STAR WARS – das ist nicht nur Kult, sondern gibt auch theologisch zu denken. Markus Weißer folgt einigen theologischen Spuren im Finale – Episode 9, der Aufstieg Skywalkers.
„Die Toten sprechen!“ – So lautet der erste Satz des inzwischen Kult gewordenen gelben Schriftzugs, der zu Beginn der finalen Episode IX in die Weiten des Weltraums entschwindet und das Ende der STAR WARS-Saga eröffnet.
Es findet sich eine religiös-spirituelle Tiefenstruktur.
Schon immer sprengte das Narrativ vom Krieg der Sterne das Genre typischer Science-Fiction Filme. Neben der technisierten und futuristisch anmutenden Welt „in einer weit, weit entfernten Galaxis“ fand und findet sich eine religiös-spirituelle Tiefenstruktur, die den eigentlichen Reiz der von George Lucas geschaffenen Mythologie um die Mysterien der Macht ausmacht.[1]
Sowohl der finstere Darth Vader als auch Meister Yoda beklagten schon in den vergangenen Episoden einen „Mangel an Glauben“, der bedauerlich sei. Für die Theologie lohnt sich eine Auseinandersetzung mit der – laut Disney vorerst abgeschlossenen – Saga. Nicht nur, weil es sich um eine der wirkmächtigsten und erfolgreichsten Erzählungen der Filmgeschichte handelt, deren generationenübergreifende Anziehungskraft seit über 40 Jahren ungebrochen ist. In den drei Trilogien werden philosophisch-theologische Themen aufgegriffen und teils subtil verarbeitet. So werden die Filme zu Spiegelbildern menschlicher Sinnsuche und ihrer Deutungsmuster, die in epische Narrative eingekleidet sind.
Ohne den aktuellen Film theologisch vereinnahmen zu wollen, lassen sich doch zentrale Motive benennen, die der Theologie geradezu ins Auge springen und als Türöffner für tiefer gehende Gespräche mit interessierten Fans dienen können. Denn auch christliches Denken wird indirekt rezipiert.
Auferstehung und Leben der Toten
Schon in der ursprünglichen Trilogie wurden die verstorbenen Jedi-Ritter in ihrer postmortalen Existenz durch Erscheinungen wahrnehmbar, die geradezu an eine Hollywood-Interpretation des Auferstandenen erinnern. Ihre Vollendung in der alles umfassenden und durchdringenden Macht (einer überpersonalen Energie mit dualistischer Ausprägung in hell und dunkel) steht in ungebrochener Kontinuität zu den noch lebenden Gefährten, die über den Tod hinaus mit ihnen verbunden sind.
Die Eschatologie ist in STAR WARS eines der theologisch reizvollsten Themen.
Neu ist die in der aktuellen Trilogie etablierte Vorstellung, dass Verstorbene auch aktiv in die Geschichte eingreifen und sie kausal beeinflussen können. Die eigentliche Sensation ist aber die leibhaftige Rückkehr des getöteten Imperators in ein untotes Leben, das er der „dunklen Seite der Macht“ verdankt: purer Lebensgier und Selbstbehauptung um jeden Preis, verbunden mit „dunkler Wissenschaft“ und einer Existenz im Finsteren. Der Unterschied zwischen dieser Rückkehr in ein sterbliches und geradezu parasitäres Leben – man mag hier eine Parallele zu Lord Voldemort aus den Harry Potter Romanen ziehen – und einer letztgültigen „eschatologischen“ Vollendung im Einklang mit der allumfassenden Macht wird gekonnt inszeniert. Die Eschatologie ist in STAR WARS und insbesondere in Episode IX eines der theologisch reizvollsten Themen, an denen man sich weiter abarbeiten kann. Wie wird hier Unsterblichkeit gedacht? Wovon hängt sie ab? Woran könnte sie scheitern? Wo wird der Tod nur betrogen? Wie bleiben Beziehungen über den Tod hinaus wirksam? Und wer kann an ewiger Vollendung teilhaben?
Die existentielle Frage nach dem Umgang mit dem Tod, die Hoffnung auf ein erfülltes Leben im Tod und die bleibende Beziehung zu den Verstorbenen ist eines der zentralsten „Mysterien“ der Macht.
