Immer ein Männchen und ein Weibchen zu zweit auf die Arche Noah? Julia Enxing befragt christliche Schöpfungstheologie kritisch auf ihre binären Metaphern und plädiert für eine queere Theologie der Vielfalt und Verbundenheit.
„It’s that, fully and properly, ecology is queer theory and queer theory is ecology:
queer ecology.”[1]
Theologie im Anthropozän
Was vor 66 Millionen Jahren ein zehn bis fünfzehn Kilometer großer Asteroid bei seinem Absturz auf Yukatan bewirkte, bewirken wir heute: Ein weiteres Artensterben. Wir Menschen sind zum Kometen geworden – eine verstörende Erkenntnis im Zeitalter des Menschen, dem Anthropozän. Diese Störung im Selbstbild der intelligentesten Spezies, der einzigen Spezies, die, wie es nach wie vor heißt, eine Vorstellung ihrer Zukunft habe (und diese so aktiv wie keine andere gefährdet). Diese Bildstörung, bildet den Ausgangspunkt meiner Überlegungen. Ich nehme eine Zeit wahr, in der es die Aufgabe der Theologie ist, ihre eigenen Bilder und Paradigmen zu überdenken und (wieder) zu weiten.[2] Geschichten bilden das „Rohmaterial der Theologie“, wie Dietrich Ritschel es ausdrückte.[3] Oder mit Donna Haraway gesprochen: „Es ist von Gewicht, welche Gedanken Gedanken denken. Es ist von Gewicht, welche Wissensformen Wissen wissen. Es ist von Gewicht, welche Beziehungen Beziehungen knüpfen. Es ist von Gewicht, welche Welten Welten verweltlichen. Es ist von Gewicht, welche Erzählungen Erzählungen erzählen.“[4] Und die Bibel ist voll von Geschichten; Theolog*in zu sein bringt es deshalb stets mit sich, Storyteller*in zu sein. Doch, was kann es bedeuten, wenn Ralph Kunz sagt: „Was uns interpretiert, muss von uns interpretiert werden“[5]? Welche Geschichten erzählen wir von G*tt angesichts von Artensterben, Klimakatastrophe, Eco-Grief und Eco-Anxiety? Angesichts der prekär gewordenen Lebenssituation vieler Menschen, Tiere und Pflanzen? Welche (schöpfungs)theologischen Metaphern finden wir, um die Vielfalt des Lebens nicht nur abzubilden, sondern für deren Erhalt und Entfaltung auch politisch und solidarisch einzustehen? Celia Deane-Drummond greift in ihrer Theologie der Schöpfung immer wieder auf den Gedanken Hans Urs von Balthasars zurück, dass Theologie und Drama sich in einer Theodramatik treffen. Sie holt uns mit auf die Bühne, auf eine Bühne, in der es keine neutralen Akteur*innen gibt, keine unschuldigen und unbeteiligten Statist*innen. Auf der Bühne des Lebens spielen alle Lebewesen mit – nicht nur die menschlichen, die männlichen, die weißen, die …!
Eine Theologie, die in diesem Lebensdrama produktiv und hoffnungsweisend von G*tt sprechen möchte, ist per se stets auf Spurensuche: Welche Narrative eignen sich, welche Quellen tun sich (neu?) auf, die eine Hermeneutik des Perspektivwechsels initiieren könnten? Welche Ressourcen hält die Theologie bereit, G*tt so zu denken, wie Papst Franziskus es in seinem Gebet an die Erde formuliert: „[…] Gott, der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist und im kleinsten deiner Geschöpfe, der du alles, was existiert, mit Deiner Zärtlichkeit umschließt“[6]? Keine Frage, Theologie steht immerzu vor der Herausforderung, eine G*ttes- und Glaubensgewissheit zu formulieren, die vor dem Forum der Vernunft standhält und das heißt auch: mit den Erkenntnissen anderer Wissenschaften kompatibel ist.
Theologie macht es so zu ihrem eigenen Anspruch, zu kontextualisieren, was es heißt, das Reich G*ttes immanent-transzendent zu denken, zu verkündigen und zu erfahren, d.h. das Reich G*ttes als angebrochenes, aber noch nicht vollendetes zu begreifen. Damit ist ihr Auftrag verbunden, einen Beitrag (theoretisch wie praktisch) zum Frieden zu leisten – Frieden wiederum verlangt Gerechtigkeit – soziale, ökologische, intergenerationelle, planetarische, wirtschaftliche und Geschlechtergerechtigkeit – und damit ist Theologie stets politisch. So etwas wie eine unpolitische oder unparteiische Theologie kann es meines Erachtens nicht geben.
Dass es eine Neubestimmung von Schöpfungstheologien braucht, ist nicht erst seit Laudato si‘ oder Laudate Deum und auch nicht erst seit den aktivistischen Aktionen von Fridays for Future, Extinction Rebellion oder der Letzten Generation bewusst. Bereits seit der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts warnen Wissenschaftler*innen vor einem massiven Artensterben, vor dem Verlust von Biodiversität, und vor Extremwetterlagen.[7] Damit warnen sie seit langem auch vor einem Kampf um knapper werdende Ressourcen – und damit vor Flucht, Krieg und Gewalt. Und auch wenn wir Europäer*innen noch im Warmen sitzen, darf uns das alles nicht kalt lassen.
Doch: Was sagt Theologie zu alldem? Wo ist G*tt? Was können wir von der Schöpfung über die Schöpfung lernen? Welche theologischen Metaphern erlauben es, G*tt nicht jenseits all dessen, sondern „mittendrin statt nur dabei“ zu denken? Und: welche Denkformen gilt es zu dekonstruieren, damit sich eine konstruktive, lebensfreundliche und vitale G*ttesrede entfalten kann?
Schöpfungstheologie ist eine intersektionelle Theologie, denn wer sich mit den Kreaturen und Ko-Kreaturen, mit Kreatürlichkeit und Kreation befasst, merkt schnell, dass sich zunächst die Frage aufdrängt, wer eigentlich die Geschöpfe sind, die im Fokus einer Schöpfungstheologie, einer G*ttesrede des Geschöpfs stehen? „Ich muss als jemand erkennbar sein, um anerkennungsfähig zu sein“[8], formuliert Hannah Engelmann-Gith. Welche Lebewesen sind es, die die Theologie als „jemand“ erkennt? Um welchen und um wessen Leben geht es hier eigentlich? Für wen oder was betreiben wir Schöpfungstheologie? Wer ist Teil dieser Schöpfung, die hier reflektiert und diskutiert wird, und zu wessen Gunsten wird argumentiert? Wer Schöpfungstheologie betreibt, trifft Vorentscheidungen: Welches Leben erkennen wir überhaupt als Leben an? Wer oder was ist ein Geschöpf und inwiefern? Welches Leben ist es wert, dass es in den Fokus unserer Aufmerksamkeit und unseres Nachdenkens gerät? Welches Leben ist es wert, geschützt und geliebt zu werden? Welches Leben hat ein Recht auf Unversehrtheit? Welches Leben ist es, zu dessen Lebensbedingungen wir geworden sind? Intersektionelle Forschung macht sichtbar, dass sich Ausschließungs-, Abwertungs-, Diskriminierungs- und Otherings-Tendenzen gegenseitig verstärken.[9] So auch in der Schöpfungstheologie.
