Theologisch zu arbeiten, bedeutet nicht an erster Stelle, sich von Inspiration oder Spiritualität leiten zu lassen, sondern ist vor allem Denkarbeit, die durch Verschriftlichung reflektiert und für andere zugänglich gemacht wird. Und das will gelernt werden wie ein Handwerk. Ein Hinweis auf einen neuen Schreibratgeber Klöckeners, von Markus Zimmer.
Schreiben in der Theologie ist etwas für gute Handwerker: Zunächst gilt es, das inhaltliche Material, das in den einzelnen theologischen Disziplinen zur Verfügung steht, zu kennen und methodisch angemessen verarbeiten zu können. Vorlesungen zum Überblick und zur Vertiefung bilden gewissermaßen den Kern der Lehre des Meisters oder der Meisterin vulgo Professor oder Professorin. Begleitende Übungen führen ein in die fachspezifischen Methoden und erschliessen sozusagen die Denkmechanik der theologischen Disziplinen und ihre innere Logik. Das «theoretisch» Gelernte wird dann «praktisch» angewendet in den Seminaren. Im Regelfall wird dabei nicht Reproduktion erwartet, sondern das Durchlaufen eines Prozesses von inhaltlicher Neugier, dem Erkennen einer Spannung oder eines Problems, der Erarbeitung einer problemfokussierenden, konzisen Fragestellung, der Auseinandersetzung mit Quellen über die zu thematisierende «Sache» und eine zusammenfassende oder – je nach Studienstufe – abwägende Darstellung von Antworten respektive Lösungsansätzen. Das Gesellenstück schliesslich ist die Bachelor-, Master- oder Diplomarbeit, denn sie steht nicht mehr im Kontext eines Seminars, dessen kommunikative Anlage als Ideenlieferant und Korrektiv dienen kann, sondern erfordert den souveränen fachlichen und methodischen Umgang jedes und jeder Einzelnen mit seinem, mit ihrem Thema.
So spannend die eigenständige Auseinandersetzung mit theologischen Fragestellungen sein mag: Bei jeder schriftlichen Arbeit schlägt irgendwann die Stunde von Merkblättern über formale Vorgaben. Sie geben Formatierungs-, Zitations- und Bibliografierregeln an, und im schlimmsten Fall unterscheiden sie sich von Fach zu Fach oder sogar je nach Dozierenden. Gerade für Studierende in den ersten Semestern stellt das wissenschaftliche Schreiben deshalb nicht selten eine Hürde dar, die bei manchen die Lust, sich mit einem Thema zu beschäftigen, nach der ersten Begeisterung abebben lässt. Oder es entsteht bei der Nachbesprechung von Hausarbeiten der Eindruck, es gehe mehr um das Einüben von Formalia als um die Auseinandersetzung mit Inhalten.
Der Schreibprozess selbst bleibt häufig der «Handwerkskunst» der Studierenden anheimgestellt.
Sicher gehört es zu jedem wissenschaftlichen Handwerk, Autoren und Herausgeber voneinander zu unterscheiden, benutzte Quellen wiederauffindbar darzustellen, Zitate aus und Paraphrasierungen von Texten Dritter zu kennzeichnen und neben einer akzeptablen Orthografie auch Sätze zu formulieren, deren Aussageabsicht für andere (und idealerweise auch für die Schreibenden selbst) nachvollziehbar bleibt.
