Der Freiburger Religionssoziologe Michael N. Ebertz kommentiert in einer Glosse die Positionierung der katholischen Kirchenmitglieder, die im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) repräsentiert sind.
Es gibt bekanntlich viele Wege, und nicht alle führen nach Rom. Manche sind Rundwege oder Holzwege und enden in einer Sackgasse, im Gestrüpp, oder, wie ein berühmter Philosoph aus dem Schwarzwald einmal gesagt hat, an Quellen. Irrwege der einen können auch Ressourcen für andere sein. Ist der Weg das Ziel, oder findet den Weg nur, wer das Ziel kennt?
Kirche am Weg und dem Weg?
In der römisch-katholischen Kirche ist die Rede vom Weg ein Lieblingsbild geworden: „Wir sind auf dem Weg“. Kein Wunder, denn sie begreift sich seit dem letzten Konzil als Volk Gottes in Bewegung, genauer gesagt als ein „pilgerndes Gottesvolk“. Trotz ihres Immobilienbesitzes mobilisiert sie sich in der mobilen Gesellschaft. Sie appelliert an die „Bereitschaft zur Bewegung“, wie einer ihrer Bischöfe, der sich eine Immobilie tief in den Limburger Berg bauen und sich dann kaum fortbewegen ließ. Dieser Skandal motivierte viele zum Weg aus der Kirche heraus, und im Laufe des aktuellen Jahres werden es noch mehr sein. Auch der Nachbarbischof von Mainz ließ vor einigen Wochen „intensiv einen pastoralen Weg beginnen, der sowohl auf die gesellschaftlichen Bedingungen eingehen muss als auch auf die Frage, was die Menschen heute von der Kirche brauchen“. Und er befürchtet, dass sich beim Teilen der materiellen Güter der Kirche „am wahrscheinlichsten Konflikte auf dem weiteren pastoralen Weg auftun“.
„Kirche-am-Weg“ ist ein Angebot des Bistums Osnabrück, Kirchen, Klöster und andere religiöse Orte (Wegekreuze, Hofaltäre etc.) nach und nach mit einem QR-Code zu versehen. „Kirche am Weg“ heißt das innovative Projekt einer mobilen Landseelsorge in einem anderen deutschen Bistum. Mit seinem Schäferwagen orientiert es sich, „an der Praxis Jesu, der selber die Dörfer und Städte durchwanderte, um Menschen aufzusuchen, Geschichten zu erzählen und ihnen die Augen zu öffnen für die Nähe Gottes. Auch seine Jüngerinnen und Jünger schickte er als Wegbereiter los, in der Hoffnung auf Gastfreundschaft und Entgegenkommen der Leute“.
„Synodaler Weg“: Niemand weiß, was gemeint ist.
Schon lange geht das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland einen „Dritten Weg“, Streiks sind darin nicht vorgesehen – von streikenden Frauen schon gar nicht. Neuerdings bieten die deutschen Bischöfe einen sogenannten „Synodalen Weg“ an, einen gemeinsamen Weg von Priestern und Laien, um den Karren aus der Missbrauchskrise zu führen. Niemand weiß momentan, was damit gemeint ist, wer da mitgehen soll und darf, und wie verbindlich die Ziele sein werden, die noch niemand kennt. Im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, das seine Vollversammlung, seine ‚Synode‘, neulich von Bonn nach Mainz verlegte, ist man schon lange und immer wieder neu zur Bewegung bereit, manche sagen: sprungbereit. Dort ist man sogar bereit, einen langen Anlauf zu machen, einen – so wörtlich – „Weg zum synodalen Weg“ zu gehen. Man sieht die Verantwortlichen in der Kirche angeschlagen und deshalb reformbereit, ohne Umwege Irrwege zu überwinden. Ob dazu auch wie die vielfältige kirchliche Missachtung der Frauen gehört, deren Gleichberechtigung „immer noch nicht im Heute angekommen ist“, wie Johannes Röser im „Christ in der Gegenwart“, der jüngst verstorbenen Theologin und Frauenforscherin Elisabeth Gössmann („Geburtsfehler: weiblich“) gedenkend, schreibt? Im Zentralkomitee ist der Glaube daran ungebrochen.
Das ZdK macht sich auf den Weg nach Berlin.
In diesem Zusammenschluss deutscher Katholiken und Katholikinnen macht man sich noch auf andere Weise auf den Weg, wurde doch sein Umzug von Bonn nach Berlin beschlossen. Entfernen sich die organisierten Laien damit nicht weiter von ihren Bischöfen, die ihr wirtschaftliches und administratives Zentrum (noch) in Bonn haben? Von wegen! Zum einen sind die Bischöfe auch in Berlin präsent. Zum anderen werden ihnen die Laien bereits auf dem Weg zum synodalen Weg auf die Füße treten.
Bloß keine Rundwege
Dieser Weg wird kein leichter sein, gewiss kein Spaziergang und auch keine Prozession. Und hoffentlich keiner dieser Rundwege, die immer wieder zum Ausgangspunkt zurück- und nicht weiterführten. Ganz sicher dürfte sein: Ein synodaler Weg als Rundweg lässt viele andere Auswege suchen und finden. Sie kehren dann nicht mehr zum Ausgangspunkt zurück. Denn ein anderer ist für Christinnen und Christen „der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Und wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, da lebt er bekanntlich mittendrin.
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Autor: Prof. Dr. rer. soc. habil. Dr. theol. Michael N. Ebertz ist Soziologe und Theologe. Er lehrt und forscht an der Katholischen Hochschule Freiburg.
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