In diesem Beitrag geht es mir darum aufzuzeigen, dass jene Schöpfungstheologien gefährlich sind, die eine Vorauswahl im Geschöpf-Sein treffen. Es geht mir darum, ausschließende Denkmuster und Metaphern zu dekonstruieren und ihnen – beispielhaft! – aufschließende Denkwege und Metaphern entgegenzuhalten, die sich theologisch besser dazu eignen, die Vielfalt der Geschöpfe sichtbar zu machen.
Religion, so hat es Johann Baptist Metz einmal formuliert, bedeutet „Unterbrechung“[10]. Im Folgenden möchte ich zwei sehr unterschiedliche Ansätze vorstellen, die je auf ihre Weise eine Unterbrechung, eine Irritation und Inspiration für eine Neubestimmung des Schöpfungsbegriffs sein können. Und genau deshalb erachte ich sie als klug: sie können uns unterbrechen in unseren bisherigen Denkwegen.
Verführe uns – Arche Noah! Oder: Gute Gründe für polydoxe Theologien
Es gibt wenige biblische Erzählungen, die so häufig Eingang in Kinderbücher und auch Aufführungen für Kinder gefunden haben, wie die Geschichte der Arche Noah. In den üblichen Darstellungen wird allerdings oft übersehen, dass es sich hierbei um eine durchaus kritikwürdige Erzählung der Selektion und des Ausschlusses handelt. Davon hat sich auch Isabella Rossellini irritieren lassen und sich der Absurdität des Ausschlusses gestellt. Die italienisch-amerikanische Schauspielerin, Künstlerin, Regisseurin und Intellektuelle hat einen eigenen Video-Kanal, Sundance TV, in dem zahlreiche provokative, teils auch sehr humorvolle Videos zu finden sind. Sie nennt die Reihe „Green Porno“.[11] Einer dieser Kurzfilme trägt den Titel „Seduce me – Noah’s Ark“:
https://www.youtube.com/watch?v=3WBr7aVADtU
Es handelt sich um eine queere Nacherzählung der Arche Noah-Geschichte. Die Leitfrage Rossellinis, welche sie auch uns, den Zuschauenden, direkt stellt, lautet: „How did Noah do it?“, „How did he manage to organize all animals into couples?“
Theologisch interessant ist dabei, dass Rossellini mit der biblischen Arche Noah-Geschichte (Gen 6 bis 9) auf eine Schlüsselstelle für die Bestimmung des Verhältnisses von G*tt und Schöpfung Bezug nimmt. Mehr noch, es handelt sich dabei nicht nur um eine zentrale Stelle, die etwas vom post-paradiesisch durchaus angespannten Verhältnis G*ttes zur Schöpfung erzählt. Vielmehr gibt die Arche Noah-Geschichte insgesamt Aufschluss über unser Denken: Sie ist repräsentativ für eine (heute noch wirksame) Denkstruktur und Wahrnehmung der Welt in Dualismen, mehr noch, in heterosexuellen Dualismen:[12]
Hierzu nur einige Passagen[13] aus dem Buch Genesis zur Rekapitulation:
6,19 Von allem, was lebt, von allen Wesen aus Fleisch, führe je zwei in die Arche, damit sie mit dir am Leben bleiben; je ein Männchen und ein Weibchen sollen es sein.
6,20 Von allen Arten der Vögel, von allen Arten des Viehs, von allen Arten der Kriechtiere auf dem Erdboden sollen je zwei zu dir kommen, damit sie am Leben bleiben.
7,2 Von allen reinen Tieren nimm dir je sieben Paare mit, Männchen und Weibchen, und von allen unreinen Tieren je ein Paar, Männchen und Weibchen,
7,3 auch von den Vögeln des Himmels jeweils sieben, männlich und weiblich, um Nachwuchs auf der ganzen Erde am Leben zu erhalten!
7,8 Von den reinen und unreinen Tieren, von den Vögeln und allem, was sich auf dem Erdboden regt,
7,9 kamen immer zwei zu Noach in die Arche, männlich und weiblich, wie Gott es Noach geboten hatte.
7,15 Sie waren zu Noach in die Arche gekommen, immer zwei von allen Wesen aus Fleisch, in denen Lebensgeist ist.
7,16 Und die kamen, waren männlich und weiblich; von allen Wesen aus Fleisch kamen sie, wie Gott ihm geboten hatte.
Dass es sich also stets um Paare – männlich und weiblich – handeln muss, wird in der Arche Noah-Geschichte gleich mehrfach betont. Fruchtbarkeit, Fortpflanzung und damit die Erfüllung des Schöpfungsauftrags – die Erde solle bevölkert und „bewimmelt“ werden –, werden hier, den Erkenntnissen und Annahmen der damaligen Zeit entsprechend, rein heterosexuell, dualistisch gedacht.
Was Rossellini in „Seduce me – Noah’s Ark” humoresk aufzeigt, bedeutet für die Theologie: Es ist nicht unplausibel, dass die Autoren der Noah-Geschichte ein heterosexuell-binäres Verständnis von Fruchtbarkeit und Vermehrung hatten. Unplausibel ist, daraus ein normativ-orthodoxes Schöpfungsverständnis für eine Theologie des 21. Jahrhunderts abzuleiten. Wer nun meint, dass dies nicht passiere, dass ein solches Denken doch längst auch binnentheologisch überholt sei, die*der lese das im Jahr 2019 von der Vatikanischen Kongregation für das Katholische Bildungswesen veröffentlichte Papier „Als Mann und Frau schuf er sie. (Für einen Weg des Dialogs zur Gender-Frage im Bildungswesen)“[14].