In der zweiten Trilogie war geradezu eine ars moriendi etabliert worden, die im Munde Meister Yodas das „Loslassen“ mit einer spirituellen Haltung verknüpft, die an ignatianische Indifferenz erinnert. Die Unfähigkeit des jungen Anakin Skywalker, die eigenen Pläne, Interessen und auch geliebte Mitmenschen loslassen zu können, führt zu seinem eigentlichen Sündenfall, der ihn auf die dunkle Seite der Macht führt: Sein fehlendes Vertrauen in die Wege der Macht, Egoismus und absoluter Kontrollzwang, die Abwendung vom Guten und seine Selbstverkrümmung in Furcht vor der ungewissen Zukunft lassen ihn zu Darth Vader degenerieren. Er missachtet die Warnung des weisen Meister Yoda: „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.“ Die existentielle Frage nach dem Umgang mit dem Tod, die Hoffnung auf ein erfülltes Leben im Tod und die bleibende Beziehung zu den Verstorbenen ist eines der zentralsten „Mysterien“ der Macht, in die hinein man sich vertrauensvoll vollenden kann.
Gebet und Gemeinschaft der ‚Heiligen‘
In besonderer Weise spielt Episode IX den Gedanken an eine Art Gemeinschaft der ‚Heiligen‘ oder Vollendeten ein. Rey, die junge Heldin der finalen Trilogie, betet und bittet um Beistand im Moment schwerster Prüfungen. „Seid mit mir!“ Diese meditative Anrufung der verstorbenen Jedi bleibt zunächst unbeantwortet, zeigt im entscheidenden Moment jedoch ihre hollywoodtypische Wirkung. Sie hört die Stimmen der verstorbenen Jedi-Gemeinschaft und spürt machtvoll ihre Präsenz. Tausend Generationen leben in ihr, so heißt es. Sie treten für sie ein, geben ihr Kraft und wirken auf unsagbare Weise in ihr fort.
Reys Schicksal ist solidarisch verwoben mit einer communio, die über den Tod hinaus Bestand hat.
Reys Schicksal ist solidarisch verwoben mit einer communio, die über den Tod hinaus Bestand hat, die im Gebet angerufen wird, sie unterstützt und auf dem rechten Weg zum Ziel begleitet. Dieser Gedanke ist einer katholischen Theologie keineswegs fremd, bedarf aber wohl tieferer Reflexion.
Opfer und Selbsthingabe
Eines der wichtigsten religiös konnotierten Motive ist das selbstlose Opfer, bzw. die freiwillige und bewusste Selbsthingabe. Diese wird in STAR WARS natürlich mehrfach zelebriert, wenn die Freiheitskämpfer sich für das höhere Ideal der Rebellion aufopfern. Das Opfer des Vaters für den Sohn (Vader für Luke) war ja schon in der ursprünglichen Trilogie von entscheidender Heilsbedeutung für den jungen Jedi wie auch für die gesamte Galaxis. Die neue Trilogie ist aber geradezu gesättigt von dieser Motivik einer stellvertretenden Lebenshingabe für andere.
Das rituelle Opfer und die Hingabe aus Liebe sind allgegenwärtig.
Sie wird in Episode IX religiös aufgeladen. Durch eine Übertragung von Lebensenergie der Macht wird Rey durch Ben Solo vor dem Tod gerettet – um den Preis seines eigenen Lebens. Doch auch die dunkle Seite ist zum Opfer bereit und opfert gerne. In einer okkulten Zeremonie will sich der Imperator selbst einer rituellen Opferung unterziehen, allerdings aus egoistischen Motiven, da seine Hinrichtung den Übergang seines Geistes auf seine Nachkommin verbürgen soll, um in ihr zu überdauern. Das rituelle Opfer und die Hingabe aus Liebe sind allgegenwärtig. Das wirft die Frage nach dem jeweiligen Referenzsystem auf: Wem oder wofür wird geopfert? Und wem zugute? Das Motiv verlangt eine differenzierte Auseinandersetzung mit der eigenen christlichen Tradition, für die eine solche Rede vom heilsbedeutsamen Opfer zwar altbekannt, aber nicht immer leicht verständlich ist.[2]
Bekehrung und Erlösung
STAR WARS lebt von den biographischen Wendungen und Bekehrungen, sei es zum Guten oder zum Bösen hin. Anakin wird schon in Episode I als verheißener Heilbringer inszeniert, der die Macht ins Gleichgewicht bringen soll. Seine jungfräuliche Geburt korrespondiert mit einer alten Prophezeiung. Er wendet sich der dunklen Seite der Macht zu, lässt sich verführen und stürzt nicht nur sich selbst, sondern die gesamte Galaxis ins Unheil. Im entscheidenden Moment bekehrt er sich dennoch zum Guten – er löst seinen inneren „Konflikt“ aus Mitleid mit seinem Sohn und stirbt erlöst und in Frieden. Sein Enkel Ben Solo will in seine Fußstapfen treten, ringt mit dem Mord an seinem Vater und dem Bruch mit seiner Mutter, die ihn aber dennoch nicht preisgibt. Auch er bekehrt sich.
