Ein Kommentar zur 4. Synodalversammlung von den Pastoralreferent*innen Esther Göbel und Konstantin Bischoff, Mitglieder der Synodalversammlung.
Auf der vierten Synodalversammlung sind unmögliche Dinge geschehen:
das Scheitern eines profunden Textes zur Reform kirchlicher Sexualethik an der Sperrminorität weniger Bischöfe zum Beispiel, mit dem im Vorfeld nicht zu rechnen war.
Da ist die Tatsache, dass queere Mitglieder die Versammlung verlassen, weil sie immer noch öffentlich in der Sitzung durch Wortwahl und Inhalte von Statements diskriminiert werden. Unmöglich — wenn auch ungleich unwichtiger — dass die nicht-bischöflichen Mitglieder permanent warten müssen, bis sich die Bischöfe untereinander abgestimmt haben, weil sie dazu vorher offenbar nicht in der Lage waren. Und unmöglich auch, dass das Präsidium ohne Rücksprache mit der gesamten Versammlung entscheidet, welche Texte aus Zeitgründen nicht behandelt werden, was verständlicherweise auf Widerspruch stößt und eine Reihe von Anträgen zur Geschäftsordnung zur Folge hat — was wiederum kostbare Verhandlungszeit kostet. Und da wäre noch manches zu nennen.
Unmöglich in einem zweiten Sinne scheint aber auch noch ganz anderes. Wir wollen hier als Delegierte der Pastoralreferent*innen und Mitglieder der Synodalversammlung benennen, welche Konfliktlinien sich aus unserer Sicht unter der Oberfläche verbergen, sprich: hinter den verhandelten Texten zum Vorschein kommen. Denn diese Konfliktlinien beruhen auf scheinbar denkerischen Unmöglichkeiten.
Die Sache mit dem Naturrecht
Seit der ersten Synodalversammlung bringen sich queere Menschen nicht nur mit sachlichen Argumenten, sondern auch mit persönlichen Statements und ihrer Diskriminierungsgeschichte in den Diskus ein. Sie beteiligen sich im Gegensatz zu anderen an den Debatten und der Erarbeitung der Texte und engagieren sich in der Bildung ihrer Mit-Synodalen zu neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen in Sachen geschlechtliche Vielfalt. Ob man es Anthropologie, Geschöpflichkeit oder (non-)binäre Geschlechterdifferenz nennt — das Problem liegt in der Frage, welche Grundannahmen über die Geschaffenheit des Menschen den eigenen Bewertungskriterien zugrunde liegen.
Die jeweilige theologische Argumentationsfigur ist in sich stimmig, aber Verständigung über Homosexualität, Trans- oder Intergeschlechtlichkeit dann unmöglich. Da hilft auch kein pastoraler Umgang, “Mitleid oder Takt” in der persönlichen Begegnung oder die Empfehlung zu sexueller Enthaltsamkeit. Diese Naturrechtslehre entstammt dem Denken des 19. Jahrhunderts. Auch die Annahme, Frauen seien als minderwertige Wesen nicht leitungsfähig, war einst absoluter Mainstream. Und auch der Schöpfungsbericht ist Kind seiner Zeit. Ist es also wirklich unmöglich, Tradition und Überlieferung auch in der Frage nach Geschlechtlichkeit und Geschlechterbild zu kontextualisieren und daraus Konsequenzen zu ziehen? Denn es hält ja auch intellektuell niemand mehr an der 7-Tage-Schöpfungsfrist fest.
Die Sache mit der Ständekirche
Viele Bischöfe rühmen sich, dass sie sich gerne von Laien beraten lassen. Synoden, auch unter Beteiligung von sogenannten Laien, gibt es tatsächlich fast seit Anfang der Kirche. Wenn allerdings jede echte Entscheidung in der Kirche dann doch der Hierarchie, sprich einem geweihten Amtsträger, vorbehalten bleibt, dann greift das für viele heute zu kurz. Für andere ist aber genau das die Grundlage des Katholischen schlechthin, und ein Bischof, der schon nur der Errichtung eines synodalen Rates zustimmt, schafft damit angeblich die Episkopalität ab. Erstaunlich, denn dieser wird ja ohnehin keine echte Entscheidungskompetenz haben. Ein Gremium mit Selbstbindung der Hierarchie oder echtem Stimmrecht für Laien scheint unmöglich.