Wenn Religion mitunter und in Anlehnung an den bereits erwähnten Metz als „Unterbrechung“ beschrieben werden kann, dann lässt sich Rossillinis Werk auch als ein religiöses beschreiben, insofern es eine Unterbrechung darstellt, übliche Denkmuster durchbricht und die Zuschauenden auf blinde Flecken und – mitunter durch theologische Narrationen gerechtfertigte – Exklusionsmechanismen aufmerksam macht. In dem internationalen Kunstmagazin „Numéro Cinq“ werden ihre Arbeiten tatsächlich auch als „Ruptur” beschrieben; Rossellini repräsentiere das, was wir beschlossen haben nicht zu beachten, da es uns nicht widerspiegelt.[15] Auf die Frage, weshalb sie so vorgeht, antwortet Rossellini:
„I think that if you know how incredibly mysterious and varied and eccentric and strange and fascinating nature is, you hopefully will take care of it. I mean, I hope. I don’t know how to dictate that. But I try to convey my emotion when I see animals, which is that somehow animals strike me as funny. And then also infinitely mysterious and scandalous at times.”[16]
Aus Perspektive der heutigen Biologie hat Noah sich mit der Vorstellung, das Leben auf unserem Planeten allein durch heterosexuelle Paare fortbestehen zu lassen, eine nervenaufreibende Aufgabe gestellt. Rossellini verdeutlicht dies anhand des Regenwurms (ein sehr wichtiges Lebewesen, ohne das die Fruchtbarkeit der Böden nicht gewährleistet wäre). Der Regenwurm ist indes ein Hermaphrodit. „You!“, klagt G*tt den Regenwurm an, während dieser sich die Rampe zur Arche hochwindet. „Why are you alone?“ […] Und dann entspinnt sich Rossellinis Midrash-artige Wiedererzählung[17] der Arche-Geschichte weiter: Neben Hermaphroditen (Regenwurm), treten Tiere hervor, die ihr Geschlecht (Sex) ändern, wie die Amerikanische Pantoffelschnecke Crepidula fornicata, parthenogenetische Spezies, d.h. solche, die sich jungfräulich fortpflanzen, wie die Blattläuse, die Aphids, und andere wie die Schienenechse (Whiptail lizard), die sich rein weiblich fortpflanzt und dabei wiederum nur weibliche Nachkommen hervorbringt. All diese, so wird deutlich, verkomplizieren G*ttes Auftrag „one male, one female!“
Die Frage, mit der Rossellini die Zuschauenden (uns!), ins Mini-Theaterstück hineinholt „How did Noah do it?“ gibt sie uns am Ende gleich nochmals mit auf den Weg: „How did Noah do it – hermaphrodite, transvestites, transgender, transsexuals, polygamy, monogamy, homosexual, bisexual – how could it all be heterosexual?“ Offensichtlich ist: Die Frage ist eine rein rhetorische. So, rein dualistisch, rein heterosexuell, kann Leben, wie wir es kennen, nicht fortbestehen. Selbstverständlich handelt es sich beim Narrativ der Arche Noah um einen Mythos, der sich nicht einer literalen Logik unterwerfen lässt. Und dennoch hat die Rezeptionsgeschichte genau dies getan und tut es – wenn auch subtiler und in unterschiedlicher Couleur – bis heute.
Längst haben Naturwissenschaftler*innen der biblischen Noah-Geschichte hinsichtlich ihres Aussagegehalts über biologische Erkenntnisse und Fakten über das Leben, auf ihre Aussagen über Reproduktion sowie die sich reproduzierenden Subjekte, die Argumentationskraft entzogen. Damit werden die theologischen Stimmen dekonstruiert, die nach wie vor ein dualistisches Welt-, Schöpfungs-, und Naturverständnis auf biblischer Grundlage aufrechterhalten möchten. Konfrontiert man die Noah-Geschichte mit biologischen Fakten, so hält sie nicht länger für eine Denkweise stand, die bestimmte (heterosexuelle!) Lebensformen und Beziehung zum Kriterium des Guten oder zur Norm erhebt und jegliche Abweichung als abartig oder abnorm stigmatisiert. „Those theological viewpoints often scapegoat queer lives by calling them deviant”[18], betont Jacob Erickson.
Es ist eine starke Kontrasterfahrung, dass nach einer derart binären Erzählung, es gerade der Regenbogen ist, der am Ende der Noah-Geschichte für die Liebe und Treue G*ttes zu „allem Leben auf der Erde“ (Gen 9,10; Hervorhebung J. E.) steht und bis heute zum Symbol queeren Lebens weltweit geworden ist. Fast scheint es, als reute G*tt auch G*ttes binärer Blick, und G*tt schreibe uns für alle Zeit ins Gedächtnis, dass G*ttes Liebe eine vielfältige ist, eine sich in der Vielfalt des Lebens repräsentierende.[19]
Indem unsere gängigen Vorstellungen biologisch-sexueller Reproduktion unterwandert werden, fordert Rossellini subversiv eine breite, inklusive und plurale Lesart. Eine solche Hermeneutik – also eine Kunst des Verstehens und Auslegens – die Vielfalt zulassen kann, erachtet auch Catherine Keller als essentiell für unsere Theologien. Sie nennt sie „polydox“[20] – und grenzt sich damit sowohl von orthodoxen als auch heterodoxen Lesarten ab. Dies ist insofern bedeutend für die Argumentationskraft von Theologie, als dass sich heterosexuelle, dualistische Vorstellungen – wie die interdisziplinäre Forschung längst verdeutlicht hat – als lebensfern und naiv erweisen, werden sie 1:1 auf nicht-menschliche Geschöpfe übertragen. Doch: Auch auf menschliche Geschöpfe lassen sie sich nicht übertragen. Zum einen ist die ontologische Grenze zwischen Mensch und Tier längst nicht als kategoriale, sondern als graduelle zu bestimmen. Um nur einen (allerdings den für viele überzeugendsten) Hinweis der biologischen Erkenntnisse zu nennen: Unsere DNA stimmt zu 98,7% mit jener der Bonobos überein und weist damit eine viel größere Ähnlichkeit auf als beispielsweise jene zwischen Bonobo und Hund.[21] Welche Argumente sprechen noch dafür, von einem „Tierreich“ zu sprechen und was genau soll das sein? Wer ließe sich hierunter kategorisieren und vor allem: Weshalb sollten wir das tun, wo wir es doch längst besser wissen? In der Dialektik der Aufklärung heißt es: „Klassifikation ist Bedingung von Erkenntnis, nicht sie selbst, und Erkenntnis löst die Klassifikation wiederum auf.“[22] Welche Motive und welche Motivation stecken hinter unserer Klassifikationswut? Weshalb gehen wir also davon aus, dass trotz allem Wissen um Gradualitäten, „es“ bei uns so anders sei? Dass andere Körper „bodies radically different than our own“[23] seien? Hat G*tt wirklich drei Reiche geschaffen? Das heterosexuelle Reich der Menschen, das queere Erdreich aller nicht-menschlichen Akteuer*innen und das asexuelle Himmelreich?
