Mit dem Ende der Weltsynode beginnt die Frage, wie synodale Prozesse weitergehen können und die konkreten Themen weiterbehandelt werden. Inhaltliche Veränderungen hängen insbesondere daran, wer gehört wird und wie möglichst viele möglichst gerecht an Entscheidungen beteiligt werden können. AGENDA – Forum katholischer Theologinnen e. V. hat Stimmen seiner Mitglieder gesammelt, um darauf aufmerksam zu machen, dass mit der Auswahl der Beteiligten ein machtvolles Instrument zur Regulierung von liebsamen und unliebsamen Strömungen besteht, das reflektiert und hinterfragt werden muss.
Das Beraten an runden Tischen mit gleichem Redeanteil, ein starker Fokus auf das Zuhören, ein Hören auf den „Sensus Fidelium“ der Vielen in aller Welt in ihren je eigenen Lebensbezügen – all diese Charakterzüge werden der Weltsynode zugeschrieben, die im Oktober zu Ende ging. Dass die Bewertung der Ergebnisse dieser Bischofssynode sehr unterschiedlich ausfällt, ist auch der Ungleichzeitigkeit der Ereignisse und Dynamiken geschuldet: Was die einen als wegweisende und tiefgreifende Reform der Beratungs- und Entscheidungsstrukturen der römisch-katholischen Kirche betrachten, wirkt für andere wie aus der Zeit gefallen, weil demokratische Mitbestimmung in vielen Bereichen des Lebens nicht mehr wegzudenken ist. Ähnlich verhält es sich auch mit inhaltlichen Fragen, die das Abschlussdokument behandelt, wie bspw. die gleichzeitige Wertschätzung der gleichen Würde aller Menschen und die Beschränkung des Zugangs zu Weiheämtern auf Grund des Geschlechts. In menschenrechtlicher Argumentation schließen sich diese beiden Aussagen aus – im Abschlussdokument stehen sie nebeneinander.
Vor allem in Bezug auf die Frage des so genannten Frauendiakonats wurde in vielen Stellungnahmen die Irritation und das Unverständnis über eine neuerliche Verschiebung der Diskussion und der Entscheidung laut.[1] Wenn es im Abschlussdokument heißt, dass die „Frage des Zugangs von Frauen zum diakonischen Amt offen“ (Nr. 60) bleibt, sehen deshalb die Einen, dass dies vermutlich die einzige Kompromissformel war, die zu einer Zustimmung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit geführt hat. Andere wiederum fragen sich, wann der eigene Langmut zu einem Ende finden muss, der bereits viele Jahrzehnte seit der Würzburger Synode, auf der diese Frage bereits vor einem Durchbruch zu sein schien, andauert. Für viele Gläubigen – nicht nur in Deutschland – ist der Geduldsfaden längst gerissen.
Mit dem Ende der Weltsynode 2021-2024 sind viele prozessualen Fragen bewusst offen geblieben und bedürfen so einer weiteren Auseinandersetzung.[2] Dementsprechend werden die Ortskirchen im Schlussdokument aufgefordert, die synodalen Prozesse weiterzuführen und umzusetzen. Dazu gehört auch eine „Bewertung der Fortschritte in Bezug auf die Synodalität“ sowie „die Beteiligung aller Getauften am Leben der Kirche“ (Nr. 9). Dass diese Beteiligung, das Hinhören auf die Stimmen der Gläubigen, Strukturen und geordneter Verfahren bedarf, bekräftigt Bischof Dr. Georg Bätzing in einem persönlichen Statement zur Synode.[3]
Die Weltsynode hat (zum wiederholten Mal) gezeigt: Solange diejenigen, die mit kirchlicher Leitung und damit Entscheidungsgewalt ausgestattet sind, entscheiden, wer legitim und an prominenter Stelle reden und sich beteiligen darf, bleibt die Beteiligung „aller Getauften“ eine Beteiligung derer, die in der Gunst oder im Sichtfeld der Mächtigen stehen. Eine machtkritische Perspektive auf die Frage der Beteiligung ist deshalb überfällig.
An vielen kirchlichen und gesellschaftlichen Stellen ist AGENDA Repräsentantin für Theolog*innen in Wissenschaft und Pastoral. So sollen auch im Hinblick auf die Weltsynode Stimmen laut werden, die womöglich weniger präsent waren und weniger gehört wurden. Auf das Diktum des Papstes, die Zeit sei noch nicht reif für eine Entscheidung hinsichtlich des sogenannten Diakonats der Frau, antworten sie mit ihrem Blick auf die Zeichen der Zeit. Sie formulieren, wofür die Zeit reif ist:
Die Zeit ist reif, in der Kirche nicht länger Männer zu bevorzugen. Gerechtigkeit der Geschlechter ist geboten, denn alle haben als Getaufte gleichermaßen Gottes Geist empfangen. Darum ist es nicht gerecht, Menschen ihre gottgewirkte Berufung abzusprechen, anstatt diese zu prüfen, bloß weil sie keine Männer sind. Diese Menschen sind von Gott gerufen, sich in Seinen Dienst zu stellen – sie als Gottes Kirche in Dienst zu nehmen und zu einem kirchlichen Amt zu weihen, wäre die rechte Antwort. Auf diesem Wege würde die Kirche zudem den vielen Gläubigen gerechter werden, denen sie mit einseitig männlicher Verkündigung und mit Sakramenten, die nur Männer spenden dürfen, aktuell eben nicht gerecht wird.
