Alle reden – zu Recht – vom Corona-Virus. Was aber ist mit dem Synodalen Weg? Joachim Schmiedl vergleicht ihn mit der Würzburger Synode. Ein erster historischer Außenblick, dem in den nächsten Tagen noch ein internationaler und ein evangelischer folgen werden.
Der Synodale Weg wird gerne mit der Würzburger Synode, einer der großen Nationalsynoden nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, verglichen. Für die einen ist das ein hoffnungsvoller Vergleich eines gelungenen Beispiels gelebter Synodalität, für die anderen ein Menetekel einer letztlich gescheiterten feindlichen Übernahme der Kirche durch moderne Demokratie. Was kann der Synodale Weg von der Würzburger Synode lernen?
Krise als Ausgangspunkt
Die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland war mehr als die teilkirchliche Umsetzung des Konzils. Sie hatte ihren Ausgangspunkt in einer Krise, die sich mit der Veröffentlichung der Enzyklika „Humanae vitae“, der Königsteiner Erklärung und dem Essener Katholikentag manifestierte.
Krise konnte nicht bewältigt werden
Ehrliche und glaubwürdige Antworten waren gefragt, Veränderungen in Lehre und Leben der Kirche wurden erwartet. Schaut man auf das Ergebnis, so wurden Strukturen verändert und neu geschaffen (z.B. das Rätesystem), das kirchliche Leben reflektiert und geordnet (z.B. Jugendarbeit und Religionsunterricht, aber auch die Sakramentenpastoral), in den Fragen von Ehe und Familie fand die Synode aber zu keinem einmütigen Konsens. Die Krise, von der die Synode ausging, konnte von der Synode nicht bewältigt werden. Wohl prägten die Beschlüsse über fast vier Jahrzehnte die deutsche Kirche in ihren wesentlichen Teilen von Pfarrei und Zielgruppenpastoral.
Breite der Diskussionen
Möglich wurde ein solches Ergebnis durch die Breite und Offenheit der Diskussionen. Die Würzburger Synode war das erste kirchliche Großereignis, das durch soziographische und demographische Umfragen vorbereitet und begleitet wurde. Was denken und glauben die Katholiken in Deutschland?
Pluralität der Katholizismen
Das gesammelte Material aus einer Umfrage mit 21 Millionen Fragebögen und folgenden Repräsentativumfragen wirkte sich weniger auf die Synode selbst aus, als dass es vielmehr den Mentalitätswandel beschrieb vom katholischen Milieu zur Pluralität der Katholizismen. Diese Vielfalt ist der Ausgangspunkt des Synodalen Wegs, wie er sich in den kontroversen Formen der Partizipation in der Synodalversammlung und den sozialen Medien offenbart. Ob sich daraus ein Konsens gewinnen lässt, muss sich erst noch zeigen.
Der Würzburger Mehrwert: „Unsere Hoffnung“
Vielen ist von der Würzburger Synode vor allem das Papier „Unsere Hoffnung – Ein Bekenntnis zum Glauben in dieser Zeit“ in Erinnerung. Das vom Münsteraner Fundamentaltheologen Johann Baptist Metz verfasste und von der Synode kaum veränderte Dokument setzte die konziliare Kategorie der „Zeichen der Zeit“ in die deutsche Situation um.
Kein gutes Ende ohne Zeitansage
Es thematisierte Fragen, die in den anderen Beschlüssen zu kurz gekommen waren: die Situation des Glaubens in der Gegenwart; die Nachfolge als Weg des Kreuzes, der Armut, der Freiheit und der Freude; die Solidarität mit den armen Kirchen; die Ökumene als gemeinsamer Weg aller Christen; die Verantwortung für die Schöpfung. „Unsere Hoffnung“ war eine Zeitansage. Ich glaube nicht, dass der Synodale Weg ohne eine solche Zeitdiagnose zu einem wirklichen guten Ende kommen kann. Auch das Zweite Vatikanum wäre unvollständig ohne die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“.
Nur vier Synodalversammlungen?
Vier Jahre und acht Vollversammlungen brauchte die Würzburger Synode, um ihr Ergebnis zu erreichen. Sieben Jahre – zwei Jahre Vorbereitung und fünf Jahre Durchführung – tagte das Plenarkonzil der Kirche von Venezuela (2000-2005), bis alle Themen nach dem Dreischritt „Sehen – Urteilen – Handeln“ durchdiskutiert waren und verabschiedet werden konnten.
Mut der Venezolaner
Ich bewundere den Mut der Venezolaner, die kirchenrechtlichen Möglichkeiten zu sondieren und zu ergreifen, ein Plenarkonzil und nicht nur einen Synodalen Weg durchzuführen. Dabei war die Teilnehmerstruktur ähnlich wie in Deutschland: Von 240 Teilnehmenden waren 50 Bischöfe, der Rest repräsentierte Priester, Ordensleute, Laien aller Couleur. Und das Ergebnis wurde von Rom approbiert!
Woran ist „Würzburg“ gescheitert?
Die Würzburger Synode lebte von den Protagonisten des Zweiten Vatikanums. Die Bischöfe hatten dort gelernt, mit einem langen Atem an Texten zu arbeiten und auf Konsensformulierungen hinzusteuern. Doch diese Generation trat zehn Jahre nach dem Konzil ebenso ab wie die Priester und Laien, unter deren Ägide in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre die theologische Erwachsenenbildung einen Boom erlebt hatte. Kardinal Döpfner, der Präsident der Synode, starb am 24. Juli 1976, kurz bevor er das mit seiner Unterschrift versehene Vorwort zur Gesamtausgabe der Beschlüsse persönlich unterzeichnen konnte.
Bald vergessen
Sein Nachfolger Joseph Höffner stand nicht im gleichen Maße für den Schwung der Synode. Noch mehr traf das auf Papst Johannes Paul II., der als einer der Verfasser des Minderheitenvotums, das zu „Humanae vitae“ führte, auf die 1968er-Krise als Ausgangspunkt der Gemeinsamen Synode zurückwies. „Würzburg“ war bald vergessen. Die Synodalen waren in ihren Bistümern als Experten für Erneuerungsprozesse wenig gefragt. „Würzburg“ scheiterte aber auch an der Diskontinuität der Protagonisten. Eine neue Bischofsgeneration setzte andere Schwerpunkte. Für das Gelingen der Rezeption eines solchen Großereignisses ist eben doch entscheidend, wie lange Zeit die führenden Persönlichkeiten (Bischöfe und alle übrigen Mitglieder des Volkes Gottes) den Prozess der Umsetzung begleiten können.
Joachim Schmiedl ist Professor für Mittlere und Neue Kirchengeschichte in Vallendar und war 2017-2020 Vorsitzender des Katholisch-Theologischen Fakultätentags in Deutschland.
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