Finanzbetrug, fehlerhafter Umgang mit kirchlichem Vermögen oder sexueller Missbrauch – wird solches öffentlich, reagieren Kirchenvertreter gerne mit zerknirschten Schuldeingeständnissen. Doch genügt dies? Thomas Schüller sagt nein: Vielmehr ginge es darum, persönlich Verantwortung zu übernehmen.
Zwei Themen treiben die katholische Kirche aktuell stark um: der Umgang der Bischöfe in der Vergangenheit mit sexuellem Missbrauch und der Umgang mit kirchlichem Vermögen. Die Skandale in beiden Themenfeldern reißen nicht ab.
Wer trägt die Verantwortung?
Die Diözese Gurk zeigt sich selbst an, weil bei einem Immobiliengeschäft augenscheinlich steuerrechtliche Verstöße offenkundig wurden, die noch in der Verantwortung des ehemaligen Bischofs lagen. In Eichstätt testiert ein umfänglicher Untersuchungsbericht, wie es zum Verlust von einem hohen zweistelligen Millionenbetrag kommen konnte durch nicht abgesicherte Immobiliengeschäfte in den USA. Ein männerbündisches klerikales System im Domkapitel habe ein Feuchtbiotop ermöglicht, in dem Betrug und unverantwortlicher Umgang mit dem Vermögen der Gläubigen leichtfertig möglich wurde. Grundlegende vermögensrechtliche Vorschriften des kirchlichen Rechts seien missachtet und zum Teil über lange Jahre gar nicht beachtet und umgesetzt worden. Filz, Selbstbedienungsmentalität und fehlende Kontrolle seien wesentliche Folgen dieses kollektiven Versagens. Wer trägt die Verantwortung? Reicht es aus, tief beschämt zu sein, aber weiter zu machen, als sei nichts geschehen?
Missbrauch durch Kleriker gedeckt und vertuscht
Beim Thema sexueller Missbrauch wird für die neu ins Amt gekommenen Bischöfe, zum Beispiel in Hildesheim, Limburg, aber auch in Münster und Freiburg immer deutlicher, dass ihre Vorgänger systematisch zusammen mit ihren Generalvikaren und Personalchefs über Jahrzehnte sexuellen Missbrauch durch Kleriker gedeckt und damit willentlich vertuscht haben müssen.
Wie soll man damit umgehen? Die verstorbenen und noch hochbetagt lebenden Bischöfe beim Namen nennen, wie in Hildesheim und Freiburg geschehen, oder warten und hoffen, dass die noch Lebenden öffentlich ihr Versagen und ihre Schuld bekennen, wie es beispielsweise vorbildlich der Altbischof von Erfurt Wanke getan hat?
Wer übernimmt persönlich Verantwortung?
Dies trifft alle Bistümer und vor allem auch Bischöfe, die in ihren Diözesen verehrt und bewundert werden bis auf den heutigen Tag. Götterdämmerung für Helden der Vergangenheit? Wer übernimmt persönlich Verantwortung oder muss die unerträgliche Redeweise von „Wir als Kirche haben versagt“ dafür herhalten, dass bischöfliche Verantwortung für schwerste Straftaten weiterhin im Sinne des Institutionenschutzes dem Volk Gottes als Ganzes aufgebürdet wird, das nichts für diese verwerflichen Amtspflichtverletzungen mit dem entsetzlichen Leid für die geschändeten Kinder und Jugendlichen zu tun hat. Wer trägt Verantwortung?
… auch rechtlich im Sinne der Amtspflichten und deren grob fahrlässiger Verletzung
Wer als Kirchenrechtler mahnt, auch rechtlich im Sinne der Amtspflichten und deren grob fahrlässiger Verletzung sich selbst zu befragen, ob man nicht auch zumindest moralisch oder sagen wir politisch Verantwortung zu übernehmen bereit ist, erntet Kopfschütteln, wird zum Nestbeschmutzer erklärt oder bekommt verwerfliche Absichten unterstellt. Dabei geht es um die einfache Frage, die durchaus viele Menschen in ihrem Leben erfahren, ob man für eine Sache, die man gar nicht persönlich getan oder unterlassen hat, für die man aber von Amts wegen die Verantwortung trägt, seinen Kopf hinhält und bekennt: ja in meinem Verantwortungsbereich sind schlimme Dinge passiert und ich übernehme hierfür die Verantwortung. Dies kann durchaus als Größe ausgelegt und verstanden werden und hilft auch, Wunden zu heilen.
Verantwortung ist hingegen eine Haltung, die charakterliche Größe und Souveränität fordert.
Mir steht in diesem Kontext immer noch der ehemalige Bundesinnenminister Seiters vor Augen, der nach einem missglückten polizeilichen Zugriff auf einen RAF-Terroristen die politische Verantwortung übernahm und zurücktrat. Dieser integre Politiker hatte ein feines Gespür dafür, was Verantwortung in einem hohen Staatsamt bedeuten kann. Ein solches Gespür vermisse ich zurzeit bei vielen Bischöfen. Ganz gleich ob es um Seelenmord an Kindern und Jugendlichen geht oder um kriminellen Umgang mit dem Vermögen der Gläubigen. Und man komme jetzt nicht mit dem 8. Kapitel aus dem Johannesevangelium und dem Hinweis, wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Sünder sind wir alle und bedürfen der Vergebung Gottes. Verantwortung ist hingegen eine Haltung, die charakterliche Größe und Souveränität fordert. Auch wenn es das Amt kosten mag.
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Thomas Schüller ist Professor für Kirchenrecht und Direktor des Instituts für Kanonisches Recht an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster.
Beitragsbild: Eichstätter Dom, © Cgiallareto auf Wikipedia Commons