Wie lässt sich eigentlich eine Hauskirche in den digitalen Raum verlegen? Und was ist eine Zoom-Konsekration? Die Irin Soline Humbert berichtet von einem „radikalen Experiment“.
„Der Sabbat ist für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat.“‘ (Mk 2,27)
Ich schreibe diese Zeilen in Irland, ganz am Ende eines Jahres, das von einer Pandemie geprägt war, an der Schwelle zu einem neuen Jahr, in dem unsere Hoffnung auf die Wiederaufnahme jeglicher Form von sicherem physischem menschlichem Kontakt von Massenimpfungen abhängt. Unsere Kirchengebäude sind derzeit wieder für Gruppengottesdienste geschlossen, so wie sie es in den letzten zehn Monaten immer wieder gewesen sind. Und wenn sie geöffnet sind, ist es nur sehr wenigen möglich, sich zu versammeln. Mit anderen Worten: Unsere Gottesdienste, aber auch unser Familienleben, unser soziales Leben, unser Arbeitsleben, unsere Reisen und natürlich auch unsere Gesundheit sind massiv beeinträchtigt. Wir befinden uns auf unbekanntem Terrain, und das wird auch in absehbarer Zukunft so bleiben.
keine Gruppengottesdienste in irischen Kirchen
Es ist dieser Kontext, der eine neue Form der liturgischen Beteiligung hervorgebracht hat. Manche werden es ein radikales Experiment nennen, und das mag eine sehr treffende Beschreibung sein. Sicherlich hätte ich mir vor einem Jahr nicht vorstellen können, daran teilzunehmen, geschweige denn die Entscheidung zu treffen, damit fortzufahren. Wovon ich spreche, ist die Teilnahme an Eucharistiefeiern über das Medium Zoom und andere Internetplattformen.
Eucharistiefeiern über Zoom
Was folgt, ist weder ein vollständig ausgearbeitetes, detailliertes theologisches Argument, noch ist es eine umfassende Beschreibung und Bewertung. Es ist lediglich ein erster und früher Versuch, etwas von dem, was ich erlebt habe, mitzuteilen. Er ist daher sowohl persönlich als auch partiell, aber geschrieben in dem Bewusstsein, dass eine wachsende Zahl von Christ:innen ähnliche Erfahrungen macht. Meine Hoffnung bei der Dokumentation dieses neuen liturgischen Phänomens ist, dass es zum Nachdenken, zum Gespräch und zu dem persönlichen und gemeinschaftlichen Überlegen anregen wird.
Dokumentation eines neuen liturgischen Phänomens
Zuvor waren ich und viele andere bereits Teil eines anderen „radikalen Experiments“, das für mich seine Wurzeln vor genau einem Vierteljahrhundert hatte, als eine befreundete Missionsschwester mir einen Kelch und eine Patene schenkte. Zum ersten Mal stand ich der Eucharistie am Dreikönigsfest 1996 vor.
In den letzten fünfundzwanzig Jahren ist auf organische Weise eine Hauskirchenbewegung gewachsen, und mit ihr die Zahl der Eucharistiefeiern in den Häusern der anderen. Sie ist zwar hauptsächlich römisch-katholisch, aber auch ökumenisch, und manchmal nehmen Mitglieder der Kirche von Irland und anderer Konfessionen daran teil. Da viele von uns aktive Mitglieder verschiedener weltkirchlicher Reformbewegungen sind, haben wir auch bei unseren internationalen Zusammenkünften Eucharistie gefeiert, normalerweise auf jährlicher Basis.
Bisher: Eucharistiefeiern in Häusern
Dies ist der Hintergrund für den nächsten Schritt, den wir im März 2020 unternahmen, als nicht nur die Kirchengebäude geschlossen wurden, sondern wir auch unsere Häuser für alle Außenstehenden schließen mussten. Physisch isoliert, aber bewegt von dem Wunsch, weiterhin gemeinsam Gottesdienst zu feiern, beschlossen wir, unsere Eucharistiefeiern online zu verlegen. Zoom ermöglichte diese Versammlungen.
Organisieren der Versammlung
Die Teilnehmer:innen bekommen den Text der Liturgie im Voraus von der Person zugeschickt, die ihn zusammengestellt hat und die die Feier leiten wird. Wir folgen dem kirchlichen liturgischen Kalender und dem allgemeinen eucharistischen Format, aber mit Raum für kreative Anpassungen. Die Lesungen aus der Heiligen Schrift und die Gebete werden gemeinsam vorgetragen, so dass es eine möglichst vielfältige aktive stimmliche Beteiligung gibt. Anstelle einer festgelegten Predigt gibt es einen offenen Raum, in dem die Menschen ihre Überlegungen und Einsichten über das Gehörte und das, was bei ihnen Resonanz gefunden hat, mitteilen können. Die anschließenden Gebete der Gläubigen sind spontane Gebete, die die Bedürfnisse und Wünsche der Versammelten ausdrücken. Es gibt auch häufig Zeit für das Spielen von Instrumentalmusik, das Singen von Hymnen und das Zeigen von visuellen Darstellungen.
