Welche Konsequenzen können Christinnen und Christen angesichts der aktuellen Entwicklungen z.B. in Sachsen ziehen? Thomas Arnold schlägt 5 Haltungen vor.
Und wieder dieses Sachsen – eine ganze Republik diskutiert seit Wochen, was in diesem Bundesland verkehrt läuft. Nach der Debatte mit Satireanklängen um Polizei, Medien und Demonstranten aus dem LKA erreicht mit „Chemnitz“ das Land einen Tiefpunkt, der fast schon in Ratlosigkeit umzuschlagen droht.
Rechtsextremismus bleibt Rechtsextremismus, auch wenn er sich in das Gewand der Trauer hüllt.
Eine angemessene und ausgewogene Analyse der Ursachen bedarf Zeit (und eines zusätzlichen Beitrags). Die Konsequenzen für Christinnen und Christen lassen sich jedoch in fünf Punkten zusammenfassen:
- Haltung zeigen: Rechtsextremismus bleibt Rechtsextremismus, auch wenn er sich in das Gewand der Trauer hüllt. Keine Wut in der Mitte der Gesellschaft legitimiert das Mitlaufen unter dieser Fahne. Wer dennoch meint, damit seinem Unmut Ausdruck verleihen zu müssen, macht sich zum Komplizen/zur Komplizin. Es ist gut, wenn die Mitte der Gesellschaft mit Aktionen und deutlichen Worten an dieser Grenze ein Stoppschild aufstellt.
- Der Trauer Raum geben: Wer, wenn nicht die Kirchen, haben jahrhundertelange Erfahrung im Umgang mit Trauer und sich daraus entwickelnder Wut? Ich wünsche mir eine Seelsorge, die den Menschen Räume des stillen Trauerns bietet und die Wut über die Straftat in Worte bringt. Es wäre eine adäquate Antwort auf jeden Versuch der politischen Instrumentalisierung menschlich legitimer Emotionen. Vielleicht ist es auch ein Weg, mit Menschen zu beten, denen das Falten der Hände völlig fremd ist.
Es wird eine Herausforderung für die Gesellschaft, Polarisierungen zugunsten des Zusammenhalts wieder abzubauen.
- Vorschnelle Urteile vermeiden: Bei allem Verständnis für den Reiz der schnellen Nachricht sollte dem Rechtsstaat die Zeit gelassen werden, die Straftaten – vom Mord bis zum rechtsextremen Symbol – aufzuklären und die juristischen Konsequenzen zu ziehen. Ebenso schädlich sind voreilige Erklärungsversuche, die schnell in Stigmatisierungen enden. Spätestens nach PEGIDA wurde deutlich, welch immense Verantwortung die Journalistinnen und Journalisten für eine wahrhaftige Berichterstattung tragen. Jede Dramatisierung und Generalisierung vergrößert den Riss, weil die Menschen vor Ort die Differenz zwischen Erlebtem und Berichtetem selbst erfahren haben.
- Den Menschen nicht aus dem Blick verlieren: Es ist Kennzeichen des Christlichen, die Sünde zu verurteilen, ohne den Sünder/die Sünderin vollständig abzulehnen. Chemnitz wird dabei zum Prüfstein: Wie gehen wir künftig mit jenen um, die in ihrer Meinung verhärtet sind oder christliche Positionen ablehnen? Es wird eine Herausforderung für die Gesellschaft, Polarisierungen zugunsten des Zusammenhalts wieder abzubauen. Dies wird nur mit dieser christlichen Haltung funktionieren. Ich wünsche mir Christinnen und Christen, die bereit sind, die Grenzen deutlich zu benennen, ohne den Menschen an sich abzulehnen.
Die Unzufriedenheit im Land liegt auf einer Ebene, die deutlich über den wahrnehmbaren Fremdenhass reicht.
- Die Debatte über die dahinterliegenden Probleme wagen: Dem Ministerpräsidenten muss man hohen Respekt zollen, dass er inmitten der angespannten Situation das bereits lang geplante „Sachsengespräch“ führte. Dabei wurde deutlich, dass die Unzufriedenheit im Land auf einer Ebene liegt, die deutlich über den wahrnehmbaren Fremdenhass reicht. Die Institutionen und Zusammenschlüsse dürfen den Mut haben, über die Verunsicherungen und Verletzungen der Bürgerinnen und Bürger zu diskutieren. Dies ist nicht nur eine Übung in demokratischer Streitkultur, sondern kann auch zur Debatte über das werden, was uns künftig als Gesellschaft eint. Christliche Akademien sind hierfür ideale Foren. Es wäre wünschenswert, wenn ein solcher Diskurs nicht auf ein Bundesland beschränkt bleibt, sondern auf das ganze Land ausstrahlt.
Wer für Demokratie einsteht, darf nie vergessen, dass er ihr Teil ist: Sie lebt vom bürgerlichen Engagement.
Was sich in mehr als einer Generation verfestigt hat, lässt sich nicht grundlegend mit einem Konzert und ein paar Diskussionen verändern. Stattdessen braucht es das Bohren dicker Bretter. Da jedoch am Horizont bereits die sächsische Landtagswahl aufscheint, bleibt dafür wenig Zeit. Wer für Demokratie einsteht, darf nie vergessen, dass er ihr Teil ist: Sie lebt vom bürgerlichen Engagement. Dieses Engagement formiert sich in Parteien. Mit deren Positionen müssen sie um Mehrheiten werben, ohne dabei die Wahrhaftigkeit aufzugeben. Das ist lebendige Demokratie, die in aller Meinungsvielfalt den Konsens zum Wohl der Menschen sucht. Diese kausale Kette macht deutlich, dass es am Ende auf jeden einzelnen ankommt. Wer die Demokratie am Leben erhalten will, wird nicht umhin kommen, sich in sie einzubringen. Das ist mühsam und langwierig. Aber eine besondere Verantwortung für Christen, wenn sie für sich in Anspruch nehmen, Salz der Erde zu sein.
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Autor: Dr. Thomas Arnold ist Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen.
Beitragsbild: Pixabay
Eine kürzere Version des Beitrags erscheint zeitgleich auf katholisch.de am 5.9.2018.