Während für Formales mehr oder weniger hilfreiche Regularien existieren, bleibt der Schreibprozess selbst häufig der «Handwerkskunst» der Studierenden anheimgestellt. Damit sie dabei nicht ganz auf sich gestellt sind, hat die Münsteraner Kirchenhistorikerin Monnica Klöckener unter Mitarbeit von Ludger Hiepel (Uni Münster) einen Schreibratgeber eigens für das Theologiestudium herausgebracht. Darin soll es gerade nicht um Formalia gehen (18), sondern darum, den eigenen «Schreibprozess bewusster und besser zu steuern» (17) sowie ihn «zu begleiten und zu ergänzen» (18). Auf 119 Seiten ist so ein Text entstanden, mit dem die Kompetenz gefördert werden soll, theologische Gedanken so zu strukturieren, dass sie sich zur Verschriftlichung eignen, und über inspirative und transpirative Durststrecken hinweggeholfen werden soll, damit der Eros der wissenschaftlichen Beschäftigung nicht verlorengeht.[1]
Auch für Klöckener gilt: «Schreiben ist Handwerk» (12). Es handelt sich um ein hochkomplexes (17) Geschehen, das lange vor der Niederschrift beginnt und über den letzten getippten Buchstaben hinausgeht. Deshalb befasst sich die Autorin mit Motivationstechniken, um den Schreibprozess zu beginnen oder Schreibblockaden zu überwinden; sie zeigt, dass die Durchführung des Schreibprojekts wie eine Handwerksleistung zeitlich (26–30, 33, 87f.) und konzeptuell (52f., 78, 94f.) realistisch geplant werden kann, und erklärt detailliert die anfallenden notwendigen und sinnvollen Schritte; sie gibt Empfehlungen zur Selbstreflexion beim Schreiben und wirbt für Fremdunterstützung.
Ein «Problemskizzenindex» (118f.) formuliert FAQs, die Studierende tatsächlich haben, und verweist diese an die kompakten und verständlichen Antworten in den jeweiligen Kapiteln. Weil konkret und erfahrungsbasiert, bilden sie die Grundlage für zahlreiche (Schreib-)Übungen (31f., 51–57, 76–78, 85f., 88–91, 101f.), Gliederungshilfen (69–79) sowie mehrere Checklisten, die sich auf Form, Inhalt, Struktur und Stil beziehen (79, 94, 96f., 102). Angemessen ausführlich wird der Umgang mit Quellen und Literatur thematisiert (41–51, 54–57, 64, 83f., 98) sowie die Funktion von wissenschaftlichen Methoden erklärt (63–68).
Das rechte Maß finden zwischen Detailverliebtheit und Rundumschlag in den Herleitungs- und Durchführungskapiteln.
Die spezifischen Anforderungen für das Schreiben im Theologiestudium (36–47, 61–68, 70–76) werden im Kontext der theologischen Disziplinen (37–42) plausibilisiert, deren Beschreibung für Studienanfänger teilweise sehr anspruchsvoll sein dürfte. Die darin thematisierte Kunst der wissenschaftlichen Fragestellung (35, 58–62, 65–68, 94f.) wird für etliche Studierende womöglich ebenso neu wie hilfreich sein. Mit wachsender Studienerfahrung wird die Fähigkeit zunehmen, gute Forschungsfragen zu formulieren und sich kontinuierlich daran zu orientieren. Das sensibilisiert für das rechte Maß zwischen Detailverliebtheit und Rundumschlag in den Herleitungs- und Durchführungskapiteln und erleichtert die Formulierung eines substanziellen Schlusses.
Das 6. Kapitel befasst sich mit der am weitesten verbreiteten Form der Fremdunterstützung: dem Korrekturdurchgang. Einerseits werden hier die Schreibenden für häufige eigene Fehler sensibilisiert, anderseits dient es als Richtschnur für Korrekturleser und -leserinnen. Hilfreich für diese sind vielleicht auch Hinweise, wie ein Feedback aufgebaut und formuliert werden sollte, das über formale und orthografische Anmerkungen hinausgeht. Zu ergänzen wäre ein weiteres, wesentliches Kontrollkriterium: inhaltliche und formale Einheitlichkeit.[2]
Der Rückentext verspricht, das Buch könne zu einem Vademecum im Studium werden und «Unterstützung für ganz individuelle Bedürfnisse» bieten. Die Konsequenz aus diesem Versprechen, das der Inhalt einlöst, ist aber, dass die avisierte Zielgruppe nicht homogen ist. Die Unterschiede sind dem Fortschritt im Studium geschuldet: Wer im zweiten Semester die erste Hausarbeit überhaupt zu schreiben hat, stellt andere, im Buch nicht ausgeführte inhaltliche Fragen als jemand beim Verfassen der Masterarbeit. Bei manchen Studienanfängerinnen und -anfängern könnte aufgrund des Niveaus manch illustrierender Beispielfrage (43, 45f., 61, 65f., 70f., 73–75) der unzutreffende Eindruck entstehen, das Buch sei für sie noch ungeeignet.
