Der Asymmetrie von Beziehungsgefügen zwischen Menschen und Robotern geht Christina Potschka in ihrem Blick auf aktuelle Trends der Robotik und ihrer gesellschaftlichen Präsenz nach.
Egal ob Zuhause oder am Arbeitsplatz: Künstlich intelligente Maschinen begegnen uns häufiger in unserem Alltag. Sie mähen den Rasen, begrüßen uns Zuhause oder helfen bei pflegerischen Tätigkeiten in Wohnheimen. Ein wesentlicher Unterschied dieser differenten Einsatzgebiete: Der Rasen verlangt nicht nach sozialer, liebevoller Interaktion. Der Mensch als soziales Wesen hingegen schon. Vor allem dann, wenn er aufgrund seines physischen und psychischen Zustandes von Anderen abhängig ist.
Sie kommunizieren und erkennen Emotionen.
Soziale Roboter, die für die menschliche Kommunikation und Interaktion konstruiert wurden, sind auf die Befolgung sozialer Regeln programmiert. Sie kommunizieren mit dem Menschen, erkennen Emotionen und täuschen dem Menschen Gefühle vor.
Verschiedene Studien und Medienberichte belegen, dass die künstliche soziale Kommunikation und Interaktion zwischen Mensch und Roboter funktioniert. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Einsatz von sozialer Robotik (Robbe Paro) positiv auf das psychische und physische Befinden der Bewohner*innen eines Pflegeheims auswirkt.[1] Medienberichte wie „Hi, AI“[2] oder „Roboter in Japan: Verliebt in ein Hologramm“[3] zeigen, dass es bereits die ersten Beziehungen und Eheschließungen zwischen Mensch und Roboter gibt. Angesichts dieser neuen Entwicklung stellt sich unter anderem die Frage, in wie weit soziale Roboter „makellose“ neue Sozialpartner für den Menschen sein können?
Anthropologisch-psychologische Grundkonstanten sozialer Beziehungen
Folgende fünf Aspekte sind aus anthropologisch-psychologischer Sicht für eine soziale Beziehung zentral: Balance zwischen Hingabe und Selbsterhalt, wechselseitige Anerkennung, totale Kommunikation, gemeinsame Interessen und Sexualität.[4] Was bedeuten diese Grundkonstanten sowohl für Mensch-Mensch-Beziehungen als auch für Mensch-Roboter-Beziehungen?
1. Balance zwischen Hingabe und Selbsterhalt
Beziehungen bewegen sich stets zwischen zwei Polen. Auf der einen Seite müssen sich die Partner*innen gegenüber dem/der anderen öffnen und hingeben. Auf der anderen Seite müssen sie sich selbst treu bleiben. Jeder Mensch hat eigene Bedürfnisse, die er in einer symmetrischen Beziehung in einem Balanceakt entweder zurückstellen oder durchsetzen muss. „Gesunde“ Partnerschaften leben von diesem Wechselspiel des Gebens und Nehmens.
Soziale Roboter haben keine eigenen Bedürfnisse.
Roboter sind darauf programmiert, dem Menschen zu dienen. Dabei stehen die Bedürfnisse des Menschen im Zentrum. Soziale Roboter haben bis heute keine eigenen Bedürfnisse. Der Selbsterhalt ist demnach nicht gegeben; somit besteht innerhalb einer Mensch-Roboter-Beziehung immer ein asymmetrisches Verhältnis zwischen Hingabe und Selbsterhalt.
2. Wechselseitige Anerkennung
Ein weiterer wichtiger Aspekt innerhalb einer Beziehung besteht im Wunsch nach permanenter Selbstbestätigung durch einen anderen. Schon 1807 betont Hegel im Buch Phänomenologie des Geistes, dass gelingende Beziehungen im Wesentlichen auf einem dynamischen Prozess des sich gegenseitigen Anerkennens basieren. Das Wechselspiel der Anerkennung hilft den Individuen, ihr Selbstbewusstsein zu verdoppeln, indem sie das fremde Bewusstsein in ihr eigenes umwandeln.
