Katholische Jugendverbände haben sich Gedanken über ihren Anteil an der Sendung der Kirche gemacht. Sie nehmen sich als Orte des Glaubens wahr und wollen mitmischen in Kirche, Politik und Gesellschaft. Lea Quaing stellt die „Theologie der Verbände“ vor.
Welchen Anteil haben wir an der Sendung der Kirche? Diese Frage haben sich die katholischen Jugendverbände im BDKJ (Bund der deutschen katholischen Jugend) gestellt. Herausgekommen ist 2015 ein Papier, kurz: eine „Theologie der Verbände“ (Link zur PDF). Vorausgegangen waren drei Jahre Arbeit theologischer Grundlagenreflexion der katholischen Jugend- und Verbandsarbeit.
Das Hauptaugenmerk der Überlegungen liegt dabei auf dem Sendungsverständnis nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil: Die Sendung der Kirche als Apostolat aller Gläubigen aufgrund ihrer Taufe und Firmung (vgl. LG 32/33), also auch von durch Laien gebildeten Gemeinschaften (vgl. AA 18).
Es geht um die Aufgabe, „das Reich Gottes in der Welt sichtbar zu machen“.
Die „Theologie der Verbände“ orientiert sich stark daran, was die katholischen Kinder- und Jugendverbände unter dem Dach des BDKJ ausmacht und wie diese Wesensmerkmale theologisch verortet sind: Christlicher Glaube; Bezug zur Lebenswelt von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen; Partizipation, Selbstorganisation und Demokratie; Freiwilligkeit und Ehrenamtlichkeit. Dabei wird der Ausgangspunkt dieser Wesensmerkmale vor allem im Apostolat eines jeden Christen und einer jeden Christin gesehen. Es geht um die Aufgabe, „das Reich Gottes in der Welt sichtbar zu machen“[1].
Christlicher Glaube in den Kinder- und Jugendverbänden bedeutet eine Vielfalt an Formen, den Glauben zum Ausdruck kommen zu lassen. Ausgerichtet auf die Person Jesus Christus – auf sein Leben, Handeln und Wirken – sehen sich katholische Kinder- und Jugendverbände in seiner Nachfolge. Sie wollen in ihrem Tun Maß nehmen an Jesus und sich immer wieder neu von ihm herausfordern lassen. Ihre Verbände nehmen die Jugendlichen dabei als kleine Gemeinden wahr, als Orte der Kirche und des Glaubens.
„den christlichen Glauben wirksam und selbstverantwortet erschließen, dass er im je eigenen Leben Gestalt annehmen“ kann.
Den Rahmen bildet dabei immer und ganz zu Anfang die jeweilige Lebenswelt von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – dies sehen die Verbände als Voraussetzung überhaupt, um Kirche in der Welt von heute sein zu können (vgl. GS 44). In den Kinder- und Jugendverbänden sollen junge Menschen die Möglichkeit bekommen, „den christlichen Glauben wirksam und selbstverantwortet zu erschließen, so dass er im je eigenen Leben Gestalt annehmen“[2] kann.
Dieser Gedanke, der in den 1920er Jahren u. a. Ausgangspunkt für die Gründung der katholischen Jugendbewegung war, wird bis heute in den aus dieser Bewegung entstandenen Kinder- und Jugendverbänden als Grundsatz verstanden und gelebt. Nur so ist es den Verbänden möglich, authentisch ihren Anteil an der Sendung der Kirche zu leisten – also mitzuhelfen, nach innen und außen Zeichen und Werkzeug Gottes zu sein (LG 1).
Ziel: „Empowerment“ junger Menschen und Aufbau der Kirche.
Partizipation, Selbstorganisation und Demokratie stellen für die Kinder- und Jugendverbände „Werkzeuge“ in diesem Sinne dar: Es geht um das Ernstnehmen der jungen Menschen und ihrer Belange, um „Empowerment“ und Stärkung bei der Selbstfindung und vor allem den Aufbau von Kirche, der an Charismen orientiert ist und den Gedanken der „communio“ entfaltet – der Überzeugung, dass mit den verschiedenen Charismen der jungen Menschen „alle in der Verschiedenheit Zeugnis [geben] von der wunderbaren Einheit im Leibe Christi“ (LG 32) und so Gutes entsteht.
Kinder- und Jugendverbände können und wollen mit ihrer Art Kirche zu sein, Impulse geben und Vorbild sein in den aktuellen Diskursen zur Umstrukturierung und zum neu Denken von Orten von Kirche, gerade im Sinne der Prinzipien der Partizipation, Selbstorganisation und Demokratie. Sie setzten dabei um, was Papst Franziskus in Evangelii Gaudium benennt: „[…] bei einigen Gelegenheiten wird er [der Bischof] hinter dem Volk hergehen, […] weil die Herde selbst ihren Spürsinn besitzt, um neue Wege zu finden“ (EG 31).
