Kolumne für die kommenden Tage 40
Gespräche gehören zu meinem Beruf – ganz gleich, ob im Voraus vereinbart und mit klarem Setting oder zwischen Tür und Angel oder an der Kirchentür. In diesen Tagen haben sich gerade diese ungeplanten Gespräche „symptomatisch“ für die Corona-Zeit verändert und verdichtet: Viel schneller geht es um das Wesentliche, das Persönliche. Drei Beobachtungen dazu:
1) „Früher“ war bei Telefongesprächen der Eingangsdialog: „Wie geht´s?“ „Gut. Dir?“ „Auch.“ Insgesamt vielleicht fünf Sekunden oder auch mal etwas ausführlicher, dann war der Dialog in 25 Sekunden oder einer halben Minute vorbei. Heute hat diese Frage in fast allen meinen Telefonaten einen festen Platz – und kann schon mal eine ganze Weile dauern. Es ist kein Austausch von Belanglosigkeiten, sondern wir gewähren uns gegenseitig Einblick in unseren aktuellen Zustand – in die Freuden und die Ängste, in das, was schiefläuft und schräg ist und was gut läuft und schön ist.
2) Vor ein paar Tagen postete ich: „Ich bin #ansprechbar – egal mit was.“ Keine fünf Minuten später ruft eine Jugendliche an und erzählt von ihrer Familie und davon wie gerne sie wieder etwas mit ihren Freundinnen unternehmen würde, von Fragen die sie hat und von der Dankbarkeit, dass es ihr und ihrem Umfeld so gut geht. Noch während wir telefonieren klingelte mein Telefon mehrmals. Nach dem Telefonat stellte ich fest, es war 4 Mal der gleiche Firmling. Fast schon ein wenig besorgt rufe ich schnell zurück. Er meldet sich fröhlich und auf meine Frage „wie geht es Dir? antwortet er nur kurz „das erzähl ich Dir später, aber jetzt will ich erstmal wissen, wie geht es Dir?“ und ich erzähle von mir. Nun wird er für mich zu dem, der ansprechbar ist.
3) Vor einigen Wochen, gerade als sich in Europa die Situation verschärfte und die Einschränkungen begannen, erreichten mich Nachrichten von Freund*innen und von Mitbrüdern aus Südamerika. Die Pandemie hatte zu dieser Zeit diesen Kontinent noch nicht erreicht. Sie fragten, wie es uns in Europa gehen würde. Auch aus Spanien, dort hatte ich studiert, erreichen mich fast täglich Nachrichten und Fragen und ich frage zurück, wie denn es ihnen dort gehe, und erzähle von hier, meiner Kommunität und unserer Gemeinde. All diese Kontakte und der Austausch haben sich intensiviert bzw. sind nach langer Zeit wieder aufgelebt.
Natürlich gibt es auch die Gespräche, die nur mal schnell sind. Aber – ob auf der Straße, am Gartenzaun, auf der Kirchentreppe oder, sicherlich zahlenmäßig am meisten, per Telefon oder verschiedenster Apps – die tiefgehenden persönlichen Kontakte haben sich erweitert, die ernsthaften Gespräche über das, was uns persönlich bewegt, sind deutlich mehr geworden.
Auch wenn in vielen dieser Gespräche ein gemeinsames Kaffeetrinken oder ein Glas Wein, ein kräftiger Händedruck oder ein leise geflüstertes Wort von zwei Köpfen, die in schwieriger Situation zusammenstecken, fehlen und es so viel angenehmer und schöner wäre, bin ich unendlich dankbar für diese Erfahrungen der verdichteten, zwischenmenschlichen Gespräche. Für mich eine Bereicherung, ein Zusammenrücken, ein gemeinsames sich Stärken – ein neues, anderes Miteinander.
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Autor: Fabian Loudwin SJ, arbeitet als Kaplan in der Gemeindepastoral in Frankfurt
Foto: Yuvraj Singh / unsplash.com