Erickson bringt es wie folgt auf den Punkt:
„At this point, we might deduce yet another subversion. If neither assumptions of scripture nor projections of biology fully encapsulate actual life, then what about the question implicates human beings? Not all of human reality – yours, mine – is heterosexual, despite the assumptions of heterosexism structuring various oppressive regimes. The analogy is such – if animals, in their sexual and biological diversity, are more complex than a certain reading of the biblical text indicates, might not the sexuality of human animals be more complex as well? Might human beings themselves corporealize a diversity of sexes, sexualities, genders, and relationships?”[24]
An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass ebenso, wie es ein naturalistischer Fehlschluss ist, von einer vermeintlichen Annahme einer binären Sexualität im Tierlichen auf eine „natürliche“ binäre Sexualität im Menschlichen zurückzuschließen, es umgekehrt auch ein Fehlschluss wäre, von einem queeren Tierlichen auf ein per se Gegebenes queeres Menschliches zu schließen.[25] Dies würde bereits dem Verständnis von Queerness widersprechen. Einem „Thinking with Animals“, wie Erickson, Smillo Ebeling u. a. es betreiben, geht es um Folgendes: „Es gilt, Heteronormativität durch Queerness auszubremsen, aufzubrechen und heterosexuelles Verhalten neu einzuordnen als einen Teil von Vielfalt.“[26]
Ich stelle hiermit nur ansatzweise vor, was sich im internationalen Raum in den vergangenen Jahren unter dem Stichwort und Buchtiteln wie „Queering the Non/Human“[27], „Queer Ecologies“[28] oder jüngst „Queere Tiere“[29] und „Queer Ecofeminism“[30] als eigener – und dabei in hohem Maße intersektioneller – Forschungszugang entwickelt hat. Die hier gestellten Forschungsfragen lauten etwa: Was ist das Natürliche/Natur und wie stellt sich das Verhältnis von Natur zu Kultur dar, wie sähe eine Neubestimmung von „Leben“ aus, gingen wir davon aus, dass das Natürliche queer ist? Diesen Theorien und Theologien geht es nicht darum, Queer Theory in die Schöpfungstheologie zu injizieren, vielmehr argumentieren sie dafür, dass Schöpfung per se queer ist. Timothy Morton formuliert es wie folgt:
„Ecology and queer theory are intimate. It’s not that ecological thinking would benefit from an injection of queer theory from the outside. It’s that, fully and properly, ecology is queer theory and queer theory is ecology: queer ecology. “[31]
Somit wird eine Aufmerksamkeit auf die intersektionelle, pluriforme Ausgrenzung und Vernachlässigung von Ökologie und Queerness in unseren Theologien gelenkt. Beide Bereiche wurden in den bisherigen Theologien zu wenig bedacht bzw. lediglich als „Exkurs“ betrachtet. Weder für die „Schreie der Natur“[32] noch jene der queeren Lebewesen hatte die Theologie ein offenes Ohr. Erickson spricht von einer „twin ghettoization of LGBTQ voices and earth”[33]. In diesem Zusammenhang weist er auch auf einen Widerspruch hin: Homosexualität wird einerseits als etwas „Unnatürliches“ (und damit ‚von G*tt so nicht Vorgesehenes oder Gewolltes‘) stigmatisiert, andererseits wird Homosexualität oft als „allzu natürlich“, als „animalisch“ und damit zu weit entfernt von unserer „menschlichen Kultur“ abgelehnt.[34] Die Willkür solcher Argumentationslinien gilt es zu durchbrechen, zu dekonstruieren.
Mit Rossellini, Erickson und weiteren Vertreter*innen einer Queer Eco-(Theo)logy habe ich bislang aufgezeigt:
- Inwiefern ein naiver, biblizistischer Zugang zu einem Mythos wie jenem der Arche Noah problematisch ist und damit einer Kontextualisierung des Aussagegehaltes für das 21. Jahrhundert im Wege steht.
- Eine Re-lecture dieser Geschichte unter Anerkennung aktueller naturwissenschaftlicher Erkenntnisse eine Neubestimmung der Schöpfungstheologie hin zu einer Anerkennung von Vielfalt ermöglichen kann.
Ziel ist nicht, die Noah-Geschichte als biologisch nicht haltbar darzustellen (das ist selbstevident), sondern auf Basis des aktuellen Wissensstandes um die vielfältigen Lebensformen auf unserem (kolonialisierten) Planeten neu zu fragen was es heißt, dass G*tt einen Bund mit diesen geschlossen hat. Wenn „alles Lebendige“ eben mehr umfasst als bislang theologisch berücksichtigt wurde, worin besteht dann der theologische Aussagegehalt des Bundes G*ttes mit der Schöpfung? Wie kann die g*ttliche Präsenz, die g*ttliche Lebens- und Liebestreue in allem, was lebt (Gen 6,19) gedacht werden?
Mit G*ttes Viel-falt gegen eine einfältige Theologie
Nach den bisherigen Ausführungen und Problematisierungen sind zentrale Herausforderungen und Ansprüche einer zeitgemäßen Schöpfungstheologie benannt. Unter „zeitgemäß“ verstehe ich in diesem Zusammenhang Folgendes: Eine Schöpfungstheologie, die so von G*tt in der Schöpfung auf eine Weise reden kann, dass sie einerseits den in dieser Zeit Lebenden etwas zu sagen hat und zugleich die für theologische Sprache nicht empfänglichen Lebewesen in die eigene Theologie integriert. Eine zeitgemäße Theologie bezeugt einen anwesenden und involvierten G*tt. Es geht ihr darum, einen konstruktiven Zugang zur Wirklichkeit zu erarbeiten, der nicht der Gefahr einer Homogenisierung und Normierung unterliegt, der Vielfalt abzubilden vermag und die Gefahr einer heterosexuellen, dualistischen Weltordnung und ihren Ausschließungs- und Abwertungspolitiken problematisiert. Ein Zugang, der aufschließenden Narrationen und Argumentationen stets höhere Bedeutung zuschreibt als ausschließenden.
Im Folgenden trete ich in eine Distanz zum aufgezeigten Problemszenario und stelle eine Denkfigur vor, die Schöpfung konstruktiv als ko-kreatürlichen Prozess, als Sympoiesis[35], denken und G*tt immanent-transzendent als Teil eines queeren Genesis-Kollektivs verstehen lässt.