Keine Sehnsucht nach Anerkennung,
reiner Dienst
Das Streben nach Anerkennung und das Ansuchen nach mehr Selbstbewusstsein ist ein rein menschliches Interesse. Für den Roboter spielt es keine Rolle, wie häufig mit ihm kommuniziert und interagiert wird. Er besitzt kein Selbstbewusstsein, sondern einen Algorithmus, der ihm dabei hilft, die Kommunikation und Interaktion mit dem Menschen stets weiter zu optimieren. Dahingehend ist der Wunsch nach Anerkennung ebenfalls ein einseitig menschliches Bedürfnis.
3. „Totale Kommunikation“
1882 beschreibt Nietzsche die Ehe als ein langes Gespräch. Jeder Mensch, so Nietzsche, der eine Ehe eingehen will, sollte sich die Frage stellen, ob er sich vorstellen könnte, bis ins hohe Alter Unterhaltungen mit seinem Partner bzw. seiner Partnerin führen zu wollen. Das Miteinander-Sprechen bezieht sich nicht nur auf den Transfer von Sachinformationen, sondern vor allem auch auf den Austausch von Gefühlen. Der Psychotherapeut Dieter Wyss bezeichnet die vollkommene gegenseitige kommunikative Offenbarung auch als „totale Kommunikation“.
Sachgespräche sind möglich,
Stimmungslagen nicht.
Soziale Roboter beziehen ihre Informationen zu einem großen Teil aus dem Internet. Sachgespräche sind daher mit einem künstlichen Gesprächspartner ohne Probleme möglich. Der Roboter kann dank einer schnellen Datensuche und Auswertung über jedes Thema aktuelle Informationen in ein Gespräch mit einbringen. Es ist eine sachlich umfangreichere Kommunikation möglich. Wenn es allerdings um den Austausch von Gefühlslagen geht, in Form einer „totalen Kommunikation“ nach Wyss, stoßen Roboter an ihre Grenzen. Soziale Roboter können gegebenenfalls an der Stimmlage und dem Gesichtsausdruck des Menschen erkennen, ob er wütend, traurig oder fröhlich ist. Soziale Roboter selbst können bisher allerdings keine Gefühle empfinden. Gespräche über Empfindungen sind daher unecht und für den Menschen unbefriedigend.
4. Gemeinsame Interessen
Jeder Mensch hat eigene Interessen und Hobbys, die ihn in die soziale Welt einbinden. Gemeinsame Interessen haben eine verbindende Funktion. Sie bieten nicht nur Gesprächsstoff, der nach Nietzsche sehr wichtig ist, sondern führen durch das gemeinsame Ausführen auch zu einer wechselseitigen Förderung der Fähigkeiten des anderen. Die gemeinsamen Aktivitäten innerhalb der sozialen Strukturen verhindern, dass Langeweile zwischen Personen aufkommt und ermöglichen es sich gemeinsam weiter zu entwickeln.
Gemeinsame Weiterentwicklung
Gemeinsame Interessen die nach derzeitigem Entwicklungsstand mit sozialen Robotern ausgeübt werden können, sind: Singen, Spielen (digital, online), Tanzen und Bewegungsübungen. Die gemeinsamen Aktivitäten können sowohl bei Robotern als auch bei Menschen Fähigkeiten fördern und somit ein gemeinsames Wachsen und Entwickeln zur Folge haben.