Dr. Regina Illemann
Die Zeit ist reif, dass Frauen Stimme und Gehör finden in der Verkündigung, in der Lehre, in der Feier der Sakramente, in allen Diensten und Ämtern und überall, wo Entscheidungen getroffen werden.
Sr. Dr. Katharina Ganz
Die Zeit ist reif und überreif, nicht über die Frage eines Diakonats für Frauen nachzudenken, sondern in echter Gleichberechtigung alle Ämter für alle zu öffnen. Zu Jesu Zeit haben Frauen gesalbt, Jesus hielt Tischgemeinschaft mit Männern und Frauen, gab nach seiner Auferstehung einer Frau den Auftrag, die frohe Botschaft zu verkünden. Überreif ist die Zeit, dass auch heute Frauen in allen Formen von Gottesdiensten die frohe Botschaft verkünden, salben und andere Zeichen setzen, zur Tischgemeinschaft einladen, auch der Eucharistie vorstehen. Ja, die Zeit ist schon fast vergoren, dass Frauen längst dieselben Türen offenstehen müssten, durch die Männer wie selbstverständlich treten.
Dr. Kerstin Rehberg-Schroth
Die Zeit ist reif, Grenzen existentieller Suchbewegungen aufzusprengen und neue Pfade zuzulassen, sodass die frohe Botschaft des Evangeliums offenherzig und aufrichtig lebendig werden kann. Vom biblischen Befund her gibt es nicht nur den einen Weg, wie Gott mit uns Menschen in dieser Welt lebt. Gleichsam einer Polyphonie zeigt die Schrift immer wieder auf, wie unterschiedlich und mannigfaltig Gottes Geschichte mit den einzelnen Menschen sein kann. Die Zeit ist reif, für einen nicht-traditionellen Umgang mit Traditionen, sodass ein lebendiger und ungehemmter Rekurs auf Altbewährtes wieder möglich werden kann, der sich zugleich progressiv, dynamisch, reflektiert und entwicklungsoffen gestaltet.
Madeleine Stüttem
Die Zeit ist reif, dass Frauen ihre prophetische, priesterliche und königliche Würde leben und praktizieren. Sie tragen dazu bei, dass Frauen das überall frei tun können. Das bedeutet auch, Verhaltens- und Sprachmuster aufzudecken und zu verweigern, die Macht- und Herrschaftsmissbrauch, Klerikalismus und Frauenverachtung beinhalten oder ermöglichen.
Barbara Janz-Spaeth
Die Zeit ist reif, sie war schon reif gewesen.
In meinem früheren Dienst als Gemeindereferentin war ich zuständig für elf Alteneinrichtungen und den Aufbau eines Projektes für Einsame. Diakonisches Arbeiten und priesterliche Dienste gehörten immer zu meiner Aufgabenbeschreibung. Mir persönlich fehlt die Weihe nicht. Alles, was ich wirke, kann ich auch ohne Weihe tun. Die Menschen, die Kommunion empfangen möchten, Zuspruch suchen oder einen Segen im Sterben: sie finden das. Angehörige sehen den Beziehungscharakter und fragen nach der Seelsorgerin. Gott selbst findet sicher Wege, Heilszeichen mit in die Begegnung zu legen. In der Wirkung also sakramental, aber Sakrament? Unserer Kirche fehlt hier die Weihe zur Tätigkeit. Die Zeit ist reif, die gelebte Wirklichkeit zu legitimieren.
Michaela Labudda
Mit diesen Stimmen will AGENDA ein deutliches Zeichen setzen: Auch eine Verschiebung der Entscheidungen ist machtvolles Handeln und übergeht die Stimmen der Menschen, deren Langmut am Ende ist. Mit diesen Statements wird deutlich: Die Zeit ist reif, die Zeit ist jetzt.
Autorinnenkollektiv: Der Vorstand von AGENDA – Forum katholischer Theologinnen e. V. sowie Lia Alessandro (Junge AGENDA) und eigens kenntlich gemachte Mitglieder von AGENDA.
[1] Stellvertretend für die Frauenverbände sei hier das Statement von AGENDA erwähnt: https://www.agenda-theologinnen-forum.de/aktuelles/statement-zur-weltsynode.html.
[2] Zahlreiche Informationen sowie das Schlussdokument finden sich auf den Seiten der DBK: https://www.dbk.de/themen/bischofssynoden/bischofssynode-synodale-kirche-2021-2024.
[3] Pressemitteilung der DBK vom 27.10.2024 „Synodalität für alle Ebenen der Kirche ist gesetzt und nicht mehr rückgängig zu machen“, https://www.dbk.de/themen/bischofssynoden/bischofssynode-synodale-kirche-2021-2024, 2.
Beitragsbild: Phil Hearing, unsplash.com