Es handelt sich um die Metapher der Falte, die mir als kreativ-inspirierendes Bild begegnet, um die Präsenz G*ttes in der planetaren Materie und die Präsenz der Geschöpfe in G*tt ins Wort zu fassen bzw. ins Bild zu bringen. Damit verlasse ich die Ebene einer Problemanalyse und bewege mich hin zu einem konstruktiven Vorschlag, die Viel-falt G*ttes in den Geschöpfen zu denken. Leitend ist dabei die Frage, wie sich G*tt materialisiert, wie die Präsenz G*ttes in Materie gedacht und ausgedrückt werden kann. Diese Forschungsfrage wird aktuell nicht nur in der sogenannten Theologie einer Deep Incarnation, sondern auch im New Materialism/Post-Humanism intensiv diskutiert.[36] New Materialists, wie zwei ihrer Haupt-Vertreterinnen – Karen Barad oder Rosi Braidotti –, sind der Überzeugung, dass Materie selbst belebt ist.[37] Ferner ist sie produktiv und hat eigene „agency“, d.h. Handlungsmacht. Tote Materie, wie sie noch von René Descartes beschrieben wurde, gibt es ihrer Auffassung nach nicht. Aurica Jax beschreibt das Potenzial des New Materialism folgendermaßen:
„Auf den ersten Blick bietet der New Materialism eine Korrektur anthropozentrischer Engführungen, die auch in der Geschlechterforschung zu beobachten sind und als eine der Ursachen der derzeitigen ökologischen Probleme gelten. Aber auf den zweiten Blick zeigt sich, dass im New Materialism nicht nur Dualismen, welche die Menschen von ‚der Natur‘ abgrenzen, dekonstruiert werden, sondern dass sie eine durchdachte Alternative zu binärem Denken darstellen, was [auch, J.E.] für die Geschlechterforschung hochinteressant ist.“[38]
Im Grunde geht es auch hierbei darum, die starken Dualismen von Natur/Kultur, Mensch/Tier, Mensch/Maschine, Vernunft/Emotion hinter sich zu lassen. Nicht, um den anthropozentrischen Weltzugang aus epistemologischer Perspektive abschaffen zu wollen, sondern um aufzuzeigen, dass und inwiefern starke Dualismen als intellektuelle Legitimierungsstrategie zu einer theologischen und christlichen Rechtfertigung von Ausbeutungsverhältnissen dienen. Dualismus und Diskriminierung verstärken sich schließlich gegenseitig. Stets geht es darum, dass eine Seite des „Duos“ eine höherwertige Stellung gegenüber der anderen einnimmt. Höherwertig wird mit „von G*tt so gewollt“ gedeutet und mit „schützenswerter“, „mit mehr Rechten ausgestattet“ etc. versehen. Sei es Mensch vs. Tier, Natur vs. Kultur, männlich vs. nicht-männlich, heterosexuell vs. queer, Objekt vs. Subjekt, Mensch vs. Maschine, Weiß vs. Of colour u.v.m. Die anderen, die – oben bereits erwähnten – „bodies radically different than our own“[39] werden abgewertet, eine natürliche (g*ttgewollte) Differenz wird behauptet – welche die dann praktizierte Abwertung des Anderen ebenfalls als g*ttlich gewollt oder zumindest gestattet erscheinen lässt.
Eine Theologie der belebten Materie, in die G*tt „eingefaltet“ ist, bringt eine g*ttliche Tiefenstruktur, eine Tiefe Inkarnation/Deep Incarnation zum Ausdruck.[40] Ich greife mit der Metapher der Falte Gedanken des französischen Philosophen und Poststrukturalisten Gilles Deleuze, des mittelalterlichen Theologen Nikolaus von Kues, der US-amerikanischen Theologin Catherine Keller und der eben schon erwähnten deutschen Theologin Aurica Jax auf – um nur einige zu nennen.[41] Wer von Materie als belebter Materie spricht, erkennt diese als das an, als was sie in den Naturwissenschaften längst anerkannt ist: als Mitgestalterin des Schöpfungsprozesses. An dieser Stelle sei an die Regenwürmer, die Schienenechsen, Blattläuse und die Amerikanische Pantoffelschnecke erinnert. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse werden so in ihrer politischen Bedeutung erkenntlich. Bodies matter. Matter matters. Der Material Feminism[42] legt noch einen weiteren Schwerpunkt, indem dieser aufzeigt, dass zwar eine erhöhte Aufmerksamkeit für „Materie“ keineswegs bedeuten darf, diese als stets verfügbare zu begreifen. Mit Katharina Hoppe gesprochen: „Obwohl es eine Renaturalisierung des Geschlechtskörpers zu vermeiden gilt, soll doch gleichzeitig eine Eigensinnigkeit und Unverfügbarkeit von Materie und Natur gedacht werden, die nicht in diskursiven Praktiken aufgeht.“[43]
Diese Eigensinnigkeit und Unverfügbarkeit, die ja zugleich etwas Nicht-Festlegbares, Entweichendes, sich stets Neu-Zusammensetzendes meinen kann, sehe ich in der Metapher der Falte ausgedrückt. Während für Deleuze die ganze Wirklichkeit eine „gefaltete“ ist, inkorporiert Keller dieses Bild in die Theologie: In Anlehnung an Deleuze und in Rückgriff auf die Kosmologie Cusanus‘, in dessen Werk De docta ignorantia ebenfalls die Metapher der Falte[44] vorkommt, holt Keller Materie ins G*ttliche und das G*ttliche faltet sie in Materie. Bei Cusanus heißt es: „Da nun das All in jedwedem wirklich Seiendem eingeschränkt ist, so ist klar, daß Gott, der im Universum ist, in jedwedem ist und jedwedes wirklich Seiende in Gott.“[45] Im Bild der Falte gesprochen bedeutet dies, dass G*tt sich in G*ttes Schöpfung entfaltet (unfolding/explicatio) und zugleich alles in G*tt eingefaltet (enfolding/complicatio) ist.[46] Auch Saskia Wendel greift auf die Metapher der Falte zurück: Das Universum verdanke sich G*tt, „der sich in das Universum ausfaltet und in den es sich wiederum einfaltet.“[47]
Wie ein barockes Gewand, dessen Stoff so üppig ist, dass seine Falten, seine stets sich neu und schillernd präsentierenden Ein- und Ausfaltungen nie exakt ins Bild gebracht werden können und es dennoch so ist, dass alle Falten zusammen das Gewand bilden und keine je das Gewand verlassen oder aus ihm herausfallen könnte, so kann das Schöpfungsgewand mit seiner unerschöpflichen Vielfalt verstanden werden. Mit der Vorstellung des kontinuierlichen Prozesses von Ein- und Ausfaltungen ist der Schöpfungstheologie eine mögliche Metapher für den unabgeschlossenen, kreativen Entstehens-Werdens-Vergehens-Prozess der creatio continua gegeben. Dass sich die graduellen Differenzen des Lebendigen in einem faltigen, dabei aber nahtlosen Gewand ausdrücken lassen, zeigt auch folgende Passage aus Laudato sí:
„Wir Christen sind außerdem berufen, „die Welt als ein Sakrament der Gemeinschaft anzunehmen, als ein Mittel, mit Gott und unserem Nächsten auf globaler Ebene zu teilen. Es ist unsere bescheidene Überzeugung, dass das Göttliche und das Menschliche einander begegnen in den kleinsten Details des nahtlosen Gewandes der Schöpfung Gottes, sogar im winzigsten Staubkorn unseres Planeten.“[48]
Die Stärke dieser Metapher besteht ferner darin, dass hinter ihr ein Konzept steht, das „ein alternatives Denken von Verbundenheit in Differenz, von relationaler Vielfalt“[49] ermöglicht. Keller formuliert: „The fold signifies for Deleuze what we have been calling a nonseparable difference, a relation of difference.“[50] Sie steht deshalb für eine Theologie, die die Kontinuität des Lebendigen anerkennt. Zudem erlaubt sie es, indem sie die Dynamik des Ein- und Ausfaltens betont, in der Heterogenität unseres Weltzugangs selbst einen theologischen Wert zu sehen. Mit diesem „Denkwerkzeug“ hat Theologie so das Potenzial zur Anwältin von Diversität zu werden. Es handelt sich um eine Metapher, die „Viel-falt“ denken lässt, ohne dabei in trennende Dualismen abzugleiten. Eine Einheit ohne Einsheit[51], Differenz im G*ttlichen, ein „pluralistic Monism“.[52] Metaphern sind nicht einfach nur Bilder, Metaphern geben zu denken. Sie bieten eine Mitnahme, eine Übertragungsmöglichkeit an, nehmen uns mit und genau das ist es, worauf ich hinauswill: eine Mitnahme, eine Ein-faltung von Existenzen in das Schöpfungsgeschehen. Dabei verstehe ich die Falte nicht als Kategorie, sondern als eine Denkfigur, ein Konzept, das es erlaubt, die Schöpfungsgemeinschaft auch als Schicksalsgemeinschaft zu verstehen und unsere Subjektivität des In-der-Welt-Seins so auszuweiten.[53] Damit ist sie einerseits anschlussfähig an die Traditionslinie (Cusanus, Deleuze, Franziskus), fordert ein teleologisches Naturrechtsdenken aristotelisch-thomistischer Natur allerdings auch heraus und stellt einem essentialistischen Schöpfungsverständnis eine dynamische Alternative entgegen.
