Vorab: Ich finde den Protest von OutInChurch angemessen und wichtig. Ich sehe die offizielle katholische Lehre, die nach wie vor zutiefst queerfeindlich ist, die trans*feindlichen Texte des Vatikan, das diskriminierende kirchliche Arbeitsrecht und die anderen Punkte, die OutInChurch kritisiert. Und trotzdem lese ich die Statements der Initiative und auch den aktuellen Artikel immer mit Bauchschmerzen. Wenn ihr (,die Aktivist*innen von OutInChurch,) von der Schuldgeschichte der Kirche, von Unaufrichtigkeit und Doppelmoral sprecht, entstehen bei mir auch Fragen an euch. Ich habe den Eindruck, dass manche Mitglieder von OutInChurch dieses System lange mitgetragen, darin gelebt und auch Privilegien genossen haben. Oder anders gefragt: Wo bleibt die Selbstkritik?
Ich schreibe das als queerer Mensch (ohne kirchlichen Job und ohne viel Ahnung von Theologie), der schlechte Erfahrungen in der katholischen Kirche gemacht hat. Ich habe Schwierigkeiten einer katholischen Initiative zu glauben, in der die eigene Rolle und Verantwortlichkeit im System nicht reflektiert wird.
Ein paar der Fragen, die mich beschäftigen:
- Gibt es auch bei OutInChurch Personen, die Diskriminierung von queeren Menschen durch ihr früheres (oder aktuelles) Verhalten in ihrer kirchlichen Rolle befördert oder schweigend hinge-nommen haben? Die bei sich selber „Doppelmoral und Unaufrichtigkeit“ (Worte aus dem o.g. Artikel) feststellen?
- Wie haben OutInChurch-Mitglieder (d.h. offiziell zölibatär lebende und andere mit kirchlichem Job,) ihnen nahestehende queere Menschen behandelt, die nicht Teil des kirchlichen Inner Circle sind? Insbesondere solche, mit denen sie eine sexuelle und/oder romantische Beziehung hatten. Wurden diese Menschen in Mitleidenschaft gezogen – zum Beispiel um Konflikte mit der Kirche zu vermeiden? Gibt es bei OutInChurch Personen, die deshalb andere Queers verleugnet oder sogar geghostet haben? Wie geht es den davon betroffenen Menschen?
- Sind bei OutInChurch Leute dabei, die sich nur für Teile der Bewegung stark machen? Die sich etwa gegen Homonegativität einsetzen, aber nicht gegen Trans*Feindlichkeit oder die selber Trans*Menschen diskriminieren? Zum Beispiel indem sie Trans*Personen als Interessenten* für einen Orden ablehnen? Wie geht OutInChurch damit um?
- Wo wart ihr, die ihr jetzt in der katholischen Kirche „out in church“ seid, als eure queeren evangelischen Geschwister vor ein paar Jahrzehnten ihr OutInChurch hatten, das weder gesellschaft-lich noch kirchlich gut aufgenommen wurde? Wo viele deshalb ihre Stelle und Perspektive in der Kirche verloren haben? Inwieweit hilft deren Einsatz von damals euch heute bei eurer Initiative? Und welchen Beitrag hatte der Kampf nicht-kirchlicher Queers für euch?
- Wie geht OutInChurch mit kritischen Fragen queerer Menschen außerhalb der Kirche um? Auch mit der Frage, weshalb ihr euch für ein System engagiert, das viel dazu beigetragen hat und beiträgt, dass Queerfeindlichkeit weltweit ausgeübt und gerechtfertigt wird?
Es müssen nicht diese Fragen sein, aber der Einbezug einer selbstkritischen Betrachtung und eine Erweiterung des Blickfeldes auch auf andere würde für mich die Glaubwürdigkeit von OutInChurch erhöhen.
Kater, Hamburg
(Name der Redaktion bekannt)