Von 13.-16.6.2019 fand in Wien das Event „Awakening Austria“ statt – unter Beteiligung von über 10.000 hauptsächlich jungen Christinnen und Christen aus unterschiedlichsten Ländern. Johann Pock (Wien) stellt einige kritische Anfragen und warnt vor dem hier sichtbaren Heilsexklusivismus.
Hoch professionell und mit großem Aufwand vorbereitet wurde „Awakening Austria“ als Mischung aus Popkonzert, charismatischem Gebetstreffen und gesellschaftspolitischem Anspruch von über 10.000 Personen besucht. Veranstaltet wurde es von GODfest Ministries Inc.
Ich möchte im folgenden auf einige Punkte hinweisen, die bei dieser Veranstaltung mit transportiert werden. Wacht auf – das ist nicht nur die Botschaft der Veranstaltung; es ist auch der mahnende Ruf an kirchliche und politische Verantwortungsträger: Wacht auf und schaut gut hin, was hinter Hochglanzfassaden an tatsächlichen Interessen versteckt ist – Heil gibt es nur bei uns!
Nähe zu den Pfingstlern
Die Proponenten
Awakening Europe wird geleitet von Ben Fitzgerald, der viele Jahre in der Bethel-Kirche (einer charismatischen Pfingst-Kirche) mitarbeitete. Beim Wiener Event machte u.a. auch der Leiter des Augsburger Gebetshauses (Johannes Hartl) mit, der Initiator des Mission-Manifest von 2018.
Aber auch die Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler ist eine der Sprecherinnen der Veranstaltung. Sie ist gleichzeitig Lehrende am ITI (International Theological Institute) in Trumau (Ehe und Familie) und setzt sich für Christen in der Politik ein.
Die Verlorenen und die Geretteten – und die Mission
Das Missionsverständnis
Die TeilnehmerInnen des Awakening-Treffens werden explizit eingeladen, die „Lost“ („Verlorenen“) an den Tagen vor dem Treffen einzuladen zu den Erweckungsgottesdiensten. Das Ganze firmiert unter dem Bild der Sintflut („Flood“) und der Homepage „Flood Vienna“. 1 Es wird somit mit den vom Zweiten Vatikanischen Konzil überwundenen Bildern des Heilsexklusivismus gespielt: Rettung und Heil gibt es nur „drinnen“ (in der Stadthalle, in der Kirche, in der Gemeinschaft …). Und „verloren“ sind natürlich jene, die noch nichts von Jesus gehört haben.
Die offen ausgesprochene Haltung ist: Wir wissen, wie es läuft – und wir müssen die Menschen nur entsprechend bilden („disciple“): „Whether you’re a pastor, business owner, or just starting a group, we offer tools and resources to help you disciple your people.“ (So auf einer Homepage eines der Referenten des Events, John Bevere.)
Die Anfrage an dieser Stelle: Traut man den Menschen „außerhalb“ nicht zu, dass sie auch etwas von Gott, von Jesus, von der Botschaft Gottes erkannt haben könnten? Ist es nicht sehr vereinfachend (und fast sektenhaft), Menschen gruppendynamisch auf ein bestimmtes Verständnis einzuschwören und glauben zu machen: damit retten wir jetzt die Welt? Und vor allem: Was bedeutet es auf der Symbolebene, wenn dieses spirituell hoch aufgeladene Missionsthema verbunden wird mit der Präsenz, Segnung und Sendung von politischen Amtsträgern?
Alt-Kanzler Kurz beim Nichtwahlkampf – gesegnet vom evangelikalen Pastor
Politische Agenda?
Eine Grenze wurde überschritten, als Ex-Bundeskanzler Kurz als Gast vom australischen Missionar Ben Fitzgerald gesegnet wurde. Dieser möchte (so sein Selbstanspruch auf der Homepage von Bethel.com ) „Europa zurückerobern“. Diese Botschaft hat er 2014 von Jesus selbst erhalten. Es sei die Aufgabe der Christen, die Kirchen wieder zu einen, um Gottes Plan für ihre Nationen durchzusetzen. Dies ist eine unheilvolle Verbindung von kirchlichem und politischem Anspruch.