Jugendverbände sind Orte des Glaubens. Sie sind Gemeinde und Kirche.
Die „Theologie der Verbände“ ist ein Statement, dass Jugendverbände Orte des Glaubens, Gemeinde und Kirche sind. Mit ihr wird eine Erweiterung des klassischen Verständnisses des Territorialprinzips (Kirche = Pfarrei) aufgezeigt, welche die Verbände schon lange leben: Kirche ist dort, wo Gläubige zusammenkommen – sowohl in der Pfarrei als „auch in fruchtbarer Wechselwirkung mit den Pfarreien“[3], in denen die Verbände ansässig und um deren Mitgestaltung sie bemüht sind. Jugendverbände und Gemeinden sind keine Konkurrenten, sondern spielen für dasselbe Team.
Die Verbände haben eine Anbindung an den Pfarrer als auch eine selbstgewählte Bindung an den Bischof (sie sind als private Vereine im Sinne des kirchlichen Rechts autonom; vgl. c. 321 CIC/83). So spiegelt sich in den Verbänden die Situation ihrer jeweiligen Pfarrei und des Bistums wieder. Allerdings finden junge Menschen hier auch geschützte Räume, in denen sie Erfahrungen machen können, auf Glaubensfragen treffen, in denen sie Fragen stellen und in denen sie diesen Fragen gemeinsam nachgehen können. Mit diesem Angebot soll jungen Menschen die Möglichkeit gegeben werden, ihre eigene Spiritualität zu entdecken, sprachfähig bezüglich ihres Glaubens zu werden und einen Weg zu finden, ihren Glauben zu leben.
Kirche mitgestalten, in politische Diskussionen einmischen und sich für eine gerechte Welt einsetzen.
Die Kinder- und Jugendverbände im BDKJ verstehen sich als Teil der katholischen Kirche, die sie mit den anderen Gruppierungen in der Kirche bilden und so Zeichen für die Einheit in Vielfalt sind (vgl. LG 13). Die „Theologie der Verbände“ spricht von einer „prophetischen Kraft“, die den Kinder- und Jugendverbänden zuwächst, weil sie nah dran sind an der Lebenswelt von jungen Menschen, die ein feines Gespür für die Zeichen der Zeit haben. Mit dieser Kraft wollen sie ihre Kirche mitgestalten, sich in politische Diskussionen einmischen und sich für eine gerechte Welt einsetzen.
Die „Theologie der Verbände“ muss sich vom fachlichen Diskursniveau her nicht verstecken. Sie soll auch außerhalb des BDKJ einen Dialog eröffnen. Gerade im Gespräch mit den deutschen Bischöfen bietet die „Theologie der Verbände“ Anstöße, sowohl zur Vergewisserung der gemeinsamen Grundlagen als auch zur kritischen Auseinandersetzung und gegenseitigen Anfragen. Dazu soll die „Theologie der Verbände“ auch in Zukunft genutzt werden. Im theologisch-wissenschaftlichen Bereich soll sie die Frage aufwerfen, inwieweit sich das Thema „Jugendpastoral“ in den Studien- und Forschungsinhalten wiederfindet.
Warum sind Kinder und Jugendliche ein Geschenk? …für die Kirche? …für die Welt?
Um die Anliegen der „Theologie der Verbände“ allen Mitgliedern nahebringen zu können, wurde eine Arbeitshilfe (Link zur PDF) entwickelt, die die praktische Arbeit an den Themen unterstützt. Für Gruppenstunden oder Leiterrunden finden sich Impulse, die Frage nach dem Anteil an der Sendung der Kirche konkret werden zu lassen: Warum sind Kinder und Jugendliche ein Geschenk? …für die Kirche? …für die Welt? Wie schaut es aus mit Spiritualität? Wie vernetzt seid Ihr in Pfarrei und Bistum? Welchen Wunsch würdet Ihr in den Wunschkeks eures Bischofs einbacken wollen? Stöbern lohnt sich!
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Lea Quaing ist BDKJ-Diözesanvorsitzende im Bistum Osnabrück und studiert katholische Theologie in Münster.
Bild: Cover zur Arbeitshilfe der „Theologie der Verbände“
Downloads:
Der Anteil der Verbände an der Sendung der Kirche. Beitrag zu einer Theologie der Verbände (PDF)
Arbeitshilfe zur Theologie der Verbände (PDF)
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[1] Bundesvorstand des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) (Hrsg.): Der Anteil der Verbände an der Sendung der Kirche. Beitrag zu einer Theologie der Verbände. Düsseldorf 2015. 9
[2] Ebd. 13
[3] Ebd. 20