Wozu Weltfrauentag feiern? Anhand von drei persönlichen Erfahrungen zeigt Theresia Heimerl (Graz) die Absurdität und zugleich Notwendigkeit dieses Tages.
Erlebnisse zum Weltfrauentag I
„Geh bitte, Weltfrauentag! Den haben uns die Kommunisten verordnet“ ist seit Jahren die Reaktion eines lieben Freundes, der seine Kindheit und Jugend im kommunistischen ehemaligen Jugoslawien der 60er- und 70er-Jahre verbracht hat. Auf meine Frage, wie denn im Paradies der Arbeiter und Arbeiterinnen der Weltfrauentag so gefeiert worden sei, lautete die Antwort: „In der Schule Blumen basteln für die Mütter.“ Dass mir diese Tätigkeit unter der Überschrift Muttertagsvorbereitungen auch nicht unbekannt war, erklärte der vormalige Insasse des Proletarierparadieses mit: „Muttertag war kapitalistisch“.
Die Frauenfrage war für Karl Marx ein sogenannter Nebenwiderspruch, für die katholische Kirche waren und sind Widersprüche von Frauen in der Regel Nebensache.
Aus diesem Vergleich von ideologisch unterschiedlich geprägten Kindheitserinnerungen lässt sich ableiten: Je nach politischem Narrativ sind alle Menschen ungleich, gleich oder gleicher, alle Frauen aber Mütter und mit Blumenbastelei zu ehren.
Die Frauenfrage war für Karl Marx ein sogenannter Nebenwiderspruch, für die katholische Kirche waren und sind Widersprüche von Frauen in der Regel Nebensache. Es sei denn, sie verwahren sich allzu heftig dagegen, mit Blumen abgespeist zu werden, dann erinnert die geistliche Obrigkeit gerne an die wahre Bestimmung der Frau, die eben ideologie- und weltumspannend in der liebevollen mütterlichen Freude über Blumenbasteleien …, siehe oben.
Erlebnisse zum Weltfrauentag II
Zeitgleich mit der Einladung, doch bitte ganz schnell noch diesen Beitrag zum Weltfrauentag zu schreiben, ist in meiner Mailbox eine Einladung einer angesehenen katholisch-theologischen Fakultät gelandet, mich doch auf eine Ausschreibung einer Professur in meinem Fach hin zu bewerben. Ich fühle mich genau so lange geschmeichelt, bis ich die Funktion des Absenders lese: Gleichstellungsbeauftragter. Nicht erst seit gestern im akademischen Betrieb beheimatet, weiß ich: Da wird eine gewisse Anzahl an weiblichen Bewerbungen gebraucht, weil das die Fakultät oder die Uni oder beide in ihren Zielvereinbarungen stehen haben. Frauen mit Dr. theol. in diesem Fach gibt es offenbar nur sehr wenige, erstens, weil man oder hier frau mit diesem Fach besser einen Dr. phil. macht, und zweitens, weil gerade Frauen im Theologiestudium oft genug schon vor der höchsten Qualifikation rausfallen, um sich dann mit Blümchen beschenken zu lassen.
Besonderheit ist aber letztlich Abnormität, mit Blümchen dekoriert
Ich werde also eingeladen, weil ich das richtige Doktorat und die Blumenbastelei rasch genug in die Ecke gestellt habe – und weil ich die entsprechenden primären und sekundären Geschlechtsmerkmale besitze, die mich als Frau ausweisen. Dafür kann ich nichts. Und ich bin mir nicht sicher, ob nicht der Weltfrauentag eigentlich genau darauf hinweisen sollte: Dass keine Frau etwas für ihr Geschlecht kann und dieses keine Begründung für was auch immer sein sollte: Für weniger Lohn, für Unterdrückung, für ein größeres Sterberisiko, für Einladungen zu Bewerbungen. Frausein ist keine Krankheit, keine Abnormität, kein Ausnahmezustand. Manchmal bin ich mir leider nicht sicher, ob nicht in katholischen Kreisen der Weltfrauentag dazu dient, die Besonderheit Frau zu feiern. Besonderheit ist aber letztlich Abnormität mit Blümchen dekoriert.
Erlebnisse zum Weltfrauentag III
Unser neues Lehramtsstudium enthält unter anderem auch eine Lehrveranstaltung zu „Gender und Theologie“ und soll Kompetenzen im Umgang mit den vielfältigen Anfragen an Geschlechterrollen und -diversitäten vermitteln. Was tun, fragt die Lehrende per mail angesichts der anstehenden Beurteilung, wenn eine Studierende ihren Beitrag mit „Gender ist dämonisch“ eröffnet und sich dabei auf das kirchliche Lehramt beruft?
Tja, was tun? Was tun als katholische Theologin angesichts dieser schizophrenen Grundexistenz zwischen dem Anspruch auf das kritische Hinterfragen tradierter Geschlechterrollenbilder und Amoris laetitia 56, demzufolge sich frau, so sie Gender nur erwähnt, schon mit einem Bein in der Häresie befindet?
einen Tag lang so tun, als würde man(n) alle Frauenanliegen nicht für Nebenwidersprüche, Ausnahmefälle und gefährliche Irrtümer halten
Der Weltfrauentag ist idealerweise dazu da, dass all diese Erlebnisse irgendwann nicht mehr passieren können. Bis dahin, so habe ich manchmal den Eindruck, ist er auch ein klein wenig dazu da, sie vergessen zu machen und wenigstens einen Tag lang so zu tun, als würde man(n) alle Frauenanliegen nicht für Nebenwidersprüche, Ausnahmefälle und gefährliche Irrtümer halten.
Weltfrauentag kann und soll frau trotzdem feiern: Ohne Blümchen, dafür aber mit gleicher Bezahlung.
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Ao.Univ.-Prof. DDr. Theresia Heimerl ist Religionswissenschafterin in Graz.
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