möglichst vielfältige aktive stimmliche Beteiligung
Im Laufe der Pandemie und der physischen Einschränkungen hat sowohl die Zahl der kirchlichen Reformgruppen zugenommen, die diese Zoom-Gottesdienste (in Ermangelung eines besseren Wortes) abhalten als auch die Zahl der Teilnehmer:innen. Ich persönlich habe nun seit März 2020 an etwa fünfundzwanzig dieser Zoom-Eucharistiefeiern teilgenommen. Sie sind so „normal“ geworden, dass es jetzt schon schwer ist, sich an die Zeit zu erinnern, in der wir sie nicht hatten.
Zoom-Eucharistiefeiern sind normal geworden.
Wir vermissen natürlich die physischen Versammlungen, das Teilen des physischen Raums für den Gottesdienst, zusammen mit der Tasse Kaffee und dem Gespräch nach den Feiern. Wir vermissen die Möglichkeit des Händeschüttelns, der Umarmung und aller anderen Formen des Austausches des Friedenskusses. Wir vermissen auch das gemeinsame körperliche Singen. Und natürlich sind wir uns bewusst, dass nicht jeder die notwendigen Internet-Möglichkeiten oder -Kenntnisse hat. Es war jedoch ein Wunder zu sehen, wie viele, auch Menschen in fortgeschrittenem Alter (wie Simeon und Anna!), sich darauf eingelassen haben. Ich kann nur staunen, was für einen „Weg“ diese Menschen zurückgelegt haben, die mit der lateinischen Messe aufgewachsen sind, mit einem Priester, der mit dem Rücken zum Volk steht, und mit Laien, vor allem Frauen, die weit außerhalb des Altarraums bleiben!
auch geweihte Ordensleute und Geistliche
Ursprünglich wollte man über das Medium Internet gemeinsam beten und einen Wortgottesdienst halten, aber fast sofort tauchte die Idee auf, eine Eucharistiefeier zu halten, die auf Zustimmung stieß. Rückblickend ist es recht bemerkenswert, dass sie so schnell, so breit und von ganzem Herzen angenommen wurde, auch von einigen geweihten Ordensleuten und Geistlichen. Die Frage des Offertoriums und der Konsekration von Brot und Wein musste natürlich geklärt werden. Praktisch gesehen hat jede Person oder jedes Paar etwas Brot und Wein (oder Wasser, wenn Wein nicht zu beschaffen ist) vor sich auf einem Tisch vor dem Bildschirm. Diese Gaben werden durch ein gemeinsames Gebet dargebracht und geweiht, und dann empfängt jede:r von uns an seinem eigenen Bildschirm die Kommunion – den Leib und das Blut Christi.
Theologische Fragestellungen
Wir sind uns natürlich bewusst, dass diese Art der Eucharistiefeier auf das stößt, was einige als große theologische Einwände betrachten und sie für illegal und ungültig halten. Die offizielle Theologie und die Kirchengesetze verlangen, dass ein Kleriker den Vorsitz führt und die sakramentale Konsekration nur physisch stattfinden kann. Die Elemente müssten sich auf dem Altar befinden, unter den ausgestreckten Händen des Priesters.
unter den ausgestreckten Händen des Priesters
Nichts von alledem ist bei einer Online-Eucharistie vorhanden. Die ausgestreckten Hände über den Elementen sind die des Volkes Gottes, getrennt durch oft große physische Entfernungen, manchmal über Kontinente hinweg. Und doch… Der Glaube, der uns trägt und uns den nötigen Wagemut gibt, ist unser Glaube an die Realität der Gegenwart des Heiligen Geistes und dass es im Herzen unserer Feier wirklich eine Epiklese gibt. Wir sind als der Leib Christi versammelt und empfangen den Leib Christi. Obwohl wir viele sind und über Irland, den Norden und den Süden und gelegentlich auch buchstäblich über das Angesicht der Erde verstreut sind, sind wir Eins.
unter den ausgestreckten Händen des Volkes Gottes
Wir glauben, dass das Wirken des Heiligen Geistes den Raum übersteigt. Wenn jeder von uns, der vom Geist bewohnt ist, gemeinsam betet und den Geist anruft, glauben wir, dass wir wahrhaftig Lob und Dank geben im Gedenken an Jesus, wie er seine Nachfolger:innen gebeten hat, sich an ihn zu erinnern. Und wir glauben, dass Christus wirklich gegenwärtig ist, wenn wir uns versammeln, auch wenn diese Versammlung notwendigerweise online und nicht physisch stattfindet. Als Jesus seinen Jünger:innen versprach, er werde gegenwärtig sein, „wenn zwei oder drei sich in meinem Namen versammeln“, nannte er keine Bedingungen für dieses Versammeln. Natürlich gab es damals nicht die Möglichkeit, sich über das Internet zu versammeln, aber im 21. Jahrhundert ist dies eine Möglichkeit. Wir können uns dafür entscheiden, die Verfügbarkeit von Internetplattformen wie Zoom als gottgegebenes Mittel zu betrachten, um sich in Jesu Namen zu versammeln.