Wird Studierenden signalisiert, dass ihr Opus einen wissenschaftlichen Wert besitzt?
Kritisch hinterfragt sei folgender Satz: «Ihre Hausarbeit schreiben Sie in der Regel als einen Beitrag für die wissenschaftliche Community.» (24) – Ist das so? Meist werden Hausarbeiten nicht einmal der nächstliegenden Community, nämlich den übrigen Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern, zugänglich gemacht. Auch entsteht nur selten daraus eine umfangreichere Arbeit oder eine Publikation. Vielleicht liegt dort das Problem und zugleich ein weiterer Schlüssel zur Schreibmotivation und zur Ernsthaftigkeit, mit der z. B. eine Hausarbeit entsteht: Wird Studierenden signalisiert, dass ihr Opus einen wissenschaftlichen Wert besitzt, weil sie für irgendwen (vielleicht die Seminargruppe) relevant und nicht nur eine Prüfungsleistung ist, ergibt «die ganze Arbeit» Sinn. Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit ist nicht ohne Grund zu einem Mantra von Coaches jeglicher Art geworden. Ob dieser Gedanke in einer 2. Auflage berücksichtigt werden kann – ebenso wie ein überzeugendes Beispiel zur Übung «Schreibdenken» (84f.)?
Zu empfehlen ist die Lektüre auch Lehrenden, die Studierende bei Haus- oder Abschlussarbeiten begleiten. Damit jene deren Schwierigkeiten nachvollziehen können, ist ein qualifiziertes Verständnis der Dynamik von Schreibprozessen hilfreich, um so die eigentlichen Hürden zu identifizieren und mit gezielten Maßnahmen darüber hinwegzuhelfen.
[1] In Anlehnung an das von Rainer Bucher zitierte Diktum (11), Forschung könne «auch erotisch sein, faszinierend, lockend, sinnlich, ein Spiel des Gebens und Nehmens, des Entdeckens und Verbergens»; leider fehlt genau diese Quellenangabe im Literaturverzeichnis. Sie sei deshalb hier nachgetragen und zur Lektüre empfohlen: Rainer Bucher, Die Faszination theologischer Forschung, feinschwarz.net vom 17.8.2018.
[2]Zu verifizieren ist Einheitlichkeit beim Schreiben in der Theologie etwa für den Gebrauch von Fachwörtern, für Kurztitel, Abkürzungen, Getrennt- und Zusammenschreibung, beim Gebrauch und der Reihenfolge von Vor- und Doppelnamen, bei Transkriptionen, bei der Formatierung der Gliederung, bei Zahlwörtern und Zahlen, bei Abständen in Aufzählungen oder zwischen Zahlen und Zeichen, bei Bibelstellen, für den Gebrauch von Anführungszeichen und Kursivierungen, beim Gebrauch von Hl. und hl. sowie bei der Angabe hinstorischer Quellen und latinisierten respektive gräzisierten Namen wie Augustin – Augustinus, Basilios – Basilius und vielem mehr.
Markus Zimmer, Dr., ist Kirchenhistoriker und Musikwissenschafter aus Dübendorf und arbeitet an der Universität Osnabrück. Arbeitsschwerpunkte: Germanischer Choraldialekt, Kirchenmusikgeschichte und Kirchengeschichtsdidaktik.
Buch: Monnica Klöckener: Schreiben im Theologiestudium. Unter Mitarbeit von Ludger Hiepel (Schreiben im Studium 12), utb 5850, Opladen/Toronto: Barbara Budrich, 2022. 119 Seiten. ISBN 978-3-8252-5850-4; 12.90 Euro
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