Auch die neu beschworene Synodalität bleibt dabei im gut katholischen Dreischritt Sehen-Urteilen-Handeln beim Sehen, also Hören, stehen. Das Urteilen und Handeln bleibt den Geweihten vorbehalten. Oder kurz: Beraten ja, Entscheiden nein. Aber ist es wirklich unmöglich, auch hier festzustellen, dass dieser unüberbrückbare Graben zwischen beratungsfähigen Laien und entscheidungsberechtigten Klerikern sich geschichtlich entwickelt hat? Bringt ein erneuertes Amtsverständnis wirklich die sakramentale Grundstruktur der Kirche ins Wanken? Auch in dieser Frage böten eine Besinnung auf geschichtliche Entwicklungen von Amt und Amtsverständnis einen Ausweg aus der scheinbaren Unmöglichkeit.
Die Sache mit dem Treueeid
Im Nachgang des Scheiterns des Grundtextes zur Reform der Sexualmoral an der bischöflichen Zwei-Drittel-Mehrheit wurde eine für viele neue Argumentationslinie deutlich: Bischöfe berufen sich bei der Ablehnung von Texten auf ihren Treueeid und ihre Verpflichtung, für die Einheit zu sorgen und die Tradition treu zu bewahren. Sie erklären mit spürbarer innerer Not, einer Erneuerung nicht zustimmen zu können, weil sie damit angeblich ihr Amt verraten. Was für ein unterkomplexes Traditions- und Treueverständnis liegt dem zugrunde? Ist es wirklich unmöglich, den bischöflichen Treueeid in dynamischer Weise zu verstehen und aus intellektueller Einsicht oder vor der Redlichkeit des eigenen Gewissens einer Sache zuzustimmen, die nicht der aktuell gültigen Lehre, sondern ihrer Weiterentwicklung entspricht? Verlangt er das nicht sogar? Und dass dies zumindest nicht gänzlich unmöglich ist, beweisen Statements und Abstimmungsverhalten der Mehrheit der Bischöfe.
Unmöglichkeiten angehen
Wenn wir diese angeblichen denkerischen Unmöglichkeiten benennen, soll das nicht Verständnis für die Minderheitenposition wecken. Es soll die Aufgabe noch klarer skizzieren, das angeblich Unmögliche anzugehen und nicht mehr Zeit zu erbitten oder kleinere Schritte zu gehen. Hürden werden nicht niedriger, wenn man den Anlauf verlängert oder kleinere Schritte macht.
Die Krise des Bischofsamtes ist nicht mehr zu übersehen. Es geht ein tiefer Riss durch die Reihen des Episkopats. Manches in der Diskussion ist von solch theologischer Schlichtheit, dass es nicht nur die entsprechende einzelne Person, sondern das Bischofsamt insgesamt beschädigt. Den Bischöfen obliegt aufgrund ihrer Vollmacht die Leitung dieser Kirche und ihrer Gemeinschaft. Das bedeutet eben nicht, selbstherrlicher und/oder trotzköpfiger Bestimmer zu sein, sondern vor allem prozessuale Verantwortung für die Krise der Kirche zu übernehmen, für den respektvollen Austausch von Argumenten zu sorgen, Kompromisse und Verständigung herbeizuführen und mehrheitsfähige Positionierungen vorzunehmen.
Krise des Bischofsamtes
Doch offenbar haben die deutschen Bischöfe erst auf dieser Versammlung angefangen zu verstehen, dass die verschiedenen Themen nicht nur wichtig, sondern inzwischen auch mehr als dringlich sind. Aussitzen ist keine Option mehr und Hausaufgaben gehören gemacht. Bischof Dieser hat es selbst gesagt: Die konservative Seite mache ihre Sache nicht gut genug. Er erlebe in ihren Reihen Polemik, selbstreferentielle Klagen, Argumente, die auf Verzögerung setzen und solche, die auf Vertagung irgendwoanders hin setzen. Das ist aber viel zu wenig. Zugleich lernen aber auch die Reformorientierten scheinbar erst jetzt, miteinander zu reden, sich zu vernetzen und Mehrheiten zu organisieren.
Wenn es noch einer Begründung dafür bedurft hätte, dass bischöfliche Leitungsvollmacht synodale Ergänzung braucht: Diese Synodalversammlung war eine! Die deutschen Bischöfe haben nicht nur die Expertise von Theolog*innen in der Sachargumentation bitter nötig, sondern auch Nachhilfe in Sachen Leitung, Prozesssteuerung, Kommunikation, Konfliktkultur und Rollenklarheit. Sie sollten — und viele sind es ja auch — dankbar sein, dass die anderen Synodalen so unendlich viel Langmut mit ihnen zeigen.
Wenn es nicht gelingt, die wirklich nur scheinbar unmöglichen Dinge anzugehen, wird eine Mitarbeit für uns sonst irgendwann tatsächlich unmöglich.
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Esther Göbel und Konstantin Bischoff sind vom Berufsverband der Pastoralreferent*innen Deutschlands gewählte Delegierte des Synodalen Weges.
Beitragsbild: Synodaler Weg/Maximilian von Lachner