Plädoyer für eine Queere Schöpfungstheologie
Ich habe meinen Beitrag mit einem Verweis auf die verwundete Situation unseres Planeten begonnen. In diesem Zusammenhang erläuterte ich mein Verständnis von Theologie als ein politisches Unterfangen, das sich zu einem Beitrag zu Gerechtigkeit und Frieden verpflichtet. Die nicht-menschliche Schöpfung gehört ebenso wie die menschlich-non-binäre Schöpfung zu den vernachlässigten Themen unserer europäischen Theologie. Unsere Theologie steht deshalb vor der Herausforderung – und hat zugleich die Chance – eine Neubestimmung ihrer Schöpfungstheologie als Queer Ecotheology vorzunehmen und eine an den säkularen Nachhaltigkeitsdiskurs anschlussfähige Sprachkompetenz zu entwickeln. Dies gelingt nur, wenn sie aktuelle Forschungsergebnisse aus Biologie, Evolutionstheorie, Nachhaltigkeitsdiskursen, Gender und Queer Studies, Postkolonial Studies etc. wahr und ernst nimmt.
Von G*tt zu sprechen bedeutet immer, in analoger Weise Theo-Logie zu betreiben. Dabei greifen die von G*tt Redenden auf Metaphern zurück, wohlwissend, dass diese niemals vollends auf die g*ttliche Wirklichkeit zutreffen. In einem persönlichen Gespräch hat Catherine Keller einmal gesagt, dass alle Metaphern unzutreffend und insofern schlecht sind, aber es nunmal die genuine Aufgabe von Theolog*innen sei, die besten unter den schlechten Metaphern auszuwählen.
Ob die seit dem Mittelalter bekannte Metapher der Falte, der Ein- und Ausfaltung G*ttes in der Schöpfung zu den besten gehört, darüber lässt sich streiten. Mein Ziel war es, damit eine Rede von G*tt, eine Theo-Logie, vorzustellen und zu praktizieren, die meiner Überzeugung der Verbundenheit und Verwobenheit von G*tt und allen Kreaturen Ausdruck verleiht. Und so eine Denkfigur anzubieten, die Einheit in Differenz denken lässt, die von den Naturwissenschaften aufgezeigte Interdependenz der Schöpfung abbildet und hierbei ein Bewusstsein für die Bedeutung des nicht-menschlichen Lebens schaffen kann.[54]
_____________
Bild: Emma Leigh auf unsplash.
Julia Enxing, Dresden, Professorin für Systematische Theologie am Institut für Katholische Theologie der TU Dresden
_____________
[1] Timothy Morton: Guest Column: Queer Ecology. PMLA 125.2. 2010, 273–282, hier 281.
[2] Ich sage „wieder“, denn dass die Engstirnigkeit theologischen Denkens ein „Backlash“ darstellt, zeigt u.a.: Thomas Bauer: Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt, Ditzingen, 112018.
[3] Dietrich Ritschl/Hugh Oldbury Jones: Story als Rohmaterial der Theologie, München 1976. – Vgl. auch Donna Haraway: „Wir verbinden, wissen, denken, verweltlichen und erzählen Geschichten mit und durch andere Geschichten, Welten, Wissensformen, Gedanken, Sehnsüchte.“ Donna Haraway: Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän, Frankfurt/New York 2018, 134.
[4] Donna Haraway: Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän, Frankfurt/New York 2018, 53.
[5] Ralph Kunz: Vor uns die Sintflut? Warum wir doch nicht untergehen. Eine theologische Sichtung von Hoffnungstorys für schwimmende Erdlinge. (bislang unveröffentlichtes Manuskript)
[6] Papst Franziskus: Laudato si (2015) Nr. 246, online unter: https://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html
[7] Vgl. auch Papst Franziskus: Laudate Deum (2023), online unter: https://www.vatican.va/content/francesco/de/apost_exhortations/documents/20231004-laudate-deum.html
[8] Hannah Engelmann-Gith: Eine Ethik der Ähnlichkeit? Vom Wahrnehmen, Anerkennen und Sich-verwandt-Machen in einer diversen Welt, in: India Kandel (Hg.): Queere Tiere. Queere Perspektiven auf Veganismus und Mensch-Tier-Verhältnisse, Berlin 2023, 61–78, hier 64.
[9] Vgl. Helma Lutz/María Teresa Herrera Vivar/Linda Supik (Hg.): Fokus Intersektionalität. Bewegungen und Verortungen eines vielschichtigen Konzeptes, Wiesbaden 2013.
[10] Johann Baptist Metz: Glaube in Geschichte und Gesellschaft. Studien zu einer praktischen Fundamentaltheologie, Mainz 51992, 166. – Vgl. René Buchholz: Religion als Unterbrechung, 3. August 2018, online unter: https://www.feinschwarz.net/religion-als-unterbrechung/
[11] Vgl. auch Isabella Rossellinis Buch: Green Porno. A Book and Short Films. 2009. – Vgl. Auch ähnliche künstlerisch-philosophisch-aktivistische Ansätze einer „Sexecology“, z. B.: Julia Enxing: Haben Sie einen neuen Lover? Die Erde? Wenn Ökosexuelle die Erde heiraten, 13. Januar 2021, online unter: https://www.feinschwarz.net/haben-sie-einen-neuen-lover/
[12] Beachte: „The flood narrative in Genesis is, of course, a complicated text in and of itself – woven together strands of the Yahwist and Priestly creation narratives. Rossellini’s treatment of the Noah story misses a number of crucial details of the actual story – most that it is commonly held that in the Priestly version of the story two of every kind of animal are taken onto the ark, whereas in Yahwist version of the story, seven pairs of all clean animals and a pair of all unclean animals are taken. The intertextual difference is quite often overlooked, though this difference in the text would little change the reality of Rossellini’s argument.” Jacob J. Erickson: Irreverent Theology: On the Queer Ecology of Creation, in: Whitney A. Bauman (Hg.): Meaningful Flesh. Reflections on Religion and Nature for a Queer Planet 2018, 55–79, hier 56, FN 2.