5. Sexualität (bei Liebesbeziehungen)
Evolutionsbiologisch gesehen spielt Sexualität für soziale Liebesbeziehungen eine zentrale Rolle. Jeder Mensch hat einen Sexualtrieb inne, der die Fortpflanzung und damit den Fortbestand der Menschheit sicherstellt Aus existenzphilosophischer und psychologischer Perspektive dient die Sexualität noch einem weiteren Zweck. Sie verhilft den Individuen sich körperlich ganzheitlich als ein Ich zu erfahren und mit einem anderen Du zu verschmelzen. Nach Psychoanalytiker Otto F. Kernberg, verschmelzen Leib und Seele während der sexuellen Vereinigung zu einer Einheit und ermöglichen den Subjekten die Grenzen des Selbst zu überschreiten. Kernberg beschreibt diese Erfahrung auch als Transzendenz der Sexualität.
Sexualität ja – aber ohne Beziehung.
Sexualität gehört zu den rein menschlichen Grundbedürfnissen. Sexualität zwischen Mensch und Roboter ist möglich. Sexuelle Transzendenzerfahrungen seitens der Menschen sind ebenfalls denkbar, wobei die sexuelle Beziehung zwischen Mensch und Roboter aus evolutionsbiologischer Sicht bisher nicht über die Triebbefriedigung hinausgehen kann.
Fazit: Soziale Roboter – neue „makellose“ Sozialpartner?!
Soziale Roboter erscheinen äußerlich zunächst makellos und können mit Menschen auf sozialer Ebene sowohl interagieren als auch kommunizieren. Soziale Beziehungen zwischen Mensch und Roboter sind teilweise möglich. Aktuell können soziale Roboter jedoch noch kein Ersatz der Mensch-Mensch-Beziehung sein, da zwischen Roboter und Mensch eine zu starke Asymmetrie besteht. Dennoch eröffnen soziale Roboter den Menschen einerseits neue Chancen, andererseits bergen sie aber auch Risiken.
Chancen einer sozialen Mensch-Roboter-Beziehung
Soziale Roboter können den Menschen als zusätzliche soziale Kontaktmöglichkeit unterhalten, Einsamkeitsgefühle verringern und dadurch positive psychische wie auch physische Effekte hervorrufen. Darüber hinaus kann in der Kommunikationstherapie durch den Einsatz von sozialer Robotik auch die Kommunikations- und Beziehungsfähigkeit verbessert werden. Im Bereich der Sexualarbeit ist es ebenfalls denkbar Roboter einzusetzen.
Risiken einer sozialen Mensch-Roboter-Beziehung
Soziale Roboter können nach eigenen Vorstellungen kreiert und bestellt werden. Eine zunächst verlockende Vorstellung, die aber bei genauerer Betrachtung einige Gefahren birgt.
Wunschbestellungen verstärken Geschlechterstereotypen
So verstärken „makellos“ weibliche und männliche Roboter sowohl stereotypes Denken als auch unmenschliche Ansprüche an künftige Sozialpartner*innen. Der Mensch muss sich im eigenen Verhalten nie zurücknehmen. Es geht vermehrt um eigene Bedürfnisse. Auf Dauer besteht die Gefahr, dass sich sowohl die Empathiefähigkeit als auch die Kultivierung des menschlichen Verhaltens zurückbildet.
___
Autorin: Christina Potschka arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Theologische Ethik der Universität Bamberg.
Foto: Alex Knight / unsplash.com
[1] Robinson, Hayley, Bruce MacDonald, Ngaire Kerse, und Elizabeth Broadbent. „The Psychosocial Effects of a
Companion Robot: A Randomized Controlled Trial.“ Journal of the American Medical Directors Association, September 2013, 661-667.
[2] Leibold, Christoph: „Hi AI“ erkundet, ob wir uns in Roboter verlieben können, BR (bayerischen Rundfunk), 06.03.2019, online: https://www.br.de/nachrichten/kultur/hello-ai,RJvxKyb.
[3] Spiegel online: Roboterrevolution. Wie Maschinen und Künstliche Intelligenz die Gesellschaft verändern. Teil I. Roboter in Japan: Verliebt in ein Hologramm.
[4] Siehe Friebus-Gergely, Dorothee: Personwerdung und Partnerschaft, Wiesbaden 1995.