzählen, Franziskus habe zwei Wochen vor dem Weihnachtsfest im Jahr 1223 – deshalb die 800 Jahre – mit einem befreundeten Edelmann gesprochen. Der hieß Johannes, mochte den kleinen armen Mann aus Assisi sehr gerne und scheint nicht nur reich gewesen zu sein, sondern auch um „den Adel der Seele bemüht“, wie der Biograf schreibt. Also ein spirituell sensibler Mann mit genügend Geld und Kontakten, mit dem man ein spontanes, verrücktes Projekt verwirklichen konnte.
In einer Höhle nahe dem kleinen Bergdorf Greccio lässt dieser Edelmann alles so vorbereiten, wie sich Franziskus das vorgestellt hat: Eine Krippe wird mit Heu ausgelegt und zwischen einem Ochs und einem Esel arrangiert. Von einem Kind ist spannenderweise nur in Form einer Vision die Rede. Es wird also kein reales Baby in dieser Krippe gelegen haben. Und das hat einen guten Grund: Den Erzählungen nach wird direkt über der Krippe Eucharistie gefeiert. Der Herr ist also schon da, in Brot und Wein anwesend.
Regeln nicht höher einschätzen als die Sehnsucht nach Gott
Dieser Hinweis auf die Eucharistie klingt für uns unspektakulärer als er‘s damals gewesen ist. Man konnte sie nicht einfach sonst wo feiern und das Recht für Tragaltäre bekamen die Brüder des Franziskus nachweislich erst ein Jahr später. Aber genau diese Zusammenschau von Krippe und Eucharistie war für den Heiligen entscheidend. Und hat ihn vielleicht dazu veranlasst, die kirchlichen Regeln nicht höher einzuschätzen als seine Sehnsucht nach der Gegenwart Gottes. Für ihn war buchstäblich unwiderstehlich: Das Kind, das wir in der Krippe feiern, ist Gott, der immer wieder in unsere Gegenwart hinein geboren werden will. Und der uns in der Feier der Eucharistie so nahe ist, wie nirgends sonst.
Franziskus überlässt aber nicht einfach dem reichen Edelmann die ganze Vorbereitung. Da fehlt noch etwas Entscheidendes: Er will diese Erfahrung nicht für sich allein. Er will, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner ringsum, die einfachen Leute aus den Dörfern in den Bergen und den Höfen in der Ebene mit ihm feiern. Ein gutes Projekt braucht immer auch eine gute PR. Deshalb wird er ordentlich die Werbetrommel gerührt haben in diesen zwei Wochen, er und seine Brüder klopfen an alle Türen, erzählen, laden emsig ein. Und offensichtlich treffen sie einen Nerv.
In den Herzen neu geboren
An Heiligabend, so wird erzählt, strömen Frauen, Männer und Kinder herbei, bringen ihrerseits Fackeln und Kerzen mit und „hell wie der Tag wurde diese Nacht“, beschreibt es der Biograf. Und noch etwas weiß er zu berichten: „Menschen und Tiere machte sie glücklich.“ Bei dieser lebendigen Krippe, wo es raschelt von Menschen und Tieren, wo es duftet nach Heu und Wachs, wo Menschen zusammenstehen und warmer Atem in der kalten Nachtluft liegt, da singt Franziskus feierlich das Evangelium. Und hält eine ergreifende Predigt. „Die ganze Nacht jauchzte auf“, heißt es überschwänglich in den Erzählungen. Und das Wichtigste: Damals, als das Weihnachtsfest mit allen Sinnen in Erinnerung gerufen wurde, „ist das Kind Jesus im Herzen vieler neugeboren worden“.
Dr. Martina Kreidler-Kos ist Leiterin des Seelsorgeamtes des Bistums Osnabrück und Fachfrau für franziskanische Spiritualität. Sehr empfehlenswert sind ihre Videos „Kirchenkram“ auf dem Youtube-Kanal „Das Bodenpersonal“.
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