[13] Einheitsübersetzung 2016. Hervorhebungen J. E.
[14] https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ccatheduc/documents/rc_con_ccatheduc_doc_20190202_maschio-e-femmina_ge.pdf
[15] „In the case of Rossellini’s work, what we have is a rupture, a representation of all we might choose not to see because it doesn’t reflect us back.” http://numerocinqmagazine.com/2012/05/03/numero-cinq-at-the-movies-isabella-rossellinis-seduce-me-noahs-ark-introduced-by-r-w-gray/
[16] https://www.vanityfair.com/news/2009/03/isabella-rossellini-lets-talk-about-barnacle-sex-baby
[17] Erickson bezeichnet Rossellinis Methode als eine Art „midrashic retelling“, in: Jacob J. Erickson: Irreverent Theology: On the Queer Ecology of Creation, in: Whitney A. Bauman (Hg.): Meaningful Flesh. Reflections on Religion and Nature for a Queer Planet 2018, 55–79, hier 57.
[18] Jacob J. Erickson: Irreverent Theology: On the Queer Ecology of Creation, in: Whitney A. Bauman (Hg.): Meaningful Flesh. Reflections on Religion and Nature for a Queer Planet 2018, 55–79, hier 57.
[19] „Was nun mich betrifft, sieh her, ich bin dabei, eine Bundesverpflichtung euch gegenüber einzugehen und gegenüber euren Nachkommen nach euch, sowie gegenüber allen Lebewesen, die bei euch sind, gegenüber Vögeln und Vieh und allen Tieren, die mit euch auf der Erde sind, gegenüber allen, die aus dem Kasten gegangen sind, gegenüber allem Leben auf der Erde.“ (Gen 9,9–10; BigS)
[20] Catherine Keller: Cloud of the Impossible. Negative Theology and Planetary Entanglement, Columbia Univ. Press 2015, hier 24.
[21] https://www.wwf.ch/de/tierarten/bonobo-unsere-naechsten-verwandten
[22] Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Fischer Verlag, 26. Auflage 2022, 231.
[23] Matthew Eaton: Enfleshed in Cosmos and Earth. Re-Imagining the Depth of Incarnation, in: Worldview 18 (2014), 230–254, 237.
[24] Jacob J. Erickson: Irreverent Theology: On the Queer Ecology of Creation, in: Whitney A. Bauman (Hg.): Meaningful Flesh. Reflections on Religion and Nature for a Queer Planet 2018, 55–79, hier 58. – Vgl. auch Lynn Fuchs: “Warum sollte Queerness vor Speziesgrenzen haltmachen?“, Lynn Fuchs: „Was ist es denn?“ Gedanken zur Vergeschlechtlichung von Tieren, in: India Kandel (Hg.): Queere Tiere. Queere Perspektiven auf Veganismus und Mensch-Tier-Verhältnisse, Berlin 2023, 215–220, hier 216.
[25] Vgl. Smillo Ebeling: Let’s Kritter. Mit Donna Haraway Naturalisierungen und Dualismen überwinden, in: India Kandel (Hg.): Queere Tiere. Queere Perspektiven auf Veganismus und Mensch-Tier-Verhältnisse, Berlin 2023, 120–122.
[26] Smillo Ebeling: Let’s Kritter. Mit Donna Haraway Naturalisierungen und Dualismen überwinden, in: India Kandel (Hg.): Queere Tiere. Queere Perspektiven auf Veganismus und Mensch-Tier-Verhältnisse, Berlin 2023, 120–134, hier 124. – Vgl. auch Smillo Ebeling: Tierisch Menschliche Geschlechter. Mit Tieren Geschlechter bilden, in: Andrea Qualbrink/Annebelle Pithan/Mariele Wischer (Hg.) Geschlechter Bilden, Gütersloh 2011, 50–61.
[27] Myra J. Hird/Noreen Giffney (Hg.): Queering the Non/Human, Routledge 2008 (2nd edition 2016).
[28] Catriona Mortimer-Sandilands/Bruce Erickson (Hg.): Queer Ecologies: Sex, Nature, Politics, Desire, Indiana Univ. Press 2010.
[29] India Kandel (Hg.): Queere Tiere. Queere Perspektiven auf Veganismus und Mensch-Tier-Verhältnisse, Berlin 2023.
[30] Asmae Ourkiya: Queer Ecofeminism. From Binary Environmental Endeavours to Postgender Pursuits, Lexington Books 2023.
[31] Timothy Morton: Guest Column: Queer Ecology. PMLA 125.2. 2010, 273-282, hier 281.
[32] Papst Franziskus: Laudato si 117.
[33] Jacob J. Erickson: Irreverent Theology: On the Queer Ecology of Creation, in: Whitney A. Bauman (Hg.): Meaningful Flesh. Reflections on Religion and Nature for a Queer Planet 2018, 55–79, hier 59.
[34] Übersetzung J. E. nach Jacob J. Erickson: Irreverent Theology: On the Queer Ecology of Creation, in: Whitney A. Bauman (Hg.): Meaningful Flesh. Reflections on Religion and Nature for a Queer Planet 2018, 55–79, hier 59. – So auch Daniel T. Spencer: Er beschreibt die „self-contradictory positions of condemning lesbians and gay men for being both ‚unnatural‘ (where natural sexuality is read as procreative heterosexuality) and ‚too close to nature‘ in the sense of homosexual behavior being ‚lower‘ or ‚animalistic‘ and outside the boundaries of acceptable human culture“, in: Daniel T. Spencer: Gay and Gaia: Ethics, Ecology, and the Erotic. Cleveland: Pilgrim Press 1996, 80-81. – Vgl. Agnes Trzak: Entmenschlichung, Animalisierung, Objektifizierung, in: India Kandel (Hg.): Queere Tiere. Queere Perspektiven auf Veganismus und Mensch-Tier-Verhältnisse, Berlin 2023, 87–119, hier 99-105.
[35] Der Begriff „Sympoiesis“ stammt von der Umweltwissenschaftlerin Beth Dempster aus dem Jahr 1986 und wurde seither u. a. von Donna Haraway für ihr Verständnis eines gemeinsamen Werdens der Welt rezipiert, in: Beth Dempster: Sympoietic and Autopoietic Systems: A New Distinction for Self-Organizing Systems. Proceedings of the World Congress of the Systems Sciences and ISSS 2000.
