Die katholische Kirche hat nicht immer was zu lachen. Um so erfrischender ist es, wenn ein Theologe als Kabarettist sich selbst, seinen Beruf (Religionslehrer), sein Arbeitsfeld und nicht zuletzt die Kirche verschmitzt anschaut. Im Interview erklärt Stefan Haider (Wien) Hintergründe zu seiner Tätigkeit.
Lieber Stefan, du bist Religionslehrer und Kabarettist. Wo findest du das Material für deine Beiträge – in deinem Schulalltag, in den Medien oder durch Beobachtungen auf der Straße?
Meine Antennen sind meistens auf Empfang und mein Notizbuch habe ich auch fast immer dabei. Aber natürlich sind Schule und Religionsunterricht zwei der Hauptquellen bei der Entstehung meiner Programme. Eine Schülerin, die im Unterricht plötzlich ihre Hände hebt und schüttelt, und ich bin mir nicht sicher, ob sie gerade ein spirituelles Erlebnis hat oder einfach nur vom Unterricht begeistert ist, in Wirklichkeit trocknet sie aber gerade ihre frisch lackierten Fingernägel – an solchen Erfahrungen möchte ich mein Publikum einfach teilhaben lassen. Und schon steht die grundsätzliche Frage im Raum: Wieviel Kosmetik verträgt Religion?
Wieviel Kosmetik verträgt die Religion?
Du hast erzählt, dass du für die Vorbereitung eines Programms gerne mit dem Zug durch Österreich reist. Woran liegt für dich die besondere Inspiration dabei?
Das mache ich gerne in den Sommerferien. Zuerst einmal sind die ÖBB-Abteile im Gegensatz zu meiner Wohnung klimatisiert, was im Sommer wirklich hilft, denn ab 27 Grad Raumtemperatur arbeitet mein Hirn nicht mehr richtig. Außerdem gibt eine Zugfahrt der Arbeit so richtig Struktur: Bis Linz schreibe ich die Nummer fertig und bis Salzburg lerne ich sie dann. Das sind überschaubare Ziele im Leben.
Immerhin waren die interessantesten Sachen auch die verbotensten.
Dein aktuelles Programm nennt sich „Sexy Jesus“. Sex und Kirche sind ja nun nicht wirklich ein harmonisches Paar. Willst du bewusst provozieren – oder in welchem Sinne verstehst du den „Sex Appeal“ von Jesus?
Mein erster Gedanke war, dass es verkaufsfördernd wirkt, wenn irgendwo das Wort „sexy“ davorsteht. Das funktioniert bei Zahnpasta und Haarshampoos, warum nicht auch bei Kabarettprogrammen? Und wenn ich die Besucherzahlen von „Sexy Jesus“ mit meinen vorigen Programmen vergleiche, scheint es auch gewirkt zu haben. In meiner eigenen Jugend hat die Kirche eine ganze Menge dazu beigetragen, dass der „Sexy-Level“ in meinem Leben gestiegen ist. Immerhin waren die interessantesten Sachen auch die verbotensten. Das bringt dann noch einmal 10 Pulsschläge pro Minute extra.
Verstehst du dich, wenn du ein Kabarett machst, als Unterhalter oder doch auch als einer, der „verkündigt“? Lässt sich das überhaupt trennen?
Meine Lieblingsdefinition von Kabarett ist „Unterhaltung mit Haltung“. Insofern lässt es sich also nicht trennen. Wobei es schon mein größtes Anliegen ist, dass sich die Zuschauerinnen und Zuschauer gut unterhalten. Alles, was darüber hinaus noch möglich ist, ist eine schöne Zugabe.
Ich wünsche mir – auf der Kabarettbühne wie in der Kirche – authentische Zeugnisse.
Als Prediger und Predigerinnen versuchen viele ja auch, ihre Gemeinde zu „unterhalten“. Was hättest du an Anregungen zu geben für Menschen, die regelmäßig vor anderen über ihren Glauben reden?
Es gibt ja schon Infotainment und Edutainment – ich weiß nicht, ob es auch schon „Sermotainment“ gibt. Einen Markt gäbe es sicher dafür. Wenn ich an mich selbst als „Predigtkonsument“ denke, wünsche ich mir aber gar nicht, von einer Predigt unterhalten zu werden. Ich wünsche mir – auf der Kabarettbühne wie in der Kirche – authentische Zeugnisse, wie jemand die Herausforderungen des Lebens meistert ohne zu verbittern und ohne vor Angst zu vergehen, und welche Hoffnungen und Träume ihn oder sie dabei leiten. Und dass wir dann doch sehr oft in unseren Anstrengungen erfolglos bleiben, gar nichts erreichen oder höchstens das Gegenteil des Erstrebten, birgt jede Menge Komik in sich. Das könnte auch in der einen oder anderen Predigt zur Sprache kommen. Wer Scheitern nur als moralisches Problem sieht, verpasst diese Komik meistens.
Wer lacht, hat keine Angst
Es gibt eine alte mittelalterliche Ansicht, dass Jesus nie gelacht hätte. Diese Ansicht wird nicht zuletzt im Roman und Film von Umberto Eco, „Der Name der Rose“, ausgeschlachtet. Willst du mit deinen Programmen einen bewussten Gegenakzent setzen gegen ein Verständnis eines primär „ernsten“ Christentums?
„Wer lacht, hat keine Angst“ – dieser Satz war gerade im letzten Jahr im Zusammenhang mit den religiös motivierten Terroranschlägen öfters zu lesen. Und keine Angst zu haben, halte ich für eine wichtige religiöse Tugend, immerhin steht in der Bibel doch ein paar Mal: „Fürchtet euch nicht!“. Die, die die Macht haben, bestimmen auch gerne, worüber gelacht werden darf und worüber nicht. Alle humorlosen Ideologien, egal ob religiös oder nicht, sind einfach nur zum Fürchten. Sobald jemand seine Religion so todernst nimmt, dass vor allem der Tod anderer in Kauf genommen wird, um die eigene Rechthaberei durchzusetzen, wird die Religion zu einer Plage und zu einer Geisel in der Gesellschaft. Das können wir ja gerade auch aktuell erleben. Also ja, ich will mit meinen Programmen einen bewussten Gegenakzent gegen ein todernstes Verständnis von Christentum und Religion überhaupt setzen.
Wenn sie dann noch am nächsten Morgen aufwachen und einfach glücklich sind, wäre es natürlich perfekt.
Eine letzte Frage: Was möchtest du mit deinen Programmen bei den Menschen bewirken? Womit sollen Sie von einem Kabarettabend weggehen?
Jedenfalls sollen sie gelacht und sich gut unterhalten haben. Als nächstes sollen sie alle ihre Bekannten und Freundinnen und Freunde anrufen und mein Kabarett weiterempfehlen. Wenn sie dann noch am nächsten Morgen aufwachen und einfach glücklich sind, wäre es natürlich perfekt. Dafür würde ich aber niemals eine Garantie übernehmen.
Das Interview führte Johann Pock, Wien
Näheres zum Programm: http://www.stefanhaider.com/sexy-jesus/?Willkommen
Beitragsbild: http://www.stefanhaider.com/sexy-jesus/downloads/Sujet_sj.jpg