AGENDA – Forum Katholischer Theologinnen feiert heute mit einem Festakt im Rahmen des 101. Katholikentags seinen 20. Geburtstag. Annette Schavan, Gründungsmitglied von AGENDA, schreibt über damalige und aktuelle Herausforderungen.
Im April 2018 hat Papst Franziskus erstmals drei Theologinnen als Beraterinnen in die Glaubenskongregation berufen. Das ist eine gute Nachricht zum Jubiläum von AGENDA, dem Forum Katholischer Theologinnen, das seit 20 Jahren besteht und in diesen Tagen in Münster feiern wird. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!
theologische Arbeit von Frauen öffentlich sichtbar machen
Vor 20 Jahren gab es in Deutschland wenige Frauen auf theologischen Lehrstühlen. AGENDA wurde gegründet, um Verbindungen zwischen den Frauen in der akademischen Theologie herzustellen, junge Theologinnen zu fördern, die theologische Arbeit von Frauen öffentlich sichtbar zu machen und sich über interessante Forschungsfragen auszutauschen. Das geschieht seither regelmäßig bei den Jahrestagungen und hat zu deutlich mehr Theologinnen im Haus der Wissenschaft geführt. Ebenso gewachsen ist die Zahl der Frauen in kirchlichen Leitungsaufgaben der Diözesen. In seinem apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium – Die Freude des Evangeliums“ schreibt Papst Franziskus, er freue sich über „Anstöße zur theologischen Reflexion“, die von Frauen ausgehen[1]. Zum Jubiläum kann das Forum Katholischer Theologinnen durchaus auf eine Erfolgsgeschichte blicken.
Seither mehr Theologinnen im Haus der Wissenschaft … aber noch nicht im Amt!
Zugleich gilt, worauf Gudrun Sailer in ihrem Buch „Papst Franziskus. Keine Kirche ohne Frauen“ hinweist: „Auch die Frauen sind heute eine Peripherie der Katholischen Kirche“.[2] Diesem Satz ist insofern zuzustimmen, als in den vergangenen 20 Jahren keine Bewegung in die Theologie des Amtes gekommen ist. Zwar zeichnet sich aktuell aufgrund einer Initiative der Bischöfe aus dem Amazonas-Gebiet ab, dass möglicherweise eine Bewegung bevorsteht. Sie bezieht sich allerdings ausschließlich auf die Weihe von viri probati, also die Weihe verheirateter Männer. Interessant ist auch, dass Papst Franziskus den Gedenktag der Heiligen Maria Magdalena bereits im Jahre 2016 zum Fest erhoben und sie damit den Aposteln gleichgestellt hat. Marie-Theres Wacker sieht darin vor allem ein Symbol, das bislang für die Theologie des Amtes ohne Konsequenz bleibt.[3] Schließlich ist seit der Rede von Papst Franziskus im Konklave seine Kritik am Klerikalismus in der Kirche unüberhörbar. Für ihn gewinnen die Peripherien deutlich an Bedeutung, wenn es um das Selbstverständnis der Kirche und ihr Handeln geht. Die Peripherien sind für ihn gleichsam Seismographen, die auf das hinweisen, was zukünftig für die Kirche an Bedeutung gewinnen wird. Wenn wir den Satz von Grudrun Sailer so verstehen, dann ergibt sich aus dem Wirken von Frauen in der wissenschaftlichen Theologie auch ein seismographischer Sinn.
Frauen als Peripherie der Kirche … als Seismographen dessen, was zukünftig an Bedeutung gewinnen wird.
Was bedeutet das für die Arbeit von AGENDA in den kommenden Jahren?
Im Blick auf die akademische Bildung und die wissenschaftliche Forschung spricht Papst Franziskus in einem neuerlichen Dokument über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten von einem „radikalen Paradigmenwechsel“, den er – in Anlehnung an eine Formulierung aus seiner Enzyklika Laudato Sì mit dem Ziel einer „mutigen kulturellen Revolution“ verbindet.[4] Es geht ihm um den Beitrag der Theologie zu einem neuen Verständnis von Fortschritt. Damit könnten Impulse für die Welt und die Kirche verbunden sein. In ein neues Fortschrittsparadigma gehört in seiner Logik das, was bislang übersehen, verschwiegen oder unterdrückt geblieben ist. Das betrifft im Blick auf die Kirche weit mehr als die Theologie des Amtes. Gleichwohl ist auch sie davon nicht auszunehmen. Wer von Revolution spricht und davon die Kirche nicht ausnimmt, indem er der Peripherie eine gleichsam erkenntnisleitende Rolle gibt, der kann schwerlich für die Rolle der Frau in der Kirche Tabus setzen.
Papst fordert ‚radikalen Paradigmenwechsel‘ und ‚mutige kulturelle Revolution‘
Für die Debatten, die bei AGENDA in den vergangen 20 Jahren geführt wurden, gehört die Einsicht, dass wir im Blick auf die Beziehung von Amt und Charisma längst nicht mehr davon sprechen, wie das Amt, wie es ist, für Frauen geöffnet werden kann. Wer die zum Teil gequält wirkenden Debatten über Seelsorgeeinheiten, Pastoralräume oder wie auch immer benannte größere Einheiten in der Kirche in Deutschland beobachtet, dem wird rasch deutlich, dass „eine kulturelle Revolution“ auch im Raum der Kirche angesagt ist. Das damit verbundene neue Fortschrittsparadigma betrifft dann auch die Wege der Verkündigung und einen neu zu gewinnenden Wert der kleinen Einheit. Statt aus immer mehr kleinen Einheiten immer größere „Verwaltungseinheiten“ zu kreieren, statt immer mehr Kirchen tagsüber zu schließen und mangels Priester in immer mehr Gemeinden die Verkündigung einzustellen, muss an den Anfang der Christenheit erinnert werden. Von den ersten Christ*innen heißt es, dass sie sich zum Gebet getroffen haben und ihre Armen kannten. Für diese beiden Grundvorzüge der kleinen Gemeinde müssen wieder Räume geschaffen werden. Diese und viele andere Fragen gehören in die Weiterentwicklung des Verständnisses von Amt und Charisma in der Katholischen Kirche. Sie betreffen diverse theologische Disziplinen und bedeuten letztlich ein neues Kapitel kirchlicher Tradition. Dies zu schreiben, daran sollten sich Frauen in der Theologie stark beteiligen.
Annette Schavan ist die Botschafterin Deutschlands beim Heiligen Stuhl und Gastprofessorin an der Shanghai International Studies University. Ihre jüngste Veröffentlichung: Gott, der erneuert. Erfahrungen von Hoffnung und Freiheit. Patmos Verlag, Ostfildern 2018.
feinschwarz.net gratuliert ebenfalls zu 20 Jahren AGENDA und wünscht viele weitere wirksame und kraftvolle Jahre.
[1] Ziff. 103 in seinem genannten Schreiben
[2] Papst Franziskus. Keine Kirche ohne Frauen, Stuttgart 2016, 8.
[3] Interview mit Marie-Theres Wacker im Deutschlandfunk Kultur am 22. Juli 2016
[4] Vgl. Papst Franziskus, Apostolische Konstitution VERITATIS GAUDIUM. Über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten, Vatikanische Druckerei 2018