Auf dem Katholikentag hat Gerrit Spallek sich umgehört: Wie findet frau ihren Frieden mit der katholischen Kirche?
feinschwarz.net dankt allen Interviewten für ihre Offenheit.
»Suche Frieden«: Unter diesem Leitwort steht der 101. Deutsche Katholikentag in Münster. Das Leitwort passt gut zur Friedensstadt Münster und noch besser zur Situation der Welt von heute. Podien und Workshops sind prominent besetzt. Renommierte Vertreterinnen und Vertreter aus Kirche, Politik und Wissenschaft geben Auskunft, wie der Friede zu suchen ist.
In der Auslegung des Leitworts ist das Programmangebot des Katholikentages gewohnt großzügig. Bei dem facettenreichen Programmspektrum vermisse ich jedoch einen nicht unbedeutenden Aspekt. Kirche war und ist eben nicht allein eine Gemeinschaft des pilgernden Gottesvolkes auf der Suche nach dem Frieden. Auch ist die Kirche nicht nur Akteurin im Sinne einer Stifterin oder eines Werkzeugs, die dem Frieden zum Durchbruch verhilft. Alles das ist die Kirche, aber nicht nur.
Kirche bietet Reibungsfläche. Sie ist ebenfalls ein Gegenüber, das es Menschen nicht unbedingt leicht mit ihr macht. Auch mit der Kirche müssen Menschen ihren Frieden finden.
Frauen in der Kirche als Expertinnen in Sachen Friedensfindung
Abhängig etwa von der eigenen Biographie, dem eigenen Geschlecht oder der eigenen sexuellen Orientierung, kann dieser Prozess mit unterschiedlichen Graden an Energieaufwand und Verwundungen verbunden sein. Die Schatten, über die Menschen in ihrer Kirchenmitgliedschaft springen müssen, unterscheiden sich in Quantität und Qualität.
Der Monat Mai ist bei feinschwarz.net als Frauenmonat gestaltet. Auf dem Katholikentag habe ich daher gezielt Frauen gefragt: Wie findet frau ihren Frieden mit der katholischen Kirche? Ausgerechnet im Rücken der überbuchten Großveranstaltungen habe ich dabei echte Expertise in Sachen Friedensfindung gefunden.
Schwester Simone
Haben Sie Ihren Frieden mit der Kirche gefunden?
Mhh… zum Teil. Also ich bin gerne in Kirche, fühl mich wohl in Kirche und bin da auch beheimatet. Das heißt aber nicht, dass ich mit allem einverstanden bin, was in Kirche läuft. Meine Devise ist: Was verändern kann ich nur dann, wenn ich da bleibe, nicht wenn ich abhaue. Und deswegen glaube ich, muss man intern für Frauenrechte – oder was auch immer ansteht – kämpfen. Das kann man nicht von außen. Von außen meckern ist immer einfach. Dann kann man aber nichts ändern. Mann muss dabei bleiben. Von daher ist nicht immer nur Frieden, aber trotzdem fühle ich mich in der Kirche wohl und beheimatet.
Wie findet frau ihren Frieden mit der Kirche?
Ich glaube Frau muss sich mit Frau zusammentun. In der Schweiz gibt es beispielsweise eine Bewegung, die nennt sich »Kirche mit* den Frauen«. Die haben sich zusammengetan und haben viel bewegt. Die haben sehr viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht, sind sehr sichtbar in der Schweiz. Ich wünsche mir, dass sich die Frauen in Deutschland auch zusammenrotten und sagen: Wir gehen da gemeinsame Wege. Dafür muss man dann aber auch mal den Kopf hinhalten, mal Schläge einstecken und auch mal Unfrieden stiften. Mein Traum wäre, dass das mehr passiert.
Luitgard,
vom Netzwerk katholischer Lesben
Haben Sie Ihren Frieden mit der Kirche gefunden?
Ein klares Jein. Ich war einmal einer Ordensgemeinschaft beigetreten und bin dann auch wieder ausgetreten. Danach habe ich erst gemerkt, dass ich lesbisch bin. Dann habe ich lange gesucht und geschaut, ob beides zusammen geht: also lesbisch sein und katholisch sein. Ich war auch schon ganz nah dran auszutreten, habe dann aber gemerkt, dass die Wurzeln in der katholischen Kirche, die ich habe, mir schon wichtig sind; mir auch viele Rituale der Kirche wichtig sind. Gott sei Dank habe ich diese Gruppe gefunden: Netzwerk katholischer Lesben, wo ich merke, dass eben beides geht und ich mich als Frau, Lesbe und katholische Frau, auch bejahen kann. Aber die katholische Kirche kann das ja noch gar nicht. Und von daher ist es mit dem Frieden so schwierig.
Gott akzeptiert mich so, oder will mich so, oder hat mich so geschaffen, wie ich bin.
Ich kann sagen: Mit etwas mehr Abstand hat man auch mehr Frieden in sich. Es gibt zum Glück auch genug Fußvolk, das sagt: „Es ist wichtig, wenn du dich lebendig fühlst!“ – das war von einer Ordensfrau. Das war für mich eine ganz wichtige Aussage. Das fand ich ganz toll. Von daher kann ich sagen, dass es viele gibt, die auch in Kirche arbeiten, die sagen: Es ist gut wie du bist. Ich bin mir ganz sicher: Gott akzeptiert mich so, oder will mich so, oder hat mich so geschaffen, wie ich bin.