Retterfiguren, die stets auch selbst der Rettung bedürftig sind.
Zu keinem Zeitpunkt mangelt es der Saga an Retterfiguren, die stets auch selbst der Rettung bedürftig sind. Was aber ist das Ziel? Die Wiederherstellung der Republik? Die (fragile) Freiheit in der Galaxis? Um den Preis derer, die das nicht erleben? Oder die Rückkehr der Jedi, die hinter ihren eigenen moralischen Ansprüchen als elitäre Glaubensgemeinschaft zurückbleiben? Das „Gleichgewicht“ der Macht? Die Frage, was als Heil oder heilsame Vollendung gedacht werden kann, bleibt – wohl nicht ohne Grund – vage. Ebenso wie die Frage, wer daran teilhaben kann. Doch wird immer wieder darauf verwiesen, dass es eine Bestimmung oder ein Schicksal gibt, das durch das Handeln einzelner erwählter Charaktere „erfüllt“ werden soll. Die theologisch alt bekannte Spannung von Gnade, Freiheit und Prädestination schwingt dabei im Hintergrund permanent mit. Augustinus wäre angesichts seiner Bekehrung(en) und gnadentheologischen Einlassungen ein streitbarer Dialogpartner für dieses moderne Epos. Nicht zuletzt deswegen, weil ihm der strikte Dualismus der Saga aus seiner Zeit als Manichäer bekannt vorkäme. Und doch dürften ihn das Freiheitspathos und die Tendenz hin zum Guten, für das man sich entscheiden muss, herausfordern.
Das Gewissen und die Stimme in uns
Eine ethische Dimension der Macht ergibt sich in Episode IX durch ihre Verbindung mit dem menschlichen Gewissen. Sie ist – anders als in früheren Episoden – nicht etwa nur den Jedi als Glaubensgemeinschaft zugänglich. Sie „spricht“ zu allen Menschen, „ist mit“ allen und weist ihnen den Weg, um zu unterscheiden, was gut oder böse ist – trotz imperialer Indoktrination. Schon in Episode VII war vom „Erwachen“ der Macht die Rede. Sie bricht sich Bahn, emergiert, ruft und beruft geradezu. Man könnte hier an Offenbarung denken, was auch dadurch naheliegt, dass es Heilige Schriften der Jedi gibt. Dennoch handelt es sich für die neueste Trilogie um keine elitäre Gnosis (mehr). Jeder steht in einem nicht näher geklärten Verhältnis zur Macht, die beinahe als wirkmächtiges Existential bezeichnet werden könnte – analog zu einem christlichen Verständnis von Gnade.
Die Macht hat trotz dualistischer Hell-Dunkel-Metaphorik eine positive Grundierung.
Sieg des Guten und bleibendes Mysterium
Solche Streiflichter bieten nur einen Aufriss der thematischen Anknüpfungspunkte, die sich aus theologischer Sicht ergeben. Mit Blick auf die ungebrochene Faszination des STAR WARS-Universums kann man feststellen: Die Macht hat trotz dualistischer Hell-Dunkel-Metaphorik eine positive Grundierung. Sie tendiert in ihrer Balance von Leben und Tod ganz klar zum Leben und damit zum Guten. Es gibt also ein letztes Prinzip der Einheit hinter der dualistischen Konzeption, die heute in vielen Spielarten begegnet und nicht immer logisch stringent bemüht wird. Gerade hier kann sich der jüdisch-christliche Gottesglaube als Dialogpartner einbringen – im Bewusstsein darum, dass es in monotheistischer Perspektive nur eine letzte Wirklichkeit gibt, der sich Licht und Dunkel, Gut und Böse verdanken. Leben und Tod sind darin verbunden und alle Gegensätze immer schon überwunden: „Der das Licht formt und das Dunkel erschafft, der das Heil macht und das Unheil erschafft, ich bin der HERR, der all dies macht.“ (Jes 45,7)
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Autor: Markus Weißer ist Akademischer Rat a.Z. am Lehrstuhl für Dogmatik und Dogmengeschichte (Uni Regensburg)
Beitragsbild: Pixabay
[1] Vgl. Fritsch, Matthias, „May the force be with you!“ Star Wars – alte Mythen neu arrangiert, in: Bohrman, Th. u.a. (Hg.), Handbuch Theologie und populärer Film 3, Paderborn 2012, 197-208.
[2] Vgl. hierzu: Weißer, Markus, Der Heilige Horizont des Herzens. Perspektiven einer trinitarischen Soteriologie im Anschluss an Karl Rahner (FThSt 186), Freiburg 2018, 81-235; 319-334.
Vom Autor bereits auf feinschwarz.net erschienen: