Gedichte mit Alltagserfahrungen, meditativ und mit spielerischer Sprache – das bietet Doris Krockauer in ihrem Gedichtband „Stiller Beginn“, rezensiert von Johann Pock.
Fundstücke, Zufalls-Worte, Gedankensplitter – der von Doris Krockauer vorgelegte Gedichtsband zieht den Leser / die Leserin hinein in eine meditative Stimmung. Sie lässt teilhaben an persönlichen Erfahrungen, an überraschenden Erkenntnissen und dem Spiel mit der Sprache.
Doris Krockauer, Stiller Beginn. Gedichte, Echter: Würzburg 2022. ISBN 978-3-429-05762-6
Auf 94 Seiten versammelt der Band 66 Kurzgedichte und 36 Haikus. Die Dichterin spielt dabei mit den Worten. Mit vielen Wortkreationen umkreist sie schwer ins Wort zu bringende Erfahrungen, wenn sie von den „gewebten Tagen“ oder den „gekörnten Sandkörnern“ spricht, oder von den „Umwegblumen“ (S. 49), dem „Wortgewand“ oder dem „Hüteland“ (S. 54).
„Die Stille verspricht sich dem fehlenden Wort“
Stille und Schweigen sind dabei das Kernmotiv dieser Gedichtsammlung:
Nichts erfinden –
die Stille verspricht sich
dem fehlenden Wort.
Etwas daran scheint
wahr zu sein. (S. 25)
Von der „wehrhaften Stille“ (S.13) ist die Rede; vom eigenen Schweigen, vom „ruhenden Schatten (S. 80). Und immer wieder finden sich Texte, die sich nur langsam in ihrer Tiefe erschließen in ihrer sprachlichen Kunstform. Die Texte thematisieren nicht nur die Stille – sie laden ein, sich selbst meditativ der Wirklichkeit zu nähern. Sie eröffnen einen gedanklichen Raum, der nicht sofort gefüllt ist mit den Ideen der Autorin, sondern der Platz lässt zum Weiterdenken:
Die Zuständigkeit der Stille,
die Blättereien des Lichts,
das Schimmern der Schrift –
luftleichter Durchzug
vorüberschwebenden Glücks (S. 68)
Eine tagende Anderssprache
Erinnerungen, Jahreszeiten, Fortgehen und Heimkommen spiegeln sich in kurzen Textsequenzen wider. Und die Sprache selbst wird thematisiert: das eigene Ringen um das Ins-Wort-Bringen von Unsagbarem. Die Differenz zwischen der Alltagssprache und dem dichterischen Wort – und zugleich die Suche nach dem, was dabei verbindend sein kann.
Tage anderer Sprache.
Nicht fremd, nur anders.
Eine tagende Anderssprache,
von anderer Seite
sprechend, murmelnd
in anderem Licht. (S. 35)
Krockauer reflektiert dabei immer wieder ihr eigenes dichterisches Handwerk. Im Nachwort gibt sie eine kurze Erklärung zur Auswahl der Gedichte und Haikus. In Ansätzen bekommt man Einsicht in ihr Schreiben mit Bleistift in Notizbücher – und in die Vergänglichkeit so vieler Gedanken. Kann man das Gewicht von Worten messen?
Zwei Gramm wiegt
mein volles Notizbuch
nun mehr das leere –
so leicht so schwer
das Gewicht der Worte. (S. 58)
Schwebende Blätter …
Und schließlich bietet das Buch am Schluss noch einige Haikus an – jene minimalistische Kurzform der Gedichte aus der japanischen Tradition, die in 3 Zeilen (5 + 7 + 5 Silben) kunstvolle und knappe Poesie darbietet.
Schwebende Blätter –
wir haben Zeit, sagen sie,
während sie fallen. (S. 89)
„Stiller Beginn“ ist (wie die Autorin es selbst im Nachwort benennt) eine Einladung zu „Staunen, Achtsamkeit und Stille“. Das Buch gibt Gedankenanstöße, lässt schmunzeln und nachdenklich werden, und zeugt von sehr viel sprachlichem Gespür. Der Dichterin ist hier ein wunderbares Werk gelungen.
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Rezensent: Johann Pock, Prof. f. Pastoraltheologie in Wien u. Mitglied der feinschwarz.net-Redaktion
Beitragsbild: Buchcover