Kann man die Anwesenheit der Nationalratsabgeordneten Gudrun Kugler noch mit ihrer theologischen Kompetenz erklären, so ist das Schaffen einer Bühne für Altkanzler Sebastian Kurz doch sehr befremdend – noch dazu, wo er sich derzeit in einem Nichtwahlkampf befindet. Die Frage kann hier auch sein: Wer verzweckt hier wen für seine Interessen: der evangelikale Pastor, der sich über den Auftritt von Politikern Macht sichert – oder der Politiker, der sich gewissermaßen als „Retter des Abendlandes“ feiern lassen kann?
Und zugleich sind wir hier bei dem heiklen Problem, dass zugleich eine anti-muslimische Agenda mitschwingt. Denn das Abendland ist natürlich christlich (gnädiger Weise wird es manchmal auch als jüdisch-christlich bezeichnet).
Interreligiöser Dialog
Interkonfessionell, aber nicht interreligiös
Eine weitere Wahrnehmung betrifft somit den Dialog, der vor allem als innerchristlicher Dialog zwischen charismatisch interessierten Gruppen geführt wird. Indem jene „außerhalb“ als die „Verlorenen“ angesehen werden, die es erst zu bekehren gilt, wird auch der gesellschaftlich (und letztlich auch theologisch) so wichtige interreligiöse Dialog nicht geführt. Ist ein solcher missionarischer Zugang nicht ein großer Schritt hinter das, was im Zweiten Vatikanum mit „Ad gentes“ erreicht worden ist?
Kritisch muss in diesem Zusammenhang auch die zugespitzte Aussage von Kardinal Schönborn hinterfragt werden: „Wenn Mohammed erlebt hätte, dass die Christen eins sind, dann hätte die Welt, dann hätte auch Mohammed geglaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist.“ Geht es bei der Mission also doch wieder darum, dass wir uns als Christen mit einem möglichst großen Schulterschluss den anderen Religionen in der Haltung zuwenden: Wenn wir nur möglichst tief und intensiv glauben, dann werden sie sich schon noch zum richtigen Glauben bekehren?
Und das liebe Geld …
Die Bedeutung von Reichtum
Wie von einer aus den Pfingstkirchen abstammenden Bewegung zu erwarten, spielen Geld und Reichtum eine große Rolle. So war bei der Veranstaltung in Wien ein Tag als „Business Day“ den Themen gewidmet: „Geschäfte, Unternehmungen, Reichtum für Jesus“. Angesprochen werden Personen in Leitungspositionen; Ziel ist es, Geschäftsleben und die Werte des Königreichs Gottes zu verbinden.
Dass Geld für diese Veranstaltungen anscheinend keine Rolle spielt, zeigt die Möglichkeit, die Wiener Stadthalle zu mieten und mit allen high-tech-Rafinessen ausgestattet und unter Nutzung der aktuellsten social-medias zu kommunizieren.
Viele offene Fragen …
Noch viele weitere Fragen müssten hier diskutiert werden, die ich nur kurz anmerke: Wie wird in der Awakening-Bewegung mit der Bibel umgegangen (und mit historisch-kritischen Erkenntnissen)? Steht hinter der Bewegung nicht die Annahme, dass alle anderen noch „schlafen“ und erst zum „wahren Glauben“ auferweckt werden müssten – den es aber nur innerhalb dieser Bewegung gibt?
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Autor: Dr. Johann Pock ist Professor für Pastoraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Wien und Mitglied der feinschwarz-Redaktion
Beitragsbild: Von J F auf Pixabay
- Im Selbstverständnis wird hier darauf verwiesen, dass es um das „Überfluten mit Love, Mercy and Grace“ geht; entsprechend dem Cliff Richard Lied: Shine, Jesus, shine. Trotzdem meine ich, dass eine ansonsten stark auf biblischen Motiven aufbauende Gemeinschaft diesen Begriff „Flood“ nicht „unschuldig“ verwendet. Und auch der Anspruch, eine Stadt „mit Liebe zu überfluten“, zeigt meines Erachtens eine Sprache, die sich anderer bemächtigt. ↩