Simon Jutz ist beides: Croupier und Theologiestudent. Das Casino ist für ihn nicht nur ein existenziell wichtiger, sondern auch ein theologisch relevanter Ort. Hier wie dort ist die entscheidende Frage: Rien ne va plus? Ein Fazit des folgenden Interviews lautet: Theologie muss noch viel intensiver ans Leben ran!
Christian Bauer: Du studierst Theologie – und Du bist Croupier im Casino Innsbruck. Wie kam das?
Simon Jutz: Einfach gesagt, verließ ich vor einigen Jahren die Uni, weil sie mich gegen Ende nur noch frustriert hat. Ich habe schon während meines Studiums gekellnert und habe dort eine Leidenschaft für mich gefunden, die mir aber großteils im Studium fehlte. Somit wurde das Kellnern immer mehr und das Studieren immer weniger.
Nachdem das Lehramt von Diplom auf BA und MA umgestellt wurde und ich Fristen nicht einhalten konnte, wurde es Zeit, das sinkende Schiff zu verlassen und einer weiteren Leidenschaft von mir nachzugehen: dem Casino. Daher arbeite ich heute im Casino – ich mag es einfach: Menschen zu begegnen, mit ihnen zu reden, Spiele zu leiten, Spaß zu haben.
Theologie bringt mich zum Brennen
Mittlerweile habe ich den Weg an die Uni zurückgefunden, weil mich theologische Themen einfach zum Brennen bringen. Zugegebenerweise studiere ich jetzt auch ein wenig anders als damals und ich sehe das Studium gelassener.
Du hast während Deiner Studien-Auszeit also richtig ‚Croupier gelernt‘?
Croupier stellt für mich seit vier Jahren keinen Nebenverdienst dar, sondern ich habe es „richtig“ gelernt und mache es Vollzeit. Momentan befinde ich mich aber in Bildungsteilzeit, um Studium und Casino zeittechnisch in Einklang zu bringen.
Was macht für Dich den besonderen Reiz dieses Jobs aus?
Ich genieße die Nachtarbeit im Casino – dies ermöglicht mir, den Tag für meine Freizeit zu nutzen. Obwohl die Spiele (Roulette, Black Jack oder Poker) zwar immer dieselben sind, bringt dennoch jeder Abend etwas anderes mit sich.
Bunt gemischt
Gehen eigentlich nur reiche Leute ins Casino?
Das Publikum im Casino ist bunt gemischt. Jeder Volljährige darf ins Casino gehen – vom Studenten hin bis zum Gastronomen oder manchmal auch Scheich, ist wirklich alles vertreten.
Was ist Deine liebste Casino-Geschichte?
Meine liebste Casino- Geschichte ist die, wie ich meine Freundin kennengelernt habe – aber die erzähle ich ein anderes Mal…
Du sagtest eben, Du studierst heute anders. Was bedeutet Studium inzwischen für Dich?
Ich glaube, dass ich früher studiert habe, um möglichst schnell mit dem Studium fertig zu werden – Motto: 4 gewinnt. So viel wie möglich in der kürzesten Zeit, mit minimalen Aufwand abhaken. Der Anspruch war nicht gut zu sein, sondern Noten zu schreiben, die genügen. Wer gut und viel auswendig lernen bzw. Fakten reproduzieren kann, tut sich in der Uni oft leichter. Das ist aber nicht der Sinn vom Studieren, auch wenn dies so oft vom System gefordert wird. Frustration und Stress geben sich hier die Hand, was schlussendlich auch zum Ende meines Studiums geführt hat.
Theologie findet überall statt
Studium bedeutet für mich heute, sich Zeit zu nehmen, gelassen auf die Materie zu schauen, ins Gespräch zu kommen, sich Verbündete zu suchen, dabei zu sein bzw. zu bleiben, Fragen zu stellen – einfach gesagt: die Spielregeln des Studiums und Systems zu kennen und sich von ihnen nicht ausbremsen zu lassen. Unabhängig vom Studium, macht es – wie so oft im Leben – einfach deine eigene Einstellung aus, die du zu den Dingen hast. Erfolg oder Misserfolg kommen von alleine. Über längere Zeit gesehen, erntest du biblisch gesprochen genau das, was du säst. Schlussendlich stellt mein jetziges Leben, die Summe aller meiner Entscheidungen dar und ich bin dankbar dafür, was ich schon alles erleben durfte.
Was kann man als Theolog:in denn an einem säkularen Ort wie dem Casino lernen, bräuchte es vielleicht sogar entsprechende Praktika im Studium?
Allgemein gesprochen, findet Theologie überall statt – insbesondere an Andersorten („loci alieni“) kann man viel lernen. Erfahrungen zu sammeln, sich auszutauschen und Neues kennenzulernen sind wichtige Anker, die einem sowohl im Leben als auch im Studium weiterhelfen.
Wirkliche Glücksmomente
Wie du bereits gesagt hast, stellt das Casino einen säkularen Ort dar. Einer der Besonderheiten dieses Ortes ist, dass die Gefühle bei den meisten Gästen Achterbahn fahren – ständig in der Spannung zwischen Gewinnen und Verlieren. Fällt die Kugel auf Rot oder doch auf Schwarz? Dies ermöglicht im Gewinnfall wirkliche Glücksmomente. Vielleicht könnte man sich als Theologe und Theologin überlegen, wie Theologie insgesamt spannend gestaltet werden kann und echten Spaß machen könnte.
In der Netflixserie „Suits“ gibt Harvey Specter großartige Poker-Hinweise („I don’t play the odds, I play the man“). Was ist denn Dein bester Tipp?
Tatsächlich werde ich immer wieder mal gefragt, wie man es am besten schafft, mit einem kleinen Vermögen aus dem Casino zu gehen. Mein bester Tipp ist und bleibt nur mit Geld zu spielen, das einem nicht „weh tut“, verlorenem Geld nicht nachzurennen, persönliche Limits zu setzen und diese vor allem einzuhalten und einfach Spaß zu haben. In erster Linie sollte man ins Casino gehen, um sich mit Freund:innen einen unterhaltsamen Abend zu machen und nicht um reich zu werden.
Danke für das Gespräch!
Simon Jutz ist ausgebildeter Croupier und Theologiestudent in Innsbruck
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