Wir glauben: Christus ist wirklich gegenwärtig – auch online.
Wenn ich mich an diese Internetfeiern zurückerinnere, gibt es für mich einige herausragende Momente, Zeichen göttlicher Gnade, während wir uns abmühten, die Grundlagen der virtuellen Technologie zu erlernen und zu beherrschen; um nur einige zu nennen: Die außergewöhnliche Erfahrung, mit Menschen in ihren eigenen Häusern (oder Büros) in so unterschiedlichen Kulturen wie Pakistan, Indien, Australien, USA, Südafrika, Österreich, Deutschland, Frankreich, Brasilien, Italien, Portugal usw. zu beten; die Schriftlesungen, die aus der Ferne zu uns kamen; die gemeinsame Gemeinschaft schweißte zusammen, als alles darauf abzielte, uns isoliert und getrennt zu halten. Durch diese eucharistischen Versammlungen hat Gott uns genährt und unseren Glauben, unsere Liebe und Hoffnung lebendig gehalten und unseren Sinn für Gemeinschaft, Solidarität und Einheit gestärkt. Es war Manna vom Himmel.
Veränderung und die Zukunft
Es lässt sich nicht leugnen, dass wir eine Zeit tiefgreifender Veränderungen in unserer Welt und in unseren Kirchen durchmachen – eine Zeit der Krise, und man kann sagen, sogar eine Zeitwende, die nicht weniger als einen Paradigmenwechsel mit sich bringt. Dieses Zitat von Eric Hoffer scheint passend: „In Zeiten des Wandels erben die Lernenden die Erde, während die Gelehrten sich wunderbar gerüstet finden, um mit einer Welt umzugehen, die nicht mehr existiert.“[1]
Paradigmenwechsel
Es gibt eine ganze kirchliche Welt, die zunehmend im Verschwinden begriffen ist. Während diese Pandemie mit der Zeit vorbei sein wird, wird sie zu einigen dauerhaften Veränderungen beigetragen haben, die bereits im Gange waren. Ich werde es nicht wagen, darüber zu spekulieren, wie diese Änderungen genau aussehen werden. Aber es scheint mir, dass für einige Christ:innen die Erfahrung dieser Eucharistiefeiern einen Durchbruch bewirkt und sie als priesterliches Volk gestärkt haben wird.
Ich bin mir bewusst, dass einige all dies als zu extrem, zu außerhalb der etablierten kirchlichen Normen, zu „wild“, mit anderen Worten einen Schritt zu weit, betrachten werden. Aber ist es das?
Am Anfang habe ich es als ein radikales Experiment bezeichnet … aber ist die Bibel nicht voll von radikalen Experimenten? Wir könnten argumentieren, dass die gesamte Schöpfung ein großes, riskantes Experiment von Seiten Gottes ist. Wir könnten auch Jesus als ein radikales göttliches Experiment betrachten: Sein ganzes Leben passte sicher nicht in die etablierten religiösen Konventionen seiner Zeit.
Ein radikales Experiment?
Die Teilnahme an einer Zoom-Eucharistie ist ein bisschen wie das Gehen auf dem Wasser. Wir haben den festen Boden unseres lang etablierten theologischen Rahmens mit seinem Gefühl der Sicherheit verlassen und befinden uns auf freiem Fuß, getragen von dem Einen, der uns aufruft, zu einem anderen Ufer hinüberzugehen. Ich kann nur staunen über die Weite und Tiefe dieser Liebe, deren Treue unerschütterlich ist. Dafür sage ich Dank und Lob: „Gott sei Ehre, dessen Kraft, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns vorstellen können“ (Eph 3,20).
Autorin: Soline Vatinel Humbert hat einen M.Phil (Ökumene) von der Irish School of Ecumenics/ Trinity College Dublin und ein päpstliches Diplom in geistlicher Begleitung. Sie ist als geistliche Leiterin tätig. Sie ist Mitglied von Wir Sind Kirche Irland.
Übersetzung ins Deutsche aus dem englischen Originalartikel in SEARCH (eine theologische Zeitschrift der Kirche von Irland. Frühjahr 2021. Vol. 44.1. Copyright SEARCH und Soline Humbert) von Colm Holmes. – Leichte Änderungen der Übersetzung vorgenommen von der feinschwarz.net-Redaktion.
[1] Hoffer E., Reflections on the Human Condition, Hopewell Publications. 1973. P. 22.
Beitragsbild: Colm Holmes; auf dem Bildschirm zu sehen: „Last Supper“ von Bohdan Piasecke (1998) – das Original gehört We Are Church Ireland.