Wie findet frau ihren Frieden mit der Kirche?
Mir waren Meditation und stille Zeit wichtig. Für mich war erst einmal der eigene Bezug zu Gott wichtig, nicht zu Kirche. Und wenn ich da sicher und stark bin, dann kann ich auch vieles in Hinblick auf Kirche nicht akzeptieren, aber hoffen, dass sie in kleinen Schritten weitergehen. Vielleicht kommt man dann zu einem solchen Frieden.
Dr. Regina Illemann,
Theologin
Haben Sie Ihren Frieden mit der Kirche gefunden?
So richtig gefunden habe ich ihn noch nicht – oder nicht mehr. Im Moment sind mir die unbefriedigenden Strukturen der röm.-kath. Kirche, was Geschlechtergerechtigkeit angeht, sehr bewusst. Und daran reibe ich mich immer wieder. Und das stellt meinen Frieden mit meiner Kirche in Frage und auf eine Probe.
Wie findet frau ihren Frieden mit der Kirche?
Mein Weg ist, mich nicht nur auf die Schattenseite von Kirche zu fokussieren, sondern mich an der Frohen Botschaft, die wir zu verkünden haben, zu freuen; mich auch an schönen Liturgien und am Gebet zu erfreuen, also die Nähe zu Gott direkt zu suchen und die Gemeinschaft mit anderen Gläubigen ganz konkret zu suchen. Das ist Kirche eben auch, also nicht nur Strukturen und Amtsträger. Das Unmittelbare, das Konkrete, das Nahe, das hilft, mehr Frieden mit dem zu finden, was an den Strukturen unbefriedigend ist.
Andrea Karl,
Bundesvorstand der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ)
Haben Sie Ihren Frieden mit der Kirche gefunden?
Ich habe tatsächlich meinen persönlichen Frieden mit der Kirche gefunden. Ich bin auch schon ganz, ganz lange dabei, war Messdienerin im Ort und bin mit 13 zur CAJ gekommen. Das was ich Frieden nennen kann, habe ich auf jeden Fall über den Jugendverband – die Christliche Arbeiterjugend – gefunden, weil ich dort festgestellt habe, dass Kirche auch fernab von Gottesdienst und Messdienen stattfindet. Kirche-sein kann auch bedeuten, mich für die Gesellschaft einzusetzen und mich politisch zu engagieren – vor dem Hintergrund eines christlichen Menschenbilds. Mit diesem Verständnis von Kirche kann ich gut sagen: Ich bin froh, Teil der Kirche zu sein und auch für die Kirche zu arbeiten. Nichtsdestotrotz finde ich, dass es viele Sachen gibt, wo wir nochmal in einen Austausch gehen, vielleicht sogar streiten müssen, um komplett zu einem Frieden mit der Kirche zu kommen.
Wie findet frau ihren Frieden mit der Kirche?
Ich glaube, sie muss einfach selbstbewusst sein und voran gehen. Das wovon sie überzeugt ist, soll sie nach außen tragen, indem sie mutig rausgeht und sich auch mit anderen Frauen vernetzt. Es gibt schließlich in der Kirche schon ganz viele, die sich dafür einsetzen, dass Frau und Kirche gut zusammengeht und friedlich zusammengeht.
Eine Religionslehrerin aus Bayern
Haben Sie Ihren Frieden mit der Kirche gefunden?
Ja.
Wie findet frau ihren Frieden mit der Kirche?
Man sucht sich seine Nischen – und die Toleranz muss ziemlich groß sein. Ich komme aus Oberfranken. Dort haben wir eine Basilika, ein Zentrum, wo ziemlich progressive Religion gelebt wird. Dort kann man hingehen, Gott nah sein und sich der Gemeinde entziehen. Und außerdem gibt es da einige Klöster, wo ich immer wieder hingehen kann und genau das Gleiche erlebe. So laviert man sich halt durch. In der Gemeinde an sich habe ich mich rausgenommen.
Was macht es schwer, den Frieden mit der Kirche zu finden?
Es ist eine persönliche Entscheidung. Ich trenne diese Amtskirche von meinem Glauben. Gestern bin ich wirklich erschrocken, als der Nuntius aufgetaucht ist. Da habe ich zu meinem Begleiter gesagt: Gehört der auch zu uns? Ich komm immer wieder zu dem Punkt, wo ich sage: Jawohl, das ist meine Religion, das ist mein Gott und das ist mein Jesus und ich folge diesem Mann. Aber das hat mit der Würdenträgerkeit eigentlich wenig zu tun. Aber das ist mir wurscht – mittlerweile. Ich weiß, dass ich meine Orte habe, wo ich meine religiösen Bedürfnisse stillen kann. Immer wieder gehe ich auch mal in ein buddhistisches Zentrum, wo diese Suche nach Spiritualität auch gestillt wird. Aber selbst in meiner kleinen, winzigen Gemeinde ist das nicht so. Aber für mich ist es okay. Ich bin nimmer traurig.
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Die Interviews führte Gerrit Spallek. Er ist Theologe am Institut für Katholische Theologie der Universität Hamburg und Redaktionsmitglied von feinschwarz.net
Bild: feinschwarz.net