[36] Vgl. Niels Henrik Gregersen: The Extended Body of Christ.: Three Dimensions of Deep Incarnation, in: Ders. (Hg.): Incarnation. On the Scope and Depth of Christianity, Minneapolis 2015, 225–251. – Vgl. Julia Enxing: Göttlich-kreatürliche Begegnungen und ihr Potenzial für einen „animal turn“ in der Theologie, in: Julia Enxing/Simone Horstmann/Gregor Taxacher (Hg.): Animate Theologies. Ein (un-)mögliches Projekt?, animate theologies Bd. 1, Darmstadt 2022, 151–182. – Vgl. Daniel Minch: Die Rolle des Geistes in einer evolutionären Welt: Deep Incarnation und Deep Resurrection, in: Michael Seewald (Hg.). Gott ist Geist. Perspektiven der Pneumatologie. Freiburg 2023 (im Erscheinen). – Vgl. Franca Spies: Braucht die Theologie eine posthumanistische Wende?, in: Theologie und Glaube 113/2 (2023), 115–119.
[37] Vgl. Rosi Braidotti, Jenseits des Menschen: Posthumanismus, in: APuZ 37–38 (2016) 33–38, 36.
[38] Aurica Jax: Einfaltungen und Ausfaltungen. Theorien des New Materialism und ihre geschlechtertheologische Rezeption, in: Christine Büchner/Nathalie Giele (Hg.): Theologie von Frauen im Horizont des Genderdiskurses, Ostfildern 2020, 191–206, hier 194f. (Hervorhebungen i. O.)
[39] Matthew Eaton: Enfleshed in Cosmos and Earth. Re-Imagining the Depth of Incarnation, in: Worldview 18 (2014), 230–254, 237.
[40] Vgl. Forschung von Elizabeth Johnson, Niels Henrik Gregersen, Gunda Werner, Daniel Minch et al. – Vgl. auch Julia Enxing: Göttlich-kreatürliche Begegnungen und ihr Potenzial für einen „animal turn“ in der Theologie, in: Julia Enxing/Simone Horstmann/Gregor Taxacher (Hg.): Animate Theologies. Ein (un-)mögliches Projekt?, animate theologies Bd. 1, Darmstadt 2022, 151–182.
[41] Vgl. Forschung von Elizabeth Johnson, Niels Henrik Gregersen, Gunda Werner, Daniel Minch et al. – Vgl. auch Julia Enxing: Göttlich-kreatürliche Begegnungen und ihr Potenzial für einen „animal turn“ in der Theologie, in: Julia Enxing/Simone Horstmann/Gregor Taxacher (Hg.): Animate Theologies. Ein (un-)mögliches Projekt?, animate theologies Bd. 1, Darmstadt 2022, 151–182.
[42] Vgl. Aurica Jax: Einfaltungen und Ausfaltungen. Theorien des New Materialism und ihre geschlechtertheologische Rezeption, in: Christine Büchner/Nathalie Giele (Hg.): Theologie von Frauen im Horizont des Genderdiskurses, Ostfildern 2020, 191–206, hier 197.
[43] Katharina Hoppe: Eine neue Ontologie des Materiellen? Probleme und Perspektiven neomaterialistischer Feminismen, in: Löhr – Volk – Leicht – Meisterhaus (Hg.): Material Turn, 35–50, hier 36.
[44] Vgl. Nicolai de Cusa: De docta ignorantia (Die belehrte Unwissenheit). Buch II, Lateinisch-Deutsch, Meiner Philosophische Bibliothek, Hamburg 31999, bes. Kap. 3. – Anmerkung: Die Metapher der Falte stammt ursprünglich aber nicht von ihm, sondern von Thierry von Chartres (ca. 1088–1155), s. Aurica Jax: Einfaltungen und Ausfaltungen. Theorien des New Materialism und ihre geschlechtertheologische Rezeption, in: Christine Büchner/Nathalie Giele (Hg.): Theologie von Frauen im Horizont des Genderdiskurses, Ostfildern 2020, 191–206, hier FN 54.
[45] Nicolai de Cusa: De docta ignorantia (Die belehrte Unwissenheit). Buch II, Lateinisch-Deutsch, Meiner Philosophische Bibliothek, Hamburg 31999, 39. § 118.
[46] Vgl. Aurica Jax: Einfaltungen und Ausfaltungen. Theorien des New Materialism und ihre geschlechtertheologische Rezeption, in: Christine Büchner/Nathalie Giele (Hg.): Theologie von Frauen im Horizont des Genderdiskurses, Ostfildern 2020, 191–206, hier 203.
[47] Saskia Wendel: Meister Eckhardt und Nikolaus Cusanus: Mystische Aufbrüche an der Schwelle zur neuzeitlichen Moderne, in: Martin Breul/Aaron Langenfeld (Hg.): Kleine Philosophiegeschichte. Eine Einführung für das Theologiestudium, Paderborn 2017, 98–108, 105.
[48] Bartholomäus, Ansprache beim Halki Summit I, Global Responsibility and Ecological Sustainability: Closing Remarks, Istanbul (20. Juni 2012). – Zitiert in: Papst Franziskus: Laudato si 9.
[49] Aurica Jax: Einfaltungen und Ausfaltungen. Theorien des New Materialism und ihre geschlechtertheologische Rezeption, in: Christine Büchner/Nathalie Giele (Hg.): Theologie von Frauen im Horizont des Genderdiskurses, Ostfildern 2020, 191–206, hier 200.
[50] Catherine Keller: Cloud of the Impossible. Negative Theology and Planetary Entanglement, Columbia Univ. Press 2015, hier 177.
[51] Vgl. Julia Enxing: All-Inclusive. Bleibt die panentheistische Gottheit selbstreferentiell?, in: Benedikt Paul Göcke/Klaus Müller/Fana Schiefen (Hg.): Welt – Geist – Gott. Erkundungen zu Panpsychismus und Panentheismus, Münster 2020, 39–68.
[52] Aurica Jax: Einfaltungen und Ausfaltungen. Theorien des New Materialism und ihre geschlechtertheologische Rezeption, in: Christine Büchner/Nathalie Giele (Hg.): Theologie von Frauen im Horizont des Genderdiskurses, Ostfildern 2020, 191–206, hier 200. Keller zeigt auf, wie Relationalität und Differenz aller Geschöpfe und G*tt in allen Geschöpfen zu denken ist. „[…] these folds, known and unknown, represent our constituent relations to the world and to ourselves. But then how do we mark our difference from other humans no less than from all the nonhumans? If the fold is the relation, it is also the difference. It makes or plies the difference between any two humans, any two creatures, which is to say inhabitants of the enfolding creation or indeed of each other. And if so, we are thinking – humanly – the nonseparability of the human difference from all that is maximally or minimally nonhuman.” In: Catherine Keller: Cloud of the Impossible. Negative Theology and Planetary Entanglement, Columbia Univ. Press 2015, hier 170.
[53] Vgl. Corine Pelluchon: Das Zeitalter des Lebendigen. Eine neue Philosophie der Aufklärung. Aus dem Französischen von Ulrike Bischoff, Darmstadt 2021, 142.
[54] Vgl. Aurica Jax: Einfaltungen und Ausfaltungen. Theorien des New Materialism und ihre geschlechtertheologische Rezeption, in: Christine Büchner/Nathalie Giele (Hg.): Theologie von Frauen im Horizont des Genderdiskurses, Ostfildern 2020